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STERN/232: "Ein Tropfen Tinte auf hellem Sternhintergrund" (idw)


Max-Planck-Institut für Astronomie, ESO Science Outreach Network - 13.02.2013

"Ein Tropfen Tinte auf hellem Sternhintergrund"



Bildveröffentlichung der Europäischen Südsternwarte (Garching) - Das hier vorgestellte Bild wurde mit dem Wide Field Imager am MPG/ESO 2,2-Meter-Teleskop am La Silla-Observatorium der ESO in Chile aufgenommen. Es zeigt den hellen Sternhaufen NGC 6520 und seine seltsame Nachbarin, die an die Silhouette eines Geckos erinnernde Dunkelwolke Barnard 86. Wir sehen dieses kosmische Paar vor einem Hintergrund aus Millionen leuchtender Sterne im hellsten Teil der Milchstraße. Tatsächlich sind die Sterne der Milchstraße in dieser Himmelsregion so dicht gedrängt, dass kaum noch dunkler Himmel zwischen ihnen zu sehen ist.

Bild: © ESO

Der helle Sternhaufen NGC 6520 und die seltsam geformte Dunkelwolke Barnard 86
Bild: © ESO

Dieser Teil des Sternbildes Sagittarius (der Schütze) beherbergt eines der am dichtesten bevölkerten Sternfelder am gesamten Himmel - die große Sagittarius-Sternwolke. Durch die Vielzahl heller Sterne entsteht ein drastischer Kontrast zu schwarzen Dunkelwolken wie Barnard 86 im Zentrum dieses neuen Bildes vom Wide Field Imager, der Kamera am MPG/ESO 2,2 -Meter-Teleskop am La Silla-Observatorium der ESO in Chile.

Dieses Himmelsobjekt, eine so genannte Bok-Globule [1], wurde von seinem Entdecker Edward Emerson Barnard als "Tropfen Tinte auf hellem Sternhintergrund" [2] beschrieben. Barnard war ein amerikanischer Astronom, der neben zahlreichen weiteren Beiträgen zur Wissenschaft auch eine große Zahl von Kometen, Dunkelwolken sowie einen Jupitermond entdeckte und fotografierte. Als außergewöhnlich begabter visueller Beobachter und Astrofotograf war Barnard der erste, der Langzeitbelichtungen zur Untersuchung von Dunkelwolken anfertigte.

Durch ein kleines Teleskop betrachtet scheint es, als ob in der Region von Barnard 86 ein Mangel an Sternen herrscht oder wir durch eine Art Fenster auf fernere und leerere Himmelsregionen blicken. In Wahrheit liegt Barnard 86 aber von uns aus betrachtet vor dem Sternfeld. Die kleinen Staubkörner, aus denen die kalte und dichte Dunkelwolke besteht, verschlucken das Licht der dahinterliegenden Sterne und machen die Wolke undurchsichtig. Vermutlich sehen wir hier die Überreste der Molekülwolke, bei deren Kollaps der nahegelegene Sternhaufen NGC 6520 entstanden ist, den man im Bild ein klein wenig links von Barnard 86 entdecken kann.

Als offener Sternhaufen enthält NGC 6520 viele heiße Sterne. Ihr blau-weißes Leuchten verrät ihr geringes Alter. Üblicherweise bestehen offene Sternhaufen aus einigen tausend Sternen, die sich zur selben Zeit gebildet haben und daher gleich alt sind. Die Haufen selbst bleiben meistens nur eine vergleichsweise kurze Zeit - einige hundert Millionen Jahre - zusammen, bevor sie langsam auseinanderdriften.

Die unglaublich große Zahl an Sternen in diesem Himmelsareal erschwert genauere Untersuchungen des Sternhaufens. Man geht aber davon aus, dass NGC 6520 etwa 150 Millionen Jahren alt und ebenso wie seine dunkle und staubige Nachbarin etwa 6000 Lichtjahre von unserer Sonne entfernt ist.

Die wenigen Sterne, die auf dem Bild scheinbar mitten in Barnard 86 stehen, befinden sich in Wahrheit im Vordergrund, also zwischen uns und der Dunkelwolke. In den Zentren vieler Dunkelwolken bilden sich jedoch tatsächlich neue Sterne. Beispiele hierfür sind der berühmte Pferdekopfnebel, das auffällige Objekt Lupus 3, und in geringerem Maße auch eine andere von Barnards Entdeckungen, der Pfeifennebel. Ob auch in Barnard 86 Sternentstehung stattfindet, ist allerdings nicht bekannt. In den anderen Fällen wird das Licht der jüngsten Sterne vom umgebenden Staub verschluckt, so dass sie nur im Infrarotbereich oder bei noch größeren Wellenlängen beobachtet werden können.


Endnoten

[1] Bok-Globulen wurden erstmals in den 1940er Jahren von dem Astronomen Bart Bok beobachtet. Es handelt sich dabei um sehr kalte Dunkelwolken aus Gas und Staub, in deren Zentren oft Sternentstehung stattfindet. Da die großen Mengen an Staub das Licht streuen und absorbieren, sind diese Globulen im sichtbaren Spektralbereich nahezu vollkommen undurchsichtig.

[2] Das Zitat stammt aus: E. E. Barnard "Dark Regions in the Sky Suggesting an Obscuration of Light" vom 15. November 1913, Yerkes Observatory


Zusatzinformationen

Das MPG/ESO 2,2-Meter-Teleskop wurde 1984 in Betrieb genommen und ist eine Leihgabe der Max-Planck-Gesellschaft an die ESO. Sein Wide Field Imager, eine astronomische Kamera mit besonders großem Blickfeld und einem Detektor mit 67 Millionen Pixeln, liefert Bilder, die nicht nur von wissenschaftlichem, sondern auch von ästhetischem Wert sind.

Die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch ihre 15 Mitgliedsländer: Belgien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist der europäische Partner für den Aufbau des Antennenfelds ALMA, das größte astronomische Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO ein Großteleskop mit 39 Metern Durchmesser für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird: das European Extremely Large Telescope (E-ELT).

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsstaaten (und einigen weiteren Ländern) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.


Weitere Informationen unter:

http://www.eso.org/public/germany/news/eso1307/
- Webversion der Bildveröffentlichung mit weiteren Aufnahmen und Videos.

http://www.eso.org/sci/facilities/lasilla/telescopes/2p2/
- Weitere Informationen über das MPG/ESO 2,2-Meter-Teleskop (auf Englisch)

http://www.eso.org/public/germany/teles-instr/lasilla.html
- Weitere Information über das La Silla-Paranal-Observatorium

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1413

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Max-Planck-Institut für Astronomie, ESO Science Outreach Network
(Dr. Carolin Liefke), 13.02.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2013