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GENETIK/224: Genetische Geschichte der australischen Bevölkerung erstmals entschlüsselt (idw)


Universität Bern - 21.09.2016

Genetische Geschichte der australischen Bevölkerung erstmals entschlüsselt


Australien ist nach Afrika eine der am längsten dauerhaft von Menschen besiedelten Weltregionen. Aber wer genau waren die ersten Menschen, die sich dort niederliessen? Diese Frage hat politische Implikationen und wird seit Jahren debattiert. Nun legt ein internationales Forscherteam unter Leitung der Universität Bern und des Schweizerischen Instituts für Bioinformatik (SIB) die erste umfassende Genom-Untersuchung von australischen Ureinwohnern vor. Sie zeigt, dass diese tatsächlich die direkten Nachkommen der ersten australischen Siedler sind.

Die Besiedlung Australiens und die Geschichte der Menschen, die auf diesem Kontinent leben, wird in wissenschaftlichen Kreisen nach wie vor heiss diskutiert. Bisherige demografische Erkenntnisse zu Aborigines beruhten auf lediglich drei verschiedenen Aborigine-Genomen. Eines davon stammte vom Haarbüschel eines Verstorbenen. Die Herkunft der anderen beiden Zellinien ist nicht vollständig geklärt.

Unter Mithilfe von Koautoren australischer Aborigine-Herkunft hat nun ein internationales Forschungsteam 83 moderne Genome von Aborigines und 25 moderne Genome von Papua sequenziert. Die Forschenden kombinierten diese genetischen Daten mit linguistischen Daten, um die Besiedelung Australiens nachzuzeichnen. Die Studie zeigt unter anderem drei grundlegende historische Daten auf und enthält mehrere wichtige Befunde zu frühen menschlichen Populationen.

Das Paper, das heute im Journal «Nature» publiziert wird, ist das Resultat einer engen Zusammenarbeit zwischen internationalen Forschungsteams und Vertreterinnen und Vertretern der Aborigines. Sowohl die Hauptautorin, Anna-Sapfo Malaspinas, als auch der Leiter der Forschungsgruppe, Laurent Excoffier, forschen am Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern sowie am Schweizerischen Institut für Bioinformatik (SIB).

Vor 72.000 Jahren: Eine gemeinsame Wanderung «Out of Africa»

Bisherige Studien gingen davon aus, dass die Vorfahren moderner Papua und Australier viel früher aus Afrika hätten auswandern müssen als jede andere Population, um Neuguinea und Australien vor rund 47.000 Jahren erreichen zu können, wie Fossilfunde nahelegen. Die Forschenden um Anna Malaspinas schätzen jedoch aufgrund ihrer Erkenntnisse vielmehr, dass vor 72.000 Jahren eine Ur-Population den Afrikanischen Kontinent verliess, aus der später die Australischen Aborigines, die Europäer und die Ostasiaten hervorgingen.

Laurent Excoffier vom Institut für Ökologie und Evolution, Abteilung Populationsgenetik, und dem Schweizerischen Institut für Bioinformatik (SIB) erklärt: «Es war umstritten, inwiefern die Australischen Aborigines eine eigene Out-of-Africa-Wanderung repräsentieren. Wir fanden heraus, dass - unter Berücksichtigung einer Vermischung mit archaischen Menschen - die Mehrheit der genetischen Zusammensetzung aus derselben Auswanderung aus Afrika stammt wie diejenige anderer Nicht-Afrikaner.»

Vor 37.000 Jahren: Australische Erstbesiedler und ihre Nachbarn entwickeln sich auseinander

Die Australischen Aborigines haben sich laut den Forschenden bereits vor 37.000 Jahren von ihren Nachbarn isoliert - lange bevor Neuguinea und Australien geografisch voneinander getrennt wurden (vor 10.000 Jahren). «Lange war unklar, wie Australische Aborigines nach Australien gelangten», sagt Mit-Autor Eske Willerslev vom Centre for GeoGenetics in Kopenhagen. «Ebenso konnten weitere Fragen wie zu ihrer Beziehung zu anderen Gruppen bisher technologisch und auch politisch nicht geklärt werden.»

Vor 31.000 Jahren: Ein Kontinent - eine riesige genetische Vielfalt

Mit dieser erstmaligen flächendeckenden Erfassung der Genome von Australischen Aborigines konnte nachgewiesen werden, dass die gemeinsamen Vorfahren aller Aborigines weiter zurückgehen als angenommen. Vor 31.000 Jahren begann sich die australische Urbevölkerung in mehrere Populationen zu strukturieren, wodurch die heute beobachtete genetische Vielfalt entstand.

Hauptautorin Anna-Sapfo Malaspinas sagt dazu: «Die genetische Vielfalt unter Australischen Aborigines ist erstaunlich. Gruppen aus der südwestlichen Wüste unterscheiden sich genetisch ebenso von denjenigen im Nordosten Australiens wie sich Europäer und Ostasiaten unterscheiden.» Dies unterstütze die Behauptung, dass der Kontinent schon sehr lange von Australischen Aborigines besiedelt sei.


Angaben zur Publikation:
Anna-Sapfo Malaspinas et al.: A Genomic History of Aboriginal Australia, Nature, 21 September 2016, DOI:10.1038/nature18299

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution57

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Bern, Nathalie Matter, 21.09.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. September 2016

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