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FORSCHUNG/921: Leitsystem für den Zelltransport erstmals kartiert (idw)


Universität Zürich - 05.06.2014

Leitsystem für den Zelltransport erstmals kartiert



Die Transportrouten von Nähr- und Botenstoffen in Zellen lassen sich mit dem Verkehrssystem einer Stadt vergleichen: Wie die weltweit einzigartige quantitative Studie von Zellbiologen der Universität Zürich zeigt, gibt es in Zellen Hauptverkehrsachsen, Nebenwege, Verkehrsknotenpunkte und Leitsysteme, die die örtliche und zeitliche Verteilung von Substanzen im Inneren regulieren.

Damit eine Zelle richtig funktioniert, muss sie Nähr- und Botenstoffe durch ihre Membran transportieren und diese im Zellinnern zur richtigen Zeit an den richtigen Ort bringen. Dieser Vorgang ist komplex und wird mit Hilfe von spezifischen Genen reguliert. Kommt es zu Störungen im Transportmechanismus, sind schwere Krankheiten wie etwa Diabetes, Krebs und diverse neurologische Erkrankungen die Folge. Die Entdeckung der molekularen Prinzipien beim Zelltransport wurde 2013 mit dem Nobelpreis für Physiologie und Medizin honoriert. Trotz dieser Grundkenntnis über die intrazellulären Wege und Transportvehikel, kann die Zellfunktion nur dann verstanden werden, wenn die Regulation und Kontrolle des intrazellulären Zellverkehrs bekannt ist. Zellbiologen der Universität Zürich haben nun erstmals eine umfassende Karte für diese Leitsysteme erstellt. Bei der im Wissenschaftsjournal «Cell» als Titelgeschichte publizierten Studie handelt es sich weltweit um die erste quantitative Studie dieser Grössenordnung.

Bild: © Sarah Steinbacher/UZH

Die Grafik stellt einzelne Zellen als Stadt mit intrazellulären Strassen dar. Ampeln und Verkehrstafeln sorgen für einen reibungslosen Verkehrsfluss.
Bild: © Sarah Steinbacher/UZH


Wie Zellen Substanzen aufnehmen und transportieren

Gesunde Zellen nehmen Nahrungs- und Botenstoffe ins Zellinnere auf - und zwar über einen Mechanismus, der Endocytose genannt wird: Verschiedene Stoffe docken dabei an spezifische, auf der Zellmembran sitzende Rezeptoren an. Spezielle Proteine, wie beispielsweise Kinasen, aktivieren diese Rezeptoren, die zu transportierende Substanz wird von der Zellmembran umschlossen, die Membran stülpt sich nach innen, und das entstandene Bläschen wird abgeschnürt. Dieses sogenannte Vesikel gelangt schliesslich über verschiedene Stationen und Organellen an seinen Bestimmungsort in der Zelle.


Hauptverkehrsachsen, Verkehrsknotenpunkte und Ampeln

Für ihre Studie schaltete die Zellbiologin Dr. Prisca Liberali, Postdoc im Team von Professor Lucas Pelkmans, gezielt 1.200 menschliche Gene ab, die an der Signalübermittlung und am Stofftransport durch die Zellmembran beteiligt sind. Mit automatisierter Hochdurchsatz-Mikroskopie und rechnergestützter Bildanalyse - auch «Computer Vision» genannt - konnte sie 13 verschiedene Transportwege mit verschiedenen Rezeptoren und zellulären Organellen verfolgen und vergleichen. Über die Quantifizierung von Tausenden von Zellen konnte die Forscherin schliesslich die Gene identifizieren, die bei den verschiedenen Transportwegen eine Rolle spielen. So zeigte sich, dass einzelne Transportrouten von unterschiedlichen Kontrollsystemen reguliert und koordiniert werden.

Anschliessend berechnete Liberali die hierarchische Abfolge innerhalb des genetischen Netzwerks und identifizierte so die regulatorische Topologie des Zelltransports. «Der Transport in die Zelle hinein und in der Zelle selbst erfolgt analog dem Gütertransport in einer Stadt», beschreibt die Forscherin den Zelltransport. «Wie in einer Stadt ist der Verkehr auf den Routen in der Zelle und an deren Kreuzungen durch Ampeln und Beschilderungen genau geregelt.»

Mit dieser weltweit einmaligen quantitativen Studie dieser Grössenordnung wurden die Transportwege und Prozesse innerhalb einer Zelle erstmals kartiert. Da bei Krankheiten oftmals Gene dereguliert sind, die für die intrazellulären Verkehrsampeln und Weichen kodieren, ist mit dieser neuen «Karte» nun eine Voraussage möglich, wo der Zellverkehr stocken wird und somit zu einer Erkrankung führt. Und noch mehr: «Da viele Medikamente an diesen molekularen Ampeln und Schaltern auf das Transportleitsystem einer Zelle wirken, können mit dem neuen Wissen Wirkstoffe kombiniert werden, um unerwünschte Stoffe wie Viren in das Entsorgungssystem der Zelle zu lenken», so Prisca Liberali.


Literatur:
Prisca Liberali, Berend Snijder, Lucas Pelkmans. A hierarchical map of regulatory genetic interactions in membrane trafficking. Cell, Juni 5, 2014. 
DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.cell.2014.04.029

Weitere Informationen unter:
http://www.mediadesk.uzh.ch

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution94

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Zürich, Bettina Jakob, 05.06.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juni 2014