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FORSCHUNG/855: Die Evolution der sexuellen Fortpflanzung (idw)


Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 27.09.2012

Die Evolution der sexuellen Fortpflanzung



Wie ist die sexuelle Fortpflanzung entstanden? Über diese Frage gibt es in der Wissenschaft unterschiedliche Ansichten. Jetzt haben Forscher aus Würzburg, Kiel und Lyon Spuren entdeckt, die der Diskussion ein Ende setzen könnten.

Jeder Organismus hat das Bestreben, sich fortzupflanzen und das eigene genetische Material an die nächste Generation weiterzugeben. Aus der sogenannten ungeschlechtlichen Fortpflanzung, bei der ein genetisch identischer Abkömmling von einem Lebewesen abstammt, entstand im Laufe der Evolution die sexuelle Vermehrung. Voraussetzung dafür war die Entwicklung zweier unterschiedlicher Geschlechtszellen, deren Erbgut in der nächsten Generation ausgetauscht und neu kombiniert werden kann. Nachkommen, die aus geschlechtlicher Fortpflanzung durch die Verschmelzung einer Eizelle und eines Spermiums hervorgehen, besitzen deshalb eine einzigartige Kombination väterlicher und mütterlicher Gene.

Die Körperzellen der meisten Lebewesen besitzen einen doppelten Chromosomensatz, "diploid" in der Fachsprache genannt. Damit dieser über die Generationen hinweg erhalten bleibt, wird in einer speziellen Form der Zellteilung - der Meiose - der Chromosomensatz der Geschlechtszellen bei ihrer Reifung halbiert, sie sind dann haploid. Durch die Fusion zweier haploider Geschlechtszellen bei der sexuellen Fortpflanzung wird der ursprüngliche diploide Chromosomensatz in dem Embryo wiederhergestellt.


Streit um die Entstehung der Meiose

Obwohl die Meiose in allen Lebewesen, die sich sexuell fortpflanzen, sehr ähnlich verläuft, sind die Entstehungsgeschichte und der evolutive Ursprung dieses Prozesses noch unklar. Das hat vor allem einen Grund: Der Synaptonemal-Komplex, eine Struktur, die dafür verantwortlich ist, dass der doppelte Chromosomensatz während der Meiose fehlerfrei halbiert wird, ist in verschiedenen entwicklungsbiologischen Modellorganismen aus scheinbar nicht-verwandten Proteinen aufgebaut.

"Diese Tatsache wurde lange als Hinweis für die Hypothese gesehen, dass der Komplex und damit Teile der Meiose in der Evolution in mehreren Arten unabhängig voneinander entstanden sind", erklärt Ricardo Benavente, Professor am Lehrstuhl für Zell- und Entwicklungsbiologie der Universität Würzburg.

Demgegenüber stand die bislang unbewiesene Hypothese, dass der Synaptonemal-Komplex nur einmal in der Geschichte der sexuellen Fortpflanzung entstanden ist und sich später in den verschiedenen Arten auseinander entwickelte.


Neue Belege für die einmalige Entstehung

Den Arbeitsgruppen um Professor Ricardo Benavente und den Privatdozenten Dr. Manfred Alsheimer am Biozentrum der Universität Würzburg ist es nun gemeinsam mit Forschern der Universitäten Kiel und Lyon gelungen, verwandte Proteine einzelner Komponenten des Synaptonemal-Komplexes der Maus in dem Süßwasserpolypen Hydra zu identifizieren, einem der ersten mehrzelligen Tiere, die in der Evolution entstanden sind. Diese Proteine besitzen den gleichen evolutiven Ursprung wie die Proteine der Säugetiere, der über 500 Millionen Jahre zurückliegt - am Ursprung der vielzelligen Tiere.

Fazit: "Die Arbeit widerlegt die alte Hypothese zur Evolution des Synaptonemal-Komplexes und liefert neue Belege für eine einmalige Entstehung der Meiose in der Evolution der sexuellen Fortpflanzung", so Johanna Fraune, Doktorandin und Erstautorin der Arbeit.

Die Forschungsarbeiten in Würzburg werden vom Schwerpunktprogramm 1384 "Mechanisms of Genome Haploidization" der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert. Die Arbeitsgruppe ist Mitglied des Programms seit der Gründung im Jahr 2009.

"Hydra meiosis reveals unexpected conservation of structural synaptonemal complex proteins across metazoans"
Johanna Fraune, Manfred Alsheimer, Jean-Nicolas Volff, Karoline Busch, Sebastian Fraune, Thomas Bosch & Ricardo Benavente
PNAS/USA doi: 10.1073/pnas.1206875109 (2012)

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Gunnar Bartsch, 27.09.2012
WWW: http://idw-online.de
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2012