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STERN/260: Rekordsupernova bei Rotverschiebung 1,914 (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 8/13 - August 2013
Zeitschrift für Astronomie

Rekordsupernova bei Rotverschiebung 1,914

Von Jan Hattenbach



Die bislang fernste identifizierte Supernova des Typs Ia wirft ein neues Licht auf einen wichtigen Typ von Sternexplosionen.


Als sie explodierte, war das Universum weniger als vier Milliarden Jahre alt: SN UDS10Wil ist die entfernteste Supernova des Typs Ia, die Astronomen bislang aufgespürt haben. Ihre gewaltige Entfernung (Rotverschiebung z = 1,914) könnte helfen, einige drängende Fragen bezüglich der Ursachen dieser Sternexplosionen und vielleicht sogar zur Natur der Dunklen Energie zu klären.

Nach David O. Jones von der Johns Hopkins University im amerikanischen Baltimore, der die ferne Supernova mit seinem internationalen Astronomenteam auf Aufnahmen der Weitfeldkamera 3 des Weltraumteleskops Hubble gefunden hatte, öffnet der neue Entfernungsrekordhalter ein Fenster in das frühe Universum. Im Rahmen des »CANDELS + CLASH«-Projekts hatten die Forscher drei Jahre lang wiederholt Himmelsareale im nahen Infrarotlicht abgelichtet und auf diese Weise mehr als 100 Supernovae in besonders großen Entfernungen aufgespürt. SN UDS10Wil, die sich auf Aufnahmen vom Dezember 2010 zeigte, ist dabei eine von acht Typ-Ia-Supernovae, die vor mindestens neun Milliarden Jahren explodiert sind. »Supernovae dieser Epoche erlauben uns, zu überprüfen, wie zuverlässig wir diese Detonationen bei der Untersuchung der Entwicklung des Universums und seiner Expansion einsetzen können«, erläuterte Jones.

Typ-Ia-Supernovae besitzen - geeignete Korrekturen für individuelle Abweichungen vorausgesetzt - ein sehr konstantes Leuchtverhalten und lassen sich deshalb für die Entfernungsbestimmung weit entfernter Galaxien verwenden (siehe SuW 6/2011, S. 36). Mit ihnen fanden Wissenschaftler Ende der 1990er Jahre heraus, dass die Distanzen zu fernen Sternsystemen offenbar größer sind als gedacht. Zur Lösung dieses Dilemmas postulierte man die Existenz einer rätselhaften »Dunklen Energie«, welche die kosmische Expansion beschleunigt.

Doch viele Details der Typ-Ia-Supernovae sind noch nicht verstanden. Sicher ist, dass der Auslöser dieser gewaltigen, ihre jeweiligen Galaxien überstrahlenden Explosionen detonierende Weiße Zwerge sind. Doch zur Erklärung des Zündmechanismus der stellaren Bomben stehen sich zwei konkurrierende Mechanismen gegenüber: Im ersten Szenario sammelt der Weiße Zwerg sukzessive Material von einem Begleiter auf, der ein Hauptreihenstern oder ein Roter Riese sein kann. Die Explosion erfolgt dann bei Überschreiten einer kritischen Masse von etwa 1,4 Sonnenmassen. Im zweiten Modell verschmelzen gleich zwei Weiße Zwerge miteinander, die Explosionsmasse ist dann von Fall zu Fall unterschiedlich. In den vergangenen Jahren haben Untersuchungen bei näheren Typ-Ia-Supernovae gezeigt, dass das zweite Szenario im heutigen Kosmos möglicherweise vorherrscht (siehe SuW 1/2011, S. 30).

Falls sich dies im Laufe der Entwicklung des Universums geändert hat, würde das die Entfernungsbestimmungen beeinflussen. Das scheint aber nicht der Fall zu sein: Wie Jones und seine Mitarbeiter berichten, sind auch bei SN UDS10Wil wahrscheinlich zwei Weiße Zwerge miteinander kollidiert. Die Analyse der Explosionsrate sämtlicher Typ-Ia-Supernovae zeige überdies, dass die Rate im frühen Universum, also vor etwa 7,5 bis 10 Milliarden Jahren, deutlich kleiner war als heute. Die Erklärung: Im jungen Kosmos gab es nur wenige Doppelsysteme aus zwei Weißen Zwergen, denn diese benötigen mehr Zeit für ihre Entstehung. Systeme aus einem Zwerg und einem normalen Stern müssten jedoch fast ebenso häufig vorhanden gewesen sein wie heute. Wenn die Anzahl der Supernova-Explosionen vom Typ Ia dennoch geringer war, bedeutet dies, dass auch für das frühe Universum der größte Teil auf das Verschmelzungsszenario zurückzuführen ist. Obwohl die Untersuchungen noch vorläufigen Charakter besitzen, zeichnet sich also ab, dass auch die fernsten Supernovae mit der Standardkosmologie im Einklang sind.


Jan Hattenbach ist Physiker und an der Sternwarte der Volkshochschule Aachen tätig. In seinem Blog »Himmelslichter«, zu finden unter www.scilogs.de/kosmologs, schreibt er über alles, was am Himmel passiert.



Literaturhinweis

Jones, D. O. et al.: The Discovery of the Most Distant Known Type Ia Supernova at Redshift 1.914. In: The Astrophysical Journal 768, 166, 2013

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»Supernovae und ihre Überreste« empfiehlt sich für den Artikel »Rekordsupernova bei Rotverschiebung 1,914« auf S. 26. So gewaltig Supernovae auch erscheinen mögen, ihre Physik betrifft zu einem großen Teil die kleinsten Bausteine der Materie. Der WIS-Beitrag behandelt das Geschehen einer Supernova im Großen und ist interessanter Anknüpfungspunkt für die Behandlung einiger kernphysikalischer Aspekte.
(ID-Nummer: 1051528)


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 27 oben:
Auf der Bildreihe oben ist die Heimatgalaxie der Supernova vor (links) und während der Explosion zu sehen (Mitte). Erst auf dem Differenzbild (rechts) wird SN UDS 10Wil sichtbar, denn sie befindet sich sehr nah am Zentrum ihrer Galaxie, die hier subtrahiert ist. Mit Hilfe eines Spektrometers an Bord von Hubble und durch Nachbeobachtungen mit dem Very Large Telescope der ESO in Chile konnten die Astronomen den Typ der Supernova sowie ihre Rotverschiebung und damit die Entfernung bestimmen.

Abb. S. 26-27:
Im Dezember 2010 entdeckten Astronomen die Supernova SN UDS 10Wil auf einer Aufnahme der »Cosmic Assembly Near-infrared Deep Extragalactic Legacy Survey« (CANDELS). Aufgenommen wurde sie als Komposit aus optischen und Nahinfrarotaufnahmen der Weitfeldkamera 3 des Weltraumteleskops Hubble. Etwa alle 50 Tage fotografierte diese das betreffende Himmelsareal. Das kleine Quadrat markiert die Ausschnittsvergrößerung der Sequenz oben.

© 2013 Jan Hattenbach, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Sterne und Weltraum 8/13 - August 2013, Seite 26-27
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Redaktion Sterne und Weltraum:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2014