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PLANET/398: Das Iapetus-Rätsel ist gelöst (SuW)


Sterne und Weltraum 4/10 - April 2010
Zeitschrift für Astronomie

Das Iapetus-Rätsel ist gelöst
Wie ein Saturnmond schwarz-weiß wurde

Von Tilmann Denk


Iapetus, ein Mond des Planeten Saturn, gehört zu den ungewöhnlichsten Objekten im Sonnensystem: Während eine Hemisphäre fast so hell wie Schnee ist, erscheint die andere nahezu schwarz. Kein anderer Körper im Sonnensystem besitzt eine auch nur annähernd vergleichbare Struktur. Diese »Helligkeitsdichotomie« des Iapetus wurde vor mehr als 330 Jahren entdeckt, doch erst jetzt können wir hierfür eine schlüssige Erklärung geben.


In Kürze
Schon dem Entdecker des Iapetus, Jean-Dominique Cassini, fiel im Jahr 1673 auf, dass der Mond starke Helligkeitsschwankungen während eines Umlaufs um Saturn zeigt.
Bereits Cassini vermutete, dass Iapetus eine sehr helle und eine sehr dunkle Hemisphäre aufweist, was in den 1980er Jahren durch die beiden Voyager-Raumsonden bestätigt wurde.
Mit neuen Bildern und Messdaten der US-Raumsonde Cassini gelang nun die schlüssige Erklärung der ungewöhnlichen Oberfläche: Verdunstung von Wassereis mit einer Reihe von Nebenbedingungen.

Wie entstand die Helligkeitsdichotomie des Saturnmonds Iapetus? Das war eine der letzten noch offenen Fragen, die sich die Planetenforscher bereits im 17. Jahrhundert gestellt hatten. Die Entstehung von Sonnen- und Mondfinsternissen, die Phasen der Venus, die wahre Natur der Kometen oder der »Henkel« des Saturn, die Größe der Erde oder die Distanzen zwischen den Planeten - zu all diesen Fragen kennen wir längst gute, oft sogar vollständige Antworten. Aber die Helligkeitsdichotomie des Iapetus (siehe die Bilder rechts), die erste je auf einem Trabanten jenseits des Erdmonds entdeckte Oberflächenstruktur, entzog sich bislang allen Erklärungsversuchen.

Dieser Artikel will hierfür eine Antwort anbieten. Sie basiert auf zwei Veröffentlichungen in der Wissenschaftszeitschrift Science vom Januar 2010 und kombiniert frühere Erklärungsversuche mit Entdeckungen durch die Raumsonde Cassini. Bevor ich die Erklärung vorstelle, möchte ich aber zuerst Iapetus selbst und einige seiner merkwürdigen und im Sonnensystem einzigartigen Eigenschaften sowie die Geschichte seiner Erforschung beschreiben. Mit diesen Hintergrundinformationen sowie den Messungen der Cassini-Sonde lässt sich dann unsere Lösung des Iapetusrätsels gut nachvollziehen.


Der eigentümliche Saturnmond

Iapetus ist der drittgrößte der 62 bekannten Saturnmonde und steht in der Durchmesser-Rangliste der bislang bekannten 168 Planetenmonde immerhin an elfter Stelle. Sein Durchmesser beträgt fast 1500 Kilometer, die Dichte liegt bei 1,1 Gramm pro Kubikzentimeter. In seinem Inneren besteht er überwiegend aus Wassereis, dasselbe gilt für weite Teile der Oberfläche. Seine Rotation erfolgt synchron, Iapetus weist Saturn also immer dieselbe Seite zu. Die häufigste Geländeformation auf der Oberfläche sind Einschlagkrater, die nach Figuren im altfranzösischen Rolandslied benannt sind und deshalb Namen wie Roland, Charlemagne, Marsilion, Engelier oder Timozel tragen (siehe die Karte auf S. 42). Die gemessenen Temperaturen an der Oberfläche betragen zwischen -144 und -220 Grad Celsius, es gibt keine Atmosphäre. Iapetus entstand sehr wahrscheinlich vor mehr als 4,5 Milliarden Jahren praktisch zeitgleich mit Saturn und den anderen Planeten. In der Tabelle auf S. 41 finden sich einige seiner astronomischen und physikalischen Parameter im Vergleich zur Erde.


Iapetus-Steckbrief

 Iapetus
 Erde
Äquatordurchmesser:
 1491 km
 12.756 km
Poldurchmesser:
 1424 km
 12.714 km
Abplattung:
 0,045
 0,003
Umfang am Äquator:
 ~4700 km oder ~13 km/Grad
 40.024 km oder ~111 km/Grad
Oberfläche:
 6,7 · 106km²
 5,1 · 107km²
Volumen:
 1,7 · 109km3
 1,08 · 1012km3
Masse:
 1,806 · 1021kg
 5,9744 · 1024kg
Mittlere Dichte:
 1,083 g/cm3
 5,515 g/cm3
Mittlere Anziehungskraft:
 0,223 m/s²
 9,807 m/s²
Entweichgeschwindigkeit:
 580 m/s
 11.186 m/s
Große Bahnhalbachse:
 3.560.851 km
 149.597.870 km
Siderische Umlaufzeit um Saturn:
 1904 h = 79,33 d
 -
Mittlere Bahngeschwindigkeit:
 3,26 km/s
 29,78 km/s
Bahnexzentrizität:
 0,0293
 0,0167
Bahnneigung:
 15° zum Saturnäquator
 0° (definiert)

Iapetus hat viele ungewöhnliche Eigenschaften: Zuerst fällt seine äußere Lage im Saturnsystem auf. Seine mittlere Distanz zum Ringplaneten beträgt 3,6 Millionen Kilometer, kein anderer »regulärer« Planetenmond ist so weit von seinem Zentralkörper entfernt. Seine nächsten inneren Nachbarn sind die Monde Hyperion (Abstand zu Saturn 1,5 Millionen Kilometer) und der bei Weitem größte Saturnbegleiter Titan (rund 1,2 Millionen Kilometer). Nur die so genannten äußeren oder irregulären Monde, von denen man annimmt, dass sie eingefangene Objekte sind, umkreisen Saturn in deutlich größeren Abständen.

Iapetus ist übrigens derart weit von Saturn entfernt, dass sich seine Bahnebene bereits nicht mehr so wie diejenigen der anderen inneren Monde nahe der Äquatorebene Saturns befindet, sondern in einem Übergangsbereich zwischen der Saturn-Äquatorebene und der Bahnebene Saturns um die Sonne. Während sich folglich von den inneren Monden aus nur die schmale Ringkante zeigt, würde sich einem Astronauten auf Iapetus ein ungewöhnlich prachtvoller Blick auf das Ringsystem bieten, das am Iapetushimmel sechsmal größer erschiene als der Mond von der Erde aus.

Als weitere Besonderheit ist die extreme Tageslänge von 1904 Stunden oder 79,3 Tagen zu nennen. Da auf Iapetus ein Sonnentag und ein Sterntag fast gleich lang sind, entspricht dies auch seiner Eigenrotationsperiode beziehungsweise seiner siderischen Tageslänge. Von allen Objekten im Sonnensystem, von denen mir etwas über die Eigenrotation bekannt ist, dreht sich nur die Venus noch langsamer (243 Tage), und nur auf Merkur (176 Tage) und Venus (117 Tage) ist der Tag-Nacht-Zyklus länger.

Auf Iapetus findet sich im Vergleich zu den anderen Saturnmonden eine überdurchschnittlich große Anzahl an großen Impaktbecken mit Durchmessern von bis zu 700 Kilometern, diese geben Iapetus eine ziemlich »verbeulte« Form (siehe SuW 9/2007, S. 18-20). Jedoch auch ohne die großen Krater wäre Iapetus keine Kugel, wie es sich für einen Körper dieser Größe und Zusammensetzung eigentlich geziemt, sondern ein zweiachsiges Rotationsellipsoid. Tatsächlich fällt der Poldurchmesser fast 70 Kilometer geringer aus als der Äquatordurchmesser. Ein gewaltiger Bergrücken, der mehr als den halben Äquator umspannt und ebenfalls eine einzigartige Besonderheit von Iapetus darstellt, trägt zusätzlich zur »unförmigen Form« des Mondes bei.

Schließlich - als mit Abstand am längsten bekannte und schon von Weitem offensichtliche Merkwürdigkeit - ist das Thema dieses Artikels, die Helligkeitsdichotomie oder Albedodichotomie, das Merkmal von Iapetus schlechthin: Während die entgegen der Bewegungsrichtung zeigende »Heckseite« und die Polregionen fast so hell wie Schnee sind, ist die in Flugrichtung weisende »Bughemisphäre«, die etwa 40 Prozent der Oberfläche oder rund 2,7 Millionen Quadratkilometer bedeckt, fast so schwarz wie Druckerschwärze (siehe Bilder auf S. 41).


Aus der Geschichte der Iapetusforschung

Am 25. Oktober 1671, zu Zeiten der Regentschaft von Louis XIV, entdeckte der italienisch-französische Astronom Jean-Dominique Cassini (1625-1712) von der königlichen Sternwarte in Paris aus den Saturnmond Iapetus. Cassini konnte seine Neuentdeckung bis zum 6. November verfolgen, danach verhinderten Wolken eine weitere Beobachtung. Ab dem 12. November war die Sicht wieder besser, und Saturn sowie der 16 Jahre zuvor von Christiaan Huygens (1629-1695) entdeckte Mond Titan ließen sich wieder beobachten - Iapetus hingegen war verschwunden. Cassini gelang es nicht, ihn vor der kommenden Konjunktionsperiode wiederzufinden.

Aufgrund einer längeren Reise nahm er erst im Dezember 1672 die Suche wieder auf, diesmal mit einem neuen, größeren Teleskop. Seine neue Suche führte zur Entdeckung von Rhea, dem zweitgrößten Saturnmond. Dies geschah in Anwesenheit honoriger Mitglieder der königlichen Akademie der Wissenschaften wie Huygens, Jean-Felix Picard (1620-1682) und Ole Rømer (1644-1710), wie Cassini originellerweise in seiner ersten Publikation zu Iapetus und Rhea im März 1673 in den Philosophical Transactions der Londoner Royal Society anmerkt. Seine Bemühungen, die Umlaufzeit von Rhea zu bestimmen, lenkten ihn zunächst von der Suche nach Iapetus ab.

Doch am 6. Februar 1673 spürte Cassini den Mond schließlich wieder auf. Sternklares Wetter erlaubte ihm eine fast ununterbrochene Beobachtung bis zum 20. Februar. Mit einer scharfsinnigen Rechnung, in der Cassini die beobachteten Positionen im Oktober/November 1671 und im Februar 1673 sowie zwei unsichere Sichtungen im Dezember 1672 kombinierte, schloss er korrekt auf eine Umlaufperiode um Saturn von knapp 80 Tagen.

Im Jahr 1673 bestimmte Jean-Dominique Cassini die Umlaufzeit von Iapetus um Saturn zu rund 80 Tagen.

Am 15. März 1677 veröffentlichte Cassini weitere Erkenntnisse zu Iapetus im Journal des Sçavans auf französisch, zehn Tage später folgte die englische Übersetzung in den Philosophical Transactions. Hierin beschrieb Cassini erstmals die globale Helligkeitsdichotomie, die er als »vicissitude d'augmentation & de diminution« (auf deutsch etwa: »abwechselnde Erhöhung und Schwächung«) bezeichnete. In seiner Publikation führt Cassini aus, dass Iapetus im Verlauf seiner Saturnumläufe dunkler und heller wird, und dass dieser in östlicher Elongationsstellung für ihn stets einen ganzen Monat lang unsichtbar blieb. Dann argumentiert er, dass dieser Lichtwechsel nicht durch eine veränderte Distanz zur Erde oder Sonne oder durch einen Phasenwechsel, wie bei unserem Erdmond, zustande kommen kann. Statt dessen schlägt Cassini vor, dass ein Teil der Iapetusoberfläche weniger Sonnenlicht reflektiert als der andere Teil. Er vergleicht dies mit der Erde, wo die Meere weniger Licht reflektieren als die Kontinente (ohne dabei aber zu behaupten, dass es auf Iapetus Meere geben könnte). Außerdem folgert Cassini korrekt, dass Iapetus Saturn immer dieselbe Seite zuwenden müsse, und führt die analoge Situation unseres Erdmonds an. Außerdem merkt er an, dass die Bahnebene von Iapetus anders als bei den Monden Titan und Rhea nicht mit der Ringebene von Saturn zusammenfällt. Einen physikalischen Erklärungsversuch für die Helligkeitsdichotomie unternimmt Cassini nicht.

Die folgenden 200 Jahre gab es fast keine neuen Erkenntnisse zu Iapetus, und die wenigen Beobachtungen dienten zumeist der Bestimmung der Umlaufbahn. Im Jahr 1792 bestätigte der Entdecker des Uranus, William Herschel (1738-1822), die gebundene Rotation von Iapetus und maß dessen maximalen Abstand zu Saturn. Er stellte fest, dass die Atmosphäre des Iapetus »so dünn wie diejenige des Erdmonds« sein muss, also praktisch nicht existiert. Im Jahr 1847 kam es immerhin zu einem wichtigen Fortschritt: Herschels Sohn John (1792-1871) gab den Saturnmonden richtige Namen, und das bislang nur als »the fifth satellite of Saturn« oder »Saturn V« gehandelte Objekt hieß fortan Iapetus. In der Mythologie war Iapetos ein Familienmitglied des griechischen Göttergeschlechts der Titanen und Sohn von Gaia und Uranos. Er wurde mitsamt seinen Geschwistern vom Göttervater Zeus in den Tartarus - einer Unterwelt noch jenseits des Hades - verbannt, darunter befand sich auch Kronos, der bei den Römern Saturn hieß.

Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es, bedingt durch technische Entwicklungen, neue Erkenntnisse. Mit Hilfe von elektrischen Fotometern ließ sich erstmals eine Lichtkurve bestimmen und der Iapetus-Durchmesser grob schätzen. Auch gelangen in dieser Zeit den Brüdern Paul (1848-1905) und Prosper Henry (1849-1903) in Paris die ersten brauchbaren Fotografien von Planeten. Im Jahr 1889 beobachtete der US-amerikanische Astronom Edward E. Barnard (1857-1923) in Kalifornien eine Verfinsterung von Iapetus durch Saturn und die Ringe. Hermann von Struve (1854-1920) an der Sternwarte Pulkowo bei Sankt Petersburg veröffentlichte eine mathematische Theorie über die Bahnen der Saturnmonde.

Das 20. Jahrhundert brachte weitere bedeutende Fortschritte: Bis 1950 war die Iapetus-Lichtkurve gut bestimmt, und 1957 versuchte der Japaner Yoshihide Kozai, die Masse des Mondes zu ermitteln. Im Jahr 1970 präsentierten Allan Cook und Fred Franklin aus Cambridge in Massachusetts erstmals eine Hypothese, mit der die Helligkeitsdichotomie durch interplanetaren Staub erklärt wurde, der eine dünne Schicht von Oberflächeneis auf der Bugseite wegerodiert haben soll. Ein Jahr später publizierten Thomas McCord, Torrence Johnson und Jonathan Elias spektrofotometrische Messungen (Farbmessungen) im Wellenlängenbereich zwischen 0,3 und 1,1 Mikrometer.

Im Jahr 1972 wiesen Robert Murphy, Dale Cruikshank und David Morrison auf Hawaii mit Infrarotmessungen nach, dass die Helligkeitsdichotomie tatsächlich durch einen gravierenden Albedounterschied auf der Oberfläche zustande kommt, und in der Folge kombinierten drei Jahre später Morrison und Kollegen zahlreiche fotometrische Messungen derart, dass sie ein grobes Bild der Oberfläche simulieren konnten (linkes Bild im Kasten oben). Sie postulierten, dass zumindest am Südpol die Bugseite ebenfalls hell sei, die dunkle beziehungsweise helle Seite also nicht exakt mit der Bug- beziehungsweise Heckseite zusammenfällt.


Die wechselnde Helligkeit von Iapetus

Schon im Jahr 1975 versuchten Planetenforscher um David Morrison, sich eine Vorstellung von der Oberfläche von Iapetus zu machen. Die Iapetus-Zeichnungen unten wurden aus fotometrischen Messungen wie der Lichtkurve unten links zusammengesetzt. Iapetus rotiert gebunden und besitzt daher eine in Bahnrichtung weisende Bugseite. Anhand der Messungen postulierten die Forscher korrekt, dass nicht die gesamte Bugseite von Iapetus dunkel ist. Die Buchstaben A bis D ermöglichen eine Zuordnung der Stellungen von Iapetus zu den entsprechenden Helligkeiten auf der Lichtkurve. Während Iapetus in westlicher Elongation von der Erde aus (von der Nordhalbkugel aus gesehen rechts von Saturn) eine Helligkeit von 10,2 mag aufweist (C), erreicht er in östlicher Elongation (links von Saturn) nur 11,9 mag (A). Wegen dieses Helligkeitsunterschieds von mehr als anderthalb Größenklassen oder fast einem Faktor 5 konnte der Entdecker Jean-Dominique Cassini im 17. Jahrhundert Iapetus nicht über einen kompletten Saturnumlauf hinweg verfolgen.

Die Abbildung unten verwendet orthografische Projektionen der Iapetus-Oberfläche aus Bildern der Raumsonde Cassini und zeigt, wie nahe die Planetenforscher im Jahr 1975 der Wahrheit kamen. Die Darstellung ist nicht maßstabsgerecht, die Pfeile zeigen die Bewegungsrichtung auf der Bahn um Saturn an.

(Abbildungen der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht.)


In den Jahren 1980 und 1981 schließlich passierten die beiden Voyager-Raumsonden das Saturnsystem. Dabei gelangen auch niedrig aufgelöste Aufnahmen der saturnzugewandten Iapetusseite durch Voyager 1 sowie Bilder mittlerer Auflösung der nördlichen saturnabgewandten Hemisphäre beim Überflug der Sonde Voyager 2.


Der schwarz-weiße Mond

Die Bilder von Voyager, und besser noch die Aufnahmen der Raumsonde Cassini seit dem Jahr 2004, zeigen deutlich den Albedounterschied sowie den unregelmäßigen, sehr verwickelt wirkenden, aber dennoch selbst bei hoher Bildauflösung scharfen Verlauf der Hell-Dunkel-Grenze (siehe Bild auf S. 46). Die Situation erinnert an ein mit einer Lupe betrachtetes Schwarz-Weiß-Bild in einer Zeitung, wo der Übergang von der Papierfarbe bis hin zu Schwarz durch immer größere schwarze Bildpunkte erzeugt wird, die schließlich zusammenfließen. Das Zentrum des dunklen Gebiets fällt exakt mit dem Apexpunkt zusammen, also mit dem Zentrum der Bugseite beziehungsweise dem Punkt auf der Oberfläche, der genau in Flugrichtung weist.

Global betrachtet ähnelt die Form des dunklen Gebiets einem weißen Astronautenhelm mit schwarzem Visier und großem Scharnier (siehe Teilbild D links): Beide Polregionen sind hell, und das dunkle Gebiet reicht am Äquator auf beiden Seiten mehr als 300 Kilometer in die Heckseite hinein. Es reflektiert nur etwa fünf Prozent des einfallenden Sonnenlichts, während die hellen Regionen mehr als 50 Prozent zurückstrahlen. Die dunkle Region erhielt den Namen Cassini Regio, und die nördliche helle Region Roncevaux Terra. Vor drei Jahren wurde das südliche helle Gebiet Saragossa Terra genannt (siehe Karte auf S. 42).

Interessanterweise reichten die Voyager-Daten nicht aus, das Iapetusrätsel zu lösen. Wie schon erwähnt, datiert der erste Erklärungsversuch von Cook und Franklin auf das Jahr 1970, und er blieb nicht der einzige. Damals unbemerkt, im Rückblick aber besonders wichtig, war das Jahr 1974: Damals veröffentlichten Asoka Mendis und Ian Axford aus San Diego in Kalifornien die These, dass Eis auf der Bugseite sublimiere, und sich in großer Entfernung, insbesondere an den Polen, wieder niederschlage. Ihre These ist derjenigen von Cook und Franklin recht ähnlich, außer dass die beiden Forscher die Erosion des Wassereises durch Sublimation ersetzten, und dass das dunkle Material von außen durch interplanetare Mikrometeoriten eingebracht wird, anstatt unter einer postulierten Eisschicht schon primordial vorhanden zu sein. Ungünstigerweise war ihre Idee in einem 56-seitigen Übersichtsartikel über Magnetosphären im äußeren Sonnensystem so gut versteckt, dass keine einzige spätere Publikation über Iapetus je darauf Bezug nahm.

Erst nach einer Konferenz im Oktober 2007, bei der ich mit Kollegen die Ergebnisse des nahen Cassini-Vorbeiflugs an Iapetus und auch unsere These zur Lösung des Iapetusrätsels der Presse vorstellte, meldete sich Asoka Mendis per E-Mail bei Dennis Matson, dem damaligen Projektwissenschaftler von Cassini, und verwies auf die Publikation - nach 33 Jahren Dornröschenschlaf.

Die andere These aus dem Jahr 1974 hat eine vergleichbar originelle Geschichte. Steve Soter, damals an der Cornell University in Ithaca im Bundesstaat New York, schlug auf einem IAU-Kolloquium an seiner Universität vor, dass Staub von der Oberfläche des äußeren Mondes Phoebe retrograd, also entgegen dem Umlaufsinn der regulären Monde und auch von Iapetus, um Saturn kreist, die Iapetus-Bugseite frontal trifft und dadurch die Dichotomie erzeugt. Diese Idee wurde seitdem sehr oft zitiert, obwohl kein schriftlicher Beleg vorliegt - es war wohl ein Vortrag ohne Abstract. Also genau die umgekehrte Situation als bei Mendis und Axford: Nichts publiziert, dafür viel zitiert. Auch Soters These spielt bei der heutigen Lösung des Iapetusrätsels eine entscheidende Rolle.

Mein persönliches wissenschaftliches Interesse an Iapetus wurde Mitte der 1990er Jahre durch einen Satz in einem Buch von 1986 geweckt, in dem behauptet wurde, dass die Bilder der Voyager-Sonden keine Oberflächenstrukturen in den dunklen Regionen zeigen würden. Ich dachte mir, dass dies vielleicht im Jahr 1986 korrekt gewesen sein könnte - aber auch mit den modernen Möglichkeiten der digitalen Bildverarbeitung rund 15 Jahre nach den Voyager-Vorbeiflügen?

Tatsächlich entdeckte ich Hinweise auf Krater und sogar große Einschlagbecken, die sich dann in den Bildern der Raumsonde Cassini eindeutig identifizieren ließen und heute die Namen Turgis und Falsaron tragen (siehe Karte auf S. 42). Außerdem fand ich die hellen Berge auf der saturnabgewandten Seite, die jetzt Carcassone Montes heißen. Des Weiteren ermittelte ich gemeinsam mit meinen früheren Kollegen Thomas Roatsch, Klaus-Dieter Matz und Jürgen Oberst vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof einen verbesserten Wert für den Durchmesser von Iapetus - dabei entdeckten wir auch seine ellipsoidale Form.

Überdies führte ich mit meinen früheren DLR-Kollegen Ursula Wolf und Roland Wagner eine rudimentäre Messung der Kraterhäufigkeiten am nordwestlichen Rand der dunklen Cassini Regio durch und verglich sie mit Messungen des hellen Gebiets. Das aus heutiger Sicht korrekte Ergebnis war, dass die Oberflächenalter vergleichbar sein mussten. Natürlich wandte ich mich auch der Frage nach der Entstehung der Helligkeitsdichotomie zu.

Im Jahr 2000 schließlich wurden der Cassini-Arbeitsgruppe unter Gerhard Neukum, der damals ebenfalls am DLR in Berlin-Adlershof tätig war und heute an der Freien Universität in Berlin-Lankwitz forscht, vom Cassini Imaging Team die Planungsaufgaben für die Iapetus-Beobachtungen der Cassini-Kamera übertragen. Dies war durch seine persönliche Mitgliedschaft im Imaging Team möglich geworden. Seitdem führe ich die Planungen vor allem in Zusammenarbeit mit Thomas Roatsch aus.

Und wie stellte sich mir dann die Situation der Helligkeitsdichotomie vor der Ankunft der Raumsonde Cassini am Saturn im Jahr 2004 dar? Damals hatte ich die veröffentlichten Thesen in vier Kategorien eingeteilt:

Rein »exogen« und »katastrophal«: Das dunkle Material stammt gänzlich von einer Quelle außerhalb von Iapetus; bei einem singulären Impaktereignis entstand eine Trümmerwolke, die später auf die Bugseite von Iapetus herabregnete. Möglicherweise traf ein Komet oder Planetoid einen der äußeren Saturnmonde (dies war übrigens meine favorisierte These), aber auch Hyperion, Iapetus selbst oder sogar Titan wurden als Kollisionspartner vorgeschlagen.

Rein »exogen« und kontinuierlich: Wie bei der ersten Kategorie stammt das dunkle Material von einer exogenen Quelle, die allerdings kontinuierlich Staub nachliefert. Genannt wurden interplanetarer Staub wie bei Cook und Franklin oder die äußeren Saturnmonde wie bei Soter. Zunächst war Phoebe der einzige Kandidat, aber seit dem Jahr 2000 wurden 28 weitere, retrograd umlaufende äußere Monde entdeckt, die sich natürlich auch als Staubquellen eignen könnten. Das Material fällt im Gegenverkehr auf Iapetus, lagert sich dort ab und bildet die dunkle Cassini Regio.

Nur teilweise »exogen«: Wie bei der zweiten Kategorie trifft exogener Staub auf Iapetus, lagert sich dort aber nicht nur ab, sondern verändert vor allem durch einen physikalischen oder chemischen Prozess die Oberfläche. Diese Idee fand bei weitem die meisten Anhänger unter den Planetenforschern. Als mögliche Oberflächenprozesse wurden die Erosion einer dünnen Eischicht, das Anreichern dunklen Materials aufgrund von Erosion des Wassereises oder eine chemische Synthese von dunklem, kohlenwasserstoffhaltigem Material, ermöglicht durch die Erosion des Wassereises, genannt.

»Endogen«: Das dunkle Material wurde durch geologische Prozesse aus dem Inneren an die Oberfläche gebracht.

All diesen Thesen ist gemein, dass jede für sich genommen große Probleme hat, die Beobachtungen halbwegs vollständig zu erklären. Wann immer auf die Oberfläche fallender Staub eine Rolle spielt, stellt sich die Frage, wie die komplexen und scharfen Hell-Dunkel-Grenzen zustande kommen. Außerdem fragten sich die Modellierer, warum die Pole hell geblieben sind, dafür aber Teile der Heckseite, also Bereiche, die der frontal auftreffende Staub nicht erreichen sollte, dunkel wurden.

Die endogenen Thesen, die zum Beispiel Kryovulkanismus ähnlich wie auf dem inneren Saturnmond Enceladus an nehmen, können unter anderem nicht erklären, warum die Cassini Regio exakt in Flugrichtung ausgerichtet ist, und warum Iapetus bei so viel geologischer Aktivität seine verbeulte, ellipsoid-ähnliche Form und seine sehr alte Oberfläche beibehalten konnte. Die Idee von Mendis und Axford, wenn nicht übersehen, wäre vermutlich damals ebenfalls verworfen worden, weil Wassereis bei Temperaturen in der Saturnumgebung um -180 Grad Celsius eher hart wie Stahl ist und eine Sublimation vermutlich recht unsinnig erschienen wäre.


Die Lösung des Iapetusrätsels

Um alles zusammenzuführen, fehlten uns noch zwei Puzzleteile: Das erste lieferte das Infrarotinstrument CIRS an Bord der Raumsonde Cassini. Dessen Temperaturmessungen zeigten, dass bestimmte Regionen der Oberfläche doch warm genug werden, so dass Sublimation und eine Umverteilung von Wassereis in ausreichendem Maß stattfinden können. John Spencer vom Southwest Research Institute in Boulder im US-Bundesstaat Colorado, stellte diese Idee auf der Basis von Cassini-Infrarotdaten und seinen Modellrechnungen erstmals im März 2005 auf einer Konferenz in Houston, Texas, vor und lenkte damit die Überlegungen in eine neue Richtung. Doch das reichte noch nicht ganz, noch gab es offene Fragen: Warum findet dieser Prozess nur in niedrigen Breiten statt, und warum nur auf der Bugseite? Dieser Einwand bezieht sich auf die beobachteten breitengradabhängigen und längengradabhängigen Unterschiede auf Iapetus. Und warum in dieser Form nur auf Iapetus und nirgendwo sonst im Sonnensystem?

Der erste dieser drei Einwände lässt sich am einfachsten beantworten: Die Sublimation »kämpft« gewissermaßen gegen das »impact gardening« an, also gegen das sanfte, aber stetige »Umgraben« der Oberfläche durch Mikrometeoriten. Ist das impact gardening effektiver, so wird immer wieder frisches Eis aus dem Untergrund an die Oberfläche gebracht und der Verlust durch Sublimation ausgeglichen. Dies ist auf Iapetus in den höheren Breiten der Fall.

Ist aber der Sublimationsprozess effektiver, dann reichert sich die schwerflüchtige, dunkle »Nicht-Eis-Komponente« im Laufe der Zeit auf der Oberfläche an. Die Oberfläche wird also dunkler und wegen der höheren Absorption des Sonnenlichts auch wärmer. Irgendwann wird der Sublimationsprozess selbstverstärkend, es tritt ein so genannter runaway effect auf, und das gesamte Wassereis der obersten Schicht verschwindet. Aufgrund der mechanischen Barrierewirkung des zurückgebliebenen dunklen Materials stoppt die Sublimation, wenn die obersten Zentimeter bis Dezimeter der Oberfläche von Iapetus eisfrei sind.

Dieses Szenario würde man am ehesten in Äquatornähe erwarten beziehungsweise an Berghängen, die zum Äquator hin geneigt sind. Zudem sollte die dunkle Schicht sehr dünn sein, nur wenige Zentimeter bis Dezimeter dick, und nach unten hin »ausfransen«. Des Weiteren sollte sie sehr feinkörnig, fast puderförmig, sein.

Exakt dies beobachteten die Instrumente von Cassini auf Iapetus. Die Kameradaten enthüllten dunkle Kraterränder, die zum Äquator weisen und helle, die zu den Polen zeigen. Die Infrarotdaten weisen auf eine sehr feinkörnige Oberfläche hin. Schließlich zeigten Radar-Messungen, die ein wenig unter die Oberfläche schauen können, die Helligkeitsdichotomie bei einer Wellenlänge von 2,2 Zentimetern, nicht aber bei 13 Zentimetern. Letztere Daten aus den Jahren 2002 und 2003 stammen vom Arecibo-Radioteleskop auf Puerto Rico.

Der zweite Einwand fragte nach der längengradabhängigen Asymmetrie: Warum ähnelt Iapetus nicht einer schwarz-weißen Billardkugel? Hier kommt das zweite und letzte noch fehlende Puzzleteil ins Spiel, eine nicht vorhergesagte Entdeckung in den Daten der Cassini-Kamera: Die »Farbdichotomie«, die ich erstmals im September 2005 auf einer Konferenz in Cambridge, England, vorstellte, ist eine weitere, bis dato unbekannte globale Dichotomie auf Iapetus. Die von mir ausgewerteten Kameradaten zeigten, dass sowohl das dunkle als auch das helle Material jeweils zwei Farbtöne aufweisen. Beide Male ist das Material auf der Bugseite rötlicher als auf der Heckseite, und die unscharfe Grenze fällt hier recht genau mit den Meridianen zusammen, welche die Bug- und die Heckseite voneinander trennen (siehe Kasten auf S. 47).


»Farbdichotomie« auf Iapetus

Der 180-Grad-Meridian (die ungefähr senkrecht verlaufende gelbe Kurve in beiden Bildern), der die Bug- und die Heckseite von Iapetus auf der saturnabgewandten Seite voneinander trennt, ist auch die unscharfe Grenze der Farbdichotomie, die in Cassini-Daten entdeckt wurde. Auf der Bugseite (jeweils rechterhand des Meridians) sind in weiten Teilen des sichtbaren Lichts sowie im Nahinfrarot sowohl die dunklen als auch die hellen Gebiete rötlicher gefärbt als die entsprechenden Gebiete auf der Heckseite. Das linke Bild ist leicht kontrastverstärkt, hier fällt die Farbdichotomie für das helle Material auf. Im extrem kontrastverstärkten Bild rechts erkennt man die verschiedenen Farben innerhalb des dunklen Gebiets. Die horizontal verlaufenden gelben Kurven markieren den Äquator.


Bingo! Jetzt fügt sich das Bild zusammen. Jetzt haben wir die längengradabhängige a-priori-Asymmetrie, die wir für den Sublimationsprozess, für die endgültige Lösung des Iapetusrätsels, noch benötigten. Offenbar reicht auf Iapetus die leichte, kontinuierliche Verdunklung durch exogenen Staub aus, so dass die Sublimation auf der Bugseite den »Kampf« gegen das impact gardening gewinnen kann, auf der Heckseite und an den Polen jedoch nicht.

Um die Farbdichotomie zu erklären, eignen sich die vorher noch verschmähten exogenen Modelle sehr gut: Staub, vermutlich von den äußeren Saturnmonden stammend, trifft im Gegenverkehr auf Iapetus und bleibt dort einfach liegen. Er färbt die gesamte Bugseite etwas rötlich und macht sie ein wenig dunkler. Keine Probleme mit komplizierten Grenzen oder mit extremen Helligkeitsunterschieden; nur eine sanfte Differenz zwischen Bug und Heck.

Bleibt noch die dritte Frage: Warum zeigt nur Iapetus eine so extreme Helligkeitsdichotomie, warum kein anderer Mond? Das liegt an den vielen Randbedingungen und Prozessen, die in dieser Form nur für Iapetus zutreffen. Diese sind:

• Die richtige Distanz zur Sonne: Die Temperaturen sind generell sehr niedrig, die Eissublimationsraten auf den Saturnmonden somit normalerweise vernachlässigbar.

• Die extrem langsame Rotation von Iapetus: Die »Nachmittagstemperaturen« sind deutlich höher als an jedem anderen Ort im Saturnsystem.

• Iapetus ist eher klein und seine Gravitation gering: Daher können Wassereismoleküle globale Distanzen von mehreren hundert Kilometern überwinden. Auf Callisto oder Ganymed geht das nicht, diese Jupitermonde sind zu groß und massereich (siehe die Bilder oben).

• Iapetus besitzt keine Atmosphäre: Auch das ist eine Voraussetzung, dass Wassereismoleküle weiträumig umverteilt werden können. Außerdem kann deshalb exogener Staub direkt bis zur Oberfläche vordringen.

• Synchrone Rotation: Iapetus besitzt eine Bug- und eine Heckseite.

• Der Einfall von exogenem Staub erzeugt die Farbdichotomie und somit einen apriori-Helligkeitsunterschied zwischen Bug- und Heckseite.

• Äußere Position im regulären Saturnsystem: Iapetus ist das »erste Hindernis« für retrograd einfallenden Staub von den äußeren irregulären Monden.

• Der nächstinnere Mond Hyperion rotiert nicht gebunden: Als zweites Hindernis für den exogenen Staub sammelt Hyperion diesen somit auf allen Seiten gleichmäßig auf, auf ihm bildet sich keine Dichotomie aus. Tatsächlich ist Hyperion rötlicher und dunkler als die anderen Saturnmonde.

• Der noch weiter innen kreisende Mond Titan besitzt eine dichte Atmosphäre und ist sehr groß: Exogener Staub, der an Iapetus und Hyperion vorbeidriftet, verschwindet auf Titan; praktisch kein Material wandert weiter nach innen, und auch Titan kann wegen der Windströmungen in seiner Atmosphäre keine Farbdichotomie ausbilden.

• Der Prozess der thermalen Umverteilung von Wassereis durch Sublimation ist möglich.

• Der Prozess des impact gardenings kann der Bildung einer dunklen Kruste entgegenwirken.


Offene Fragen

Auch wenn nun alle Beobachtungen zusammenpassen, bleiben selbstverständlich offene Fragen. Hier einige Beispiele:

• Woraus besteht das dunkle Material? Hinweise der Infrarotkamera VIMS von Cassini lassen vermuten, dass es polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe enthalten könnte, ähnlich wie sie in kohligen Chondriten, einem urtümlichen Meteoritentyp, gefunden wurden. Eine neuere Interpretation der Daten schließt das hingegen aus und argumentiert, dass submikrometergroße metallische Eisenpartikel und Hämatit (Eisenoxid) die gemessenen Spektren dominieren. Dies wiederum passt nicht zu den Messungen des Staubdetektors auf Cassini.

• Wie groß ist die Rate des impact gardening tatsächlich? In seinem Modell nahm John Spencer einen Wert an, der bereits 1974 für unseren Erdmond abgeschätzt wurde, aber mehr als eine Abschätzung ist das nicht. Wie die Verhältnisse diesbezüglich im Saturnsystem aussehen, ist unbekannt.

• Welche physikalischen Prozesse laufen bei der Entstehung der Farbdichotomie genau ab? Immerhin wird Materie von den äußeren Monden abgetragen, diese wandert auf spiralförmigen Bahnen nach innen. Schließlich trifft sie mit mehr als 6,4 Kilometer pro Sekunde auf der Bugseite von Iapetus auf. Im Verlauf einer solchen Reise kann allerhand passieren.

• Noch sind nicht einmal die Farben der äußeren Monde bekannt - ähneln sie dem dunklen Material auf Iapetus? Die Farbe des Mondes Phoebe ist beispielsweise grau und nicht rötlich wie die Bugseite von Iapetus oder wie Hyperion, das nächste Hindernis.

• Wie genau entstehen die dunklen Kraterböden auf der Heckseite? Das muss irgendwie mit Mehrfachreflexion des Lichts im Krater und damit einer bevorzugten Erwärmung des Kraterinneren zu tun haben.

• Warum zeigen die Uranusmonde Oberon und Titania ebenfalls eine Art von Farbdichotomie, die weiter innen liegenden Monde Umbriel, Ariel und Miranda aber nicht, und auch die Jupitermonde Callisto und Ganymed nicht? Das könnte in bislang unbekannter Weise mit dem Magnetfeld des Zentralplaneten zusammenhängen, denn Oberon, Titania, Iapetus und Hyperion befinden sich zumeist außerhalb der Magnetopause ihres jeweiligen Planeten, Umbriel, Callisto und Co. hingegen innerhalb. Aber wie genau?

Hinter keiner dieser Fragen scheint sich aber ein unüberwindliches Hindernis zu verbergen, so dass wir behaupten können, jetzt die Antwort auf das jahrhundertealte Iapetusrätsel zu kennen: Verdunstung von Wassereis plus viele Nebenbedingungen.


Tilmann Denk studierte Luft- und Raumfahrtechnik in Stuttgart. Hier ist er zusammen mit seinem Kollegen John R. Spencer bei einem Meeting im Jet Propulsion Laboratory der NASA zu sehen. Seit 2003 arbeitet er an der FU Berlin in Berlin-Lankwitz in der Arbeitsgruppe von Gerhard Neukum.


Literaturhinweise

Spencer, J.R., Denk, T.: Formation of Iapetus's Extreme Albedo Dichotomy by Exogenically-Triggered Thermal Migration of Water Ice. In: Science 327, 432, 2010 (doi: 10.1126/science.1177132).

Denk, T., et al.: Iapetus: Unique Surface Properties and a Global Color Dichotomy from Cassini Imaging. In: Science 327, 435, 2010 (doi: 10.1126/science.1177088).

Denk, T.: Cassini besucht Iapetus. In: Sterne und Weltraum 9/2007, S. 18-20.

Weblinks zum Thema: www.astronomie.de/artikel/1023789


W I S - wissenschaft in die schulen!

Damit Schüler aktiv mit den Inhalten dieses Beitrags arbeiten können, stehen auf unserer Internetseite www.wissenschaftschulen.de didaktische Materialien zur freien Verfügung. Darin wird gezeigt, wie das Thema im Rahmen des Physikunterrichts in der gymnasialen Oberstufe behandelt werden kann. Unser Projekt »Wissenschaft in die Schulen!« führen wir in Zusammenarbeit mit der Landesakademie für Lehrerfortbildung in Bad Wildbad und dem Haus der Astronomie in Heidelberg durch.


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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 41:
Aufnahmen des Saturnmonds Iapetus der Raumsonde Cassini zeigen die in Umlaufrichtung weisende dunkle Bugseite (links) und die in Gegenrichtung weisende helle Heckseite (rechts).

Abb. S. 42:
Auf dieser Karte des Saturnmonds Iapetus in Zylinderprojektion sind die Namen der Oberflächenstrukturen eingetragen. Große Impaktbecken sind rot beschriftet, Krater gelb. Blaue Namen weisen auf Krater hin, die bereits nach den Voyager-Vorbeiflügen Anfang der 1980er Jahre benannt worden sind. Berge und Bergketten des äquatorialen Bergrückens sind grün markiert, größere Regionen orange.

Abb. S. 46:
Aus der Nähe betrachtet ist der Übergang von der hellen Hemisphäre (linker Bildrand) von Iapetus auf die dunkle Hemisphäre (rechter Bildrand) komplex. Die Oberfläche ist entweder hell oder dunkel, »graue Zwischentöne« wurden keine entdeckt. Eudropin, der Krater in der Bildmitte, liegt nahe am Äquator bei 221 Grad West und ist 42 Kilometer groß.

Abb. S. 48-49:
Ein Vergleich zwischen den überwiegend aus Wassereis bestehenden Oberflächen von Iapetus (oben) und dem Jupitermond Callisto (unten) enthüllt Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Während die dunkle Cassini Regio auf Iapetus in weiten Teilen homogen dunkel erscheint, ist Callisto hell »gefleckt«. Das liegt vermutlich daran, dass wegen der stärkeren Gravitation Callistos dort sublimierte Wassereismoleküle auf ballistischem Weg keine so großen Distanzen wie auf Iapetus zurücklegen können. Folglich müssen sie sich näher an ihrem Ursprungsort in kleinräumigen Kältefallen sammeln. In den höher aufgelösten Bildern sind die charakteristischen Besonderheiten der beiden Mondoberflächen gut zu erkennen.


© 2010 Tilmann Denk, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg


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Quelle:
Sterne und Weltraum 4/10 - April 2010, Seite 40 - 49
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
Max-Planck-Institut für Astronomie
Königstuhl 17, 69117 Heidelberg
Telefon: 06221/52 80, Fax: 06221/52 82 46
Verlag: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Slevogtstraße 3-5, 69126 Heidelberg
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Internet: www.astronomie-heute.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Mai 2010