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FORSCHUNG/628: Geschätzte Hefezellen - Verständnis morphogenetischer Veränderungen (idw)


Universität Ulm - 23.07.2009

Geschätzte Hefezellen - Das molekulare Verständnis
morphogenetischer Veränderungen


Bierbrauer, Winzer und Bäcker nutzen sie seit Jahrhunderten, die Wissenschaft hat ihre Bedeutung erst reichlich später entdeckt: Hefen, einzellige Pilze, die sich durch Sprossung oder Teilung vermehren. Auch für einen Ulmer Wissenschaftler sind sie die Basis seiner Forschungsarbeiten. "Hefezellen haben große Ähnlichkeit mit menschlichen Zellen. Ihr entscheidender Vorteil ist, dass sie gezielt manipuliert werden können", erklärt Professor Nils Johnsson, Direktor des Instituts für Molekulare Genetik und Zellbiologie der Universität Ulm. Mit seiner Antrittsvorlesung beim Jahrestag der Uni hat sich der Wissenschaftler kürzlich der Öffentlichkeit vorgestellt.

Auch das Thema seiner Arbeitsgruppe, das molekulare Verständnis morphogenetischer Veränderungen. "Wir untersuchen, wie Hefezellen ihre Form erhalten und verändern", so Johnsson, "ausgehend von der Annahme, dass Proteine und insbesondere ihre Wechselwirkungen die zellulären Prozesse steuern, die morphogenetische Veränderungen bedingen". Der erste Schritt sei die Erstellung möglichst vollständiger Interaktionskarten der an den verschiedenen Prozessen beteiligten Proteine. "Im nächsten untersuchen wir dann die Logik dieser Netzwerke: Welche Proteine interagieren gleichzeitig mit einem dritten Protein? Welche Proteininteraktionen schließen sich gegenseitig aus und welche bedingen einander?"

Aus diesen so strukturierten Interaktionskarten können Professor Johnsson zufolge Hypothesen über die Funktionen und Arbeitsweisen von Proteinen abgeleitet und die für das Netzwerk kritischen Elemente identifiziert werden. "Durch genetische Manipulationen stören wir die potenziell wichtigen Verbindungen zwischen den Proteinen gezielt und messen die Auswirkung dieser Störung auf den untersuchten Prozess in der Zelle", beschreibt er die Methode weiter, nennt zudem das Ziel: "Aus den so gewonnenen komplementären Daten versuchen wir qualitative Modelle über Mechanismen der untersuchten Prozesse zu gewinnen." Schließlich sollte die Generierung quantitativer Daten von wichtigen Teilaspekten der Prozesse in einem letzten Schritt die Modellierung dieser Prozesse erlauben. Allerdings macht der Wissenschaftler deutlich: "Von dieser Stufe sind unsere jetzigen Arbeiten noch recht weit entfernt."

Hintergrund sei gleichwohl "die Hoffnung, daraus gezielt Verständnis bei Fragestellungen in anderen Organismen zu gewinnen, bis hin zur Krebs- und Alterungsforschung". Insofern seien die Untersuchungen Grundlagenforschung im besten Sinne. Dabei leiste sein Institut zudem einen aktiven Beitrag zur Methodenentwicklung. Speziell: "Zeit und Ort der Interaktionen von Proteinen messen wir mit fluoreszenzmikroskopischen Methoden", sagt der promovierte Biochemiker, Jahrgang 1960, der in Tübingen studiert und am Max- Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen promoviert hat.

"Wir sind hier das einzige naturwissenschaftliche Institut", sinniert Johnsson über seine vorwiegend der medizinischen Forschung zugeordneten Nachbarschaft im neuen Forschungsgebäude der Universität, darunter die beiden Leibniz- und weitere Preisträger. "Ich denke aber, dass wir fachlich ganz gut in dieses Umfeld passen." Mit Stammzellforscher Professor Karl Lenhard Rudolph jedenfalls habe er sich bereits auf ein erstes gemeinsames Thema verständigt, mit Kollegen aus der Biophysik und der Telekommunikationstechnik sogar auf zwei interdisziplinär angelegte Projektanträge. Und rundum positiv äußert sich der in Clausthal-Zellerfeld geborene Wahl-Ulmer auch über seine bisherigen Erfahrungen: "Mein Institut ist instrumentell gut ausgestattet, der Aufbau reibungslos und unbürokratisch verlaufen." Vergleichsmöglichkeiten hat er durchaus. Drei Jahre war Professor Johnsson zuletzt an der Universität Münster tätig, weitere renommierte Stationen seiner Laufbahn waren zuvor das Forschungszentrum Karlsruhe, das Max-Delbrück-Laboratorium der Max-Planck-Gesellschaft in Köln und das California Institute of Technology. Dem vorausgegangen war ein dreijähriger Forschungsaufenthalt als Stipendiat am Massachusetts Institute of Technology (MIT), eine der ersten Adressen bekanntlich weltweit nicht nur für Nachwuchswissenschaftler. Und nun Ulm. "Wir müssen uns hier nicht verstecken", ist der Hobby-Radler überzeugt, "gerade eine kleine Uni hat große Vorteile". Er jedenfalls fühle sich hier "in jeder Beziehung pudelwohl".

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Ulm, Willi Baur, 23.07.2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juli 2009