Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → ASTRONOMIE

PLANET/465: Exoplaneten im drei Doppelsternen entdeckt (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 5/12 - Mai 2012
Zeitschrift für Astronomie

Exoplaneten bei drei Doppelsternen entdeckt

Von Tilmann Althaus



Das Weltraumteleskop Kepler spürte bislang drei Planetensysteme auf, in denen ein Exoplanet jeweils zwei Sonnen umrundet. Die Planeten umkreisen in weitem Abstand enge Doppelsterne und ziehen dabei von uns aus gesehen vor beiden Sonnen vorüber.

Viele sonnenähnliche Sterne bewegen sich nicht alleine durch unsere Galaxis, sondern sind Teil eines Doppel- oder sogar Mehrfachsystems. Der Gedanke liegt nicht fern, dass auch diese Sterne Planeten haben könnten. Nun gelang mit dem Weltraumteleskop Kepler der Nachweis von drei extrasolaren Planeten, die jeweils einen engen Doppelstern umrunden. Dabei ist die Umlaufbahn des Planeten wesentlich größer als die Umlaufbahnen der beiden Sterne um ihren gemeinsamen Schwerpunkt. In den drei Fällen sind die Bahnebenen der Exoplaneten zufälligerweise gerade so orientiert, dass die Planeten bei jedem Umlauf von uns aus gesehen vor ihren Zentralgestirnen durchlaufen und dabei deren Licht leicht abschwächen. Diese geringen Helligkeitsschwankungen registriert das Weltraumteleskop Kepler.

Mit den Exoplaneten Kepler 34 Kepler 34b, Kepler 35b und mit dem schon im Jahr 2011 entdeckten Kepler 16b hat das Weltraumteleskop Kepler nunmehr drei enge Doppelsternsysteme mit Planeten nachgewiesen. Die beiden jüngsten Funde, Kepler 34b und 35b, spürte ein Forscherteam unter der Leitung von William F. Welsh an der San Diego State University im US-Bundesstaat Kalifornien auf.

Der Nachweis von Exoplaneten in Doppelsternsystemen ist schwieriger als bei einem Einzelstern. Im Fall der drei gesamten Systeme befinden sich die Umlaufbahnen der jeweiligen Sterne umeinander annähernd in der gleichen Ebene die ihres Planeten. Somit bedecken sich die Sterne von uns aus gesehen gegenseitig, was zu deutlichen periodischen Schwankungen ihrer Helligkeiten führt. Da diese Veränderungen aber nicht mit den Umläufen des Planeten synchronisiert sind, gestaltet sich jeder Transit des Planeten anders.

Im Allgemeinen passiert der Planet von uns aus gesehen beide Sterne kurz hintereinander, so dass es zu zwei geringfügigen Absenkungen ihrer jeweiligen Helligkeiten kommt. Bedecken sich aber die beiden Sterne, während der Planet an ihnen vorüberzieht, so überlagert dieser weitaus stärkere Effekt die geringe Abschwächung durch den Planetentransit. Erst durch eine genaue Untersuchung der Lichtkurve des Doppelsternsystems, also der Auftragung der kombinierten Helligkeiten der Doppelsterne gegen die Zeit, lässt sich der Planetentransit herausfiltern.

Das rund 4900 Lichtjahre von uns entfernte System Kepler 34 besteht aus zwei sonnenähnlichen Sternen mit 1,05 beziehungsweise 1,02 Sonnenmassen. Sie umrunden ihren gemeinsamen Schwerpunkt in einem mittleren Abstand von 0,23 Astronomischen Einheiten (34,5 Millionen Kilometer) und sind sich damit näher als der Planet Merkur der Sonne (im Mittel 0,39 Astronomische Einheiten). Die beiden Sterne befinden sich auf stark elliptischen Bahnen und benötigen für einen Umlauf 27,8 Tage (siehe Kasten unten).


Die drei Planetensysteme im Vergleich
Die Systeme der Exoplaneten Kepler 34b, 35b und 16b sind hier im richtigen Größenverhältnis zueinander dargestellt (oberer Teil der Grafiken). Die kleinen farbigen Ellipsen sind die Bahnen der Sterne A und B um ihren gemeinsamen Schwerpunkt, die große graue Ellipse die Bahn des jeweiligen Exoplaneten. Hierbei blicken wir von Norden senkrecht auf die Systemebene. Im Fall von Kepler 34 ist angedeutet, dass die Bahn des Planeten wegen der dynamischen Verhältnisse zwischen den drei Körpern präzediert und sich dadurch nicht schließt.
Die schwarz hinterlegten Grafiken unten zeigen Ansichten der Systeme aus Blickrichtung von der Erde entlang der schmalen grauen Streifen. In dieser Darstellung erscheinen die Größen der Sternscheiben und der Planeten aller drei Systeme im gleichen Maßstab. Zudem sind die geringen Neigungen der Umlaufbahnen zueinander sichtbar. Die Planeten wirken im Vergleich zu ihren Muttersternen winzig, obwohl sie annähernd so groß wie Saturn in unserem Sonnensystem sind. Die Sterne A und B von Kepler 34 sind etwas größer als unsere Sonne.
Abbildungen der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht.


Der Exoplanet Kepler 34b umrundet seine Zentralsterne im mittleren Abstand von 1,09 Astronomischen Einheiten; diese Distanz ist nur wenig größer als der Abstand der Erde zur Sonne. Kepler 34b benötigt für einen Umlauf auf seiner fast kreisförmigen Bahn trotz seiner im Vergleich zu derjenigen der Erde größeren Umlaufbahn nur 289 Tage, denn die beiden Sterne zusammen besitzen mehr als zwei Sonnenmassen. Der Exoplanet weist etwa ein Viertel der Masse von Jupiter auf. Er ist damit masseärmer als Saturn in unserem Sonnensystem und mit einem Durchmesser von rund 110.000 Kilometern auch etwas kleiner als der Ringplanet. Seine mittlere Dichte beträgt etwa 0,6 Gramm pro Kubikzentimeter und ist damit erheblich niedriger als diejenige von flüssigem Wasser mit einem Gramm pro Kubikzentimeter.

Etwas anders verhält sich das 5400 Lichtjahre von der Erde entfernte System Kepler 35: Es besteht aus zwei Sternen mit 0,9 beziehungsweise 0,8 Sonnenmassen (siehe Bild in der Druckausgabe). Die beiden Sonnen umrunden ihren gemeinsamen Schwerpunkt in 20,7 Tagen bei einem mittleren Abstand von 0,18 Astronomischen Einheiten. Ihr Planet weist etwa 13 Prozent der Jupitermasse auf (rund 40 Erdmassen) und benötigt für einen Umlauf 132 Tage (siehe Grafik Kasten). Er umrundet den Schwerpunkt des Doppelsternsystems auf einer annähernd kreisförmigen Bahn in einem mittleren Abstand von 0,6 Astronomischen Einheiten, also etwas näher als der mittlere Abstand des Planeten Venus zur Sonne. Mit einem Durchmesser von weniger als drei Vierteln des Jupiterdurchmessers (104.000 Kilometer) ist der Planet stark aufgebläht, was sich auch in seiner sehr geringen Dichte von nur 0,4 Gramm pro Kubikzentimeter widerspiegelt.

Das nur 196 Lichtjahre entfernte System Kepler 16 besitzt einen deutlich anderen Charakter. Es enthält einen Stern vom Spektraltyp K mit 69 Prozent der Sonnenmasse und einen Roten Zwerg mit nur 20 Prozent der Sonnenmasse. Sie umrunden ihren Schwerpunkt auf elliptischen Bahnen in 41 Tagen, während der saturngroße Planet Kepler 16b für einen Umlauf 229 Tage benötigt. Der Himmelskörper hat eine mittlere Dichte von 0,96 Gramm pro Kubikzentimeter und ist mit einem Drittel der Jupitermasse der massereichste Planet der drei Doppelsternsysteme.

Kepler 16b umkreist seine beiden Sonnen außerhalb der lebensfreundlichen Zone und ist an seiner Oberfläche für Leben zu kalt. Dagegen befinden sich die Exoplaneten Kepler 34b und 35b relativ nah an ihren Zentralgestirnen und sind somit für Leben, wie wir es kennen, zu heiß. Alle drei Planeten sind Gasriesen ohne feste Oberfläche. Sie bestehen zum größten Teil aus den Gasen Wasserstoff und Helium und ähneln damit in der chemischen Zusammensetzung ihren Muttersternen.

Dass sich sowohl die Sterne als auch ihre Planeten in der gleichen Umlaufebene befinden, dürfte auf ihre Entstehungsgeschichte zurückgehen. Kurz nach ihrer Bildung waren die beiden Sterne von einer gemeinsamen Scheibe aus Staub und Gas umgeben, aus der sich schließlich zumindest ein Planet bildete. Die Forscher schätzen, dass rund ein Prozent der engen Doppelsternsysteme in unserem Milchstraßensystem von einem oder mehreren Planeten umrundet werden.


Gibt es weitere Begleiter?

Es ist durchaus möglich, dass sich bei noch genauerer Untersuchung der drei bekannten Doppelsternsysteme Hinweise auf weitere Begleiter ergeben. Allerdings dürften auch diese weniger lebensfreundlich als unsere Erde sein, da durch die gegenseitigen Bedeckungen der Zentralgestirne die auf die Planeten einfallende Sonneneinstrahlung stark schwankt. Wird beispielsweise der eine der beiden etwa gleich hellen Sterne von Kepler 34 durch den Partner vollständig verdeckt, so sinkt die Sonneneinstrahlung auf den Planeten auf rund die Hälfte, was eine Art solaren Winter auslöst. Allerdings könnte sich Leben an solche Zyklen angepasst haben.

Eine andere Variante von Exoplaneten in einem Doppel- oder Mehrfachsternsystem ist diejenige, bei der sich ihre Komponenten in deutlich größerem Abstand als im Fall von Kepler 34, 35 und 16 umkreisen (siehe zum Beispiel das Planetensystem von GJ 667c in SuW 4/2011, S. 18). Hier können sich jeweils Planeten relativ nahe bei manchen der stellaren Komponenten befinden, die nur eine der Sonnen umrunden. In diesem Fall waren die Sterne in der Entstehungsphase von je einer eigenen Scheibe aus Gas und Staub umgeben, in der sich daraufhin Planeten bildeten.


Literaturhinweise

Welsh, F. W. et al.: Transiting circumbinary planets Kepler-34 b and Kepler-35 b. In: Nature 481, S. 475-479, 2012. DOI 10.1038/nature10768

Doyle, L.R. et al.: Kepler-16: A transiting circumbinary planet. In: Science 333, S. 1602-1606, 2011. DOI: 10.1126/ science.1210923

*

w i s - wissenschaft in die schulen

Was ist WiS?
Das Projekt Wissenschaft in die Schulen! wendet sich an Lehrerinnen und Lehrer, die ihren naturwissenschaftlichen Unterricht mit aktuellen und praktischen Bezügen anschaulich und abwechslungsreich gestalten wollen - und an Schülerinnen und Schüler, die sich für Vorgänge in der Natur begeistern und ein tieferes Verständnis des Universums gewinnen möchten.
Um diese Brücke von der Wissenschaft in die Schulen zu schlagen, stellt WIS didaktische Materialien als PDF-Dokumente zur Verfügung (kostenloser Download von der Internetseite www.wissenschaft-schulen.de).

WiS in Sterne und Weltraum
»Einblicke ins Familienalbum der Exoplaneten« betrachtet die Planeten um andere Sterne und beschäftigt sich mit den beiden Satellitenmissionen Corot und Kepler zur Suche nach Exoplaneten. Abrufbar unter ID-Nummer: 1051348.

Das Material zu diesem Artikel zeigt, wie sich aus den wenigen Parametern, die über Exoplaneten bekannt sind, physikalische Betrachtungen ableiten lassen. (ID-Nummer: 1051518)


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten
Abbildungen der Originalpublikation:

Das Doppelsternsystem Kepler 35 besteht aus zwei Sternen des Spektraltyps K, die etwas masseärmer und somit kühler als unsere Sonne sind. Im Vordergrund ist in dieser künstlerischen Darstellung der etwa saturngroße Planet Kepler 35b zu sehen; die Gestaltung seiner Oberfläche ist eine fantasievolle Vermutung.

© 2012 Tilmann Althaus, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

*

Quelle:
Sterne und Weltraum 5/12 - Mai 2012, Seite 26 - 28
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
Max-Planck-Institut für Astronomie
Königstuhl 17, 69117 Heidelberg
Telefon: 06221/528 150, Fax: 06221/528 377
Verlag: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Slevogtstraße 3-5, 69117 Heidelberg
Tel.: 06221/9126 600, Fax: 06221/9126 751
Internet: www.astronomie-heute.de
 
Sterne und Weltraum erscheint monatlich (12 Hefte pro Jahr).
Das Einzelheft kostet 7,90 Euro, das Abonnement 85,20 Euro pro Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Juli 2012