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FORSCHUNG/780: Bisher unbekannte Proteine steuern die selektive Nährstoffaufnahme in Pflanzenwurzeln (idw)


Eberhard Karls Universität Tübingen - 19.05.2011

Bisher unbekannte Proteine steuern die selektive Nährstoffaufnahme in Pflanzenwurzeln

Eine internationale Forschergruppe unter Beteiligung von Molekularbiologen der Universität Tübingen entschlüsselt einen neuen Weg bei der Entstehung der Struktur von Zellmembranen.


Alle mehrzelligen Lebewesen, ob Tier oder Pflanze, bilden spezielle Zellschichten aus, die eine Barriere zur Umgebung bilden oder den Kontakt zur Umgebung regulieren. Bei Tieren spricht man von einem Deck- oder Drüsengewebe, in der Fachsprache Epithel. Dessen Zellen sind polarisiert, es gibt einen Unterschied zwischen innen und außen. Eine in gewissem Sinne ähnliche Funktion wie dieses polarisierte Epithel bei den Tieren spielt die Wurzelendodermis bei den Pflanzen. Wie sich solche Barrieren zum Beispiel in der schützenden Zellhülle, der Plasmamembran, bilden, ist molekularbiologisch noch weitgehend ungeklärt. Eine internationale Forschergruppe, an der auch Wissenschaftler des Zentrums für Molekularbiologie der Pflanzen der Universität Tübingen beteiligt sind, hat jetzt erstmals einen molekularen Faktor identifiziert, der bei Pflanzen die Bildung einer Diffusionsbarriere in Plasmamembranen steuert. Die Arbeit erscheint in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature".

Epithel- und Endodermis-Zellen spielen die Rolle einer Diffusionsbarriere; sie verbinden zugleich die Zellen und schützen sie vor dem Raum außerhalb der Zelle. Die Zellen der Wurzelendodermis bei Pflanzen umschließen den zentralen Strang der Wurzel, in dem die Nährstoffe und das Wasser fließen. Die Endodermis sorgt dafür, dass dort Wasser hineindiffundiert und den für die Versorgung nötigen Wasserdruck erzeugt. Sie spielt eine wichtige Rolle für die Nahrungsversorgung der Pflanze und ihre Stressresistenz und ähnelt in dieser Funktion stark einem polarisierten Epithel.

Zu den Forschern um den leitenden Autor dieser Studie, Niko Geldner, von der Abteilung für Pflanzenmolekularbiologie der Universität Lausanne, gehört auch Dr. York-Dieter Stierhof, der am Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen (ZMBP) der Universität Tübingen vor allem für unterschiedliche Verfahren der Mikroskopie zuständig ist. Professor Geldner selbst hat 2003 am ZMBP promoviert.

Die Wissenschaftler haben sich, unter anderem mit verschiedenen Verfahren der optischen und der Elektronenmikroskopie, eine Familie von Pflanzenproteinen genauer angesehen, deren Funktion bisher unbekannt war. Sie nennen diese Proteine CASPs, denn die Proteine markieren Bereiche einer Membran, an der sich sogenannte Casparische Streifen bilden. Diese Streifen in den Zellwänden der Wurzelendodermis sind grundsätzlich seit langem bekannt; sie wurden benannt nach dem 1887 gestorbenen deutschen Botaniker Robert Caspary. Dort, wo sich diese Streifen bilden, können Mineralstoffe und Wasser nicht mehr ohne weiteres zwischen den Zellwänden hindurch oder durch die Zellwände in den Kernbereich der Wurzel vordringen. Offen bleibt nur noch der Weg durch spezielle Zellen der Endodermis. So wird die Endodermis zu einem Filter, der steuert, welche Nährstoffe der Pflanze zugeführt werden.

Die Forscher haben die Casparischen Streifen in der Wurzelendodermis der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) untersucht. Sie fanden dort, stark lokalisiert in den Regionen der Casparischen Streifen, fünf Proteine, die bei Arabidopsis zu einer "uncharakterisierten Proteinfamilie" UPF0497 mit insgesamt 38 Familienmitgliedern gehören. Diese CASPs (Casparian Strip membrane Domain Proteins) stehen in engem Zusammenhang mit der Bildung und Formierung von Casparischen Streifen. Mutierte Formen der CASPs führten im Experiment zu einer Desorganisation der Streifen - eine Beobachtung, die belegt, dass die CASPs eine wichtige Rolle bei der Bildung der Streifen haben. Das Protein CASP1 zeigte mehrere Eigenschaften, die für einen Bindungskomplex in Pflanzen entscheidend sind. So kann es zum Beispiel Komplexe mit anderen CASPs bilden und wie ein großes Polymer sedimentieren.

Das Fazit der Forscher: CASPs sind die ersten molekularen Faktoren, die nachgewiesenermaßen bei Pflanzen eine Plasmamembran und extrazelluläre Diffusionsschranke bilden. Sie stellen einen bisher unbekannten Weg der Bildung einer Epithel-Barriere bei höheren Organismen (Eukaryoten) dar.


Die Studie: Daniele Roppolo, Bert De Rybel, Valérie Dénervaud Tendon, Alexandre Pfister, Julien Alassimone, Joop E. M. Vermeer, Misako Yamazaki, York-Dieter Stierhof, Tom Beeckman and Niko Geldner: A novel protein family mediates Casparian strip formation in the endodermis. Nature, 19. Mai 2011, DOI: 10.1038/nature10070.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Eberhard Karls Universität Tübingen, Michael Seifert, 19.05.2011
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Mai 2011