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FORSCHUNG/592: Wer zieht die Fäden in der Zelle? (idw)


Universität Konstanz - 02.04.2009

Wer zieht die Fäden in der Zelle?

Konstanzer Molekulargenetiker entdeckt neue Wechselwirkungen zwischen Proteinen bei der Zellteilung


Durch die Zellteilung, die Mitose, ist die Entstehung eines vielzelligen Organismus überhaupt erst möglich. Das gilt für Hund, Katze, Maus, Mensch oder Pflanze gleichermaßen. Gesteuert wird der Prozess über Proteine, die in sehr komplexer Wechselwirkung miteinander stehen. Der Konstanzer Molekulargenetiker Prof. Thomas U. Mayer hat neue Forschungsergebnisse zu den Proteinen CPC und Mklp2 gewonnen. Er weiß jetzt, welche Proteine wiederum die Regieanweisungen für CPC und Mklp2 geben und mit dafür sorgen, dass die Zellteilung vonstatten gehen kann: Cylcin-abhängige Kinase 1.

Ein Knäuel von zarten Fäden, ineinander verwirbelt. Dann wieder Fäden ganz geordnet, gerade gezogen. Ein Gebilde wie die Spindel in einem Webstuhl zieht die Fäden auseinander. Das Ganze in leuchtenden Farben auf schwarzem Grund. Was wir sehen, sind Bilder von Zellteilungsvorgängen. Sie stammen aus dem Labor des Biologen Prof. Thomas U. Mayer aus dem Fachbereich Biologie der Universität Konstanz. Er ist Experte für Molekulare Genetik. Mit seinem Wissenschaftlerteam hat er neue Erkenntnisse darüber gewinnen können, welche Proteine dafür verantwortlich sind, dass die Proteinmischungen CPC und Mklp2, die für die Teilungsvorgänge einer Zelle im Rahmen der Mitose mitverantwortlich sind, überhaupt in Aktion treten können.

Bei der Mitose wird zunächst der Zellkern geteilt, anschließend in der Zytokinese der ganze Zellleib. Diese Zellteilung ist nötig, damit neues Lebens entstehen kann, aber auch damit Verletzungen heilen können und neues Gewebe entsteht. Das Prinzip heißt: Aus ein mach zwei, aber nicht per Zufallsprinzip. Im Gegenteil: die Teilung des Zellleibes muss zeitlich und räumlich exakt koordiniert mit der Zellkernteilung erfolgen, d.h. die Tochterzellen dürfen sich erst abschnüren wenn die Chromosomen komplett getrennt sind und die Abschnürung muss exakt zwischen den getrennten Chromosomen stattfinden. Nur so kann gewährleistet werden, dass jede Tochterzelle einen identischen Satz an Chromosomen erhält. In der Mitose werden die Chromosomen, bildlich gesprochen, "auseinander gezogen", nicht irgendwo, nicht beliebig, sondern an einer ganz bestimmten Stelle. Dazu verdoppelt sich in der Zelle das "Zentrosom", auch Zentralköperchen genannt. An den beiden Zentrosomen bilden sich dann kleine "Förderbander", die den Transportprozess für das genetische Material übernehmen, die Mikrotubuli. Sie sind röhrenartige Gebilde, die zum Zytoskelett - dem Skelett einer Zelle - gehören. Doch ohne zusätzliche Proteine kann dies alles nicht funktionieren. Sie wiederum brauchen von anderen Proteinen genaue Regieanweisungen.

Jetzt kommt der so genannte "CPC", der "Chromosomale Passenger Complex", ins Spiel. Der CPC wandert während der Zellteilung wie ein Passagier an verschiedene Strukturen in der Zellen. Zunächst bindet er an das Centromer. Dabei handelt es sich um die Stelle auf dem Chromosom, an dem über weitere Proteinkomplexe die Chromosomen mit den Mikrotubuli verknüpft werden. Sobald die Chromosomen auseinander gezogen werden, verläßt der CPC die Centromere und bindet an die Mikrotubuli mittig zwischen den getrennten Chromosomen. Er wandert also genau dorthin, wo später der Zellleib geteilt werden soll

Wie der CPC bindet auch Mklp2 an die Stelle, an der die beiden Tochterzellen später abgeschnürt werden.Mklp2 ist ein Motorprotein, welches entlang von Mikrotubuli wandert. Der Treibstoff dabei ist ATP, der generelle Energielieferant in der Zelle. Bislang ist man davon ausgegangen, dass das Motorprotein Mklp2 den CPC als Gepäck (Cargo) an die spätere Zellteilungsstelle transportiert. Die Arbeiten von Mayer haben jedoch gezeigt, dass beide, der CPC und Mklp2, für die korrekte Bindung an Mikrotubuli voneinander abhängen. "Das eine kann ohne das andere nichts ausrichten" bringt es Mayer auf den Punkt.

Wird aus der Zelle das CPC entfernt, dann bewegt sich Mklp2 nicht an die spätere Trennstelle. Wird aus der Zelle das Mklp2 entfernt, dann reagiert auch das CPC nicht und begibt sich nicht auf Wanderung in die Mitte. Fazit: Das Motorprotein braucht sein Cargoprotein und umgekehrt. Die Wissenschaftler wollten mehr wissen: Wer ist für CPC und Mklp2 der Regisseur, sprich: wer gibt den Takt für die Bindung beider Komponenten an die Mikrotubuli an?

Um das herauszufinden, haben Mayer und sein Team das Protein Cyclin-abhängige Kinase 1 (Cdk1) getestet. Bereits bekannt war, dass die Trennung der Chromosomen mit einer Inaktivierung der CDK1 einhergeht, d.h. die Chromosomen trennen sich sobald die Aktivität der Cdk1 abnimmt. Durch die Kombination zellbiologischer und mikroskopischer Methoden sowie dem Einsatz chemischer Inhibitoren konnte Mayer und sein Team zeigen, dass die Inaktivierung der Cdk1 bewirkt, dass der CPC und Mklp2 an Mikrotubuli bindet. Cdk1 ist also der Dirigent auf dessen Zeichen hin, der CPC und Mklp2 an die spätere Zellteilungsfurche lokalisiert. Dadurch wird gewährleistet, dass die Trennung der Chromosomen zeitlich kooridiniert mit der Trennung des Zellleibes abläuft und somit zwei genetisch identische Tochterzellen gebildet werden.

Damit haben Mayer und sein Team wieder ein neues Mosaiksteinchen in der komplizierten Proteinkette, die für den Teilungsvorgang verantwortlich ist, gefunden. Grundlagenforschung pur. Interessant werden diese Fragen aber auch bei medizinischen Fragestellungen. "Jetzt geht es weiter, Schritt für Schritt werden die komplizierten Proteinabfolgen weiter entschlüsselt. Hier im Labor arbeitet eigentlich jeder Doktorand an einem anderen Protein und testet aus, wie es funktioniert", sagt der Wissenschaftler. Er betont, wie wichtig für ihn und sein Projekt die Zusammenarbeit mit der Chemie ist. "Mit Hilfe meiner Kollegen aus der Chemie suchen wir nach Molekülen, die ein Protein in Gang setzen oder ausschalten können. Wir entwickeln eine Art chemischen Schalter, und das geht ohne unsere Partner in der Chemie nicht", erklärt Mayer. Sein Traum: "Irgendwann eine Art Proteintoolbox für alle mitotischen Proteine in der Zelle". Ein langer Weg. Mayer geht ihn weiter. Mit Geduld.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Konstanz, Claudia Leitenstorfer, 02.04.2009
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2009