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ORNITHOLOGIE/140: Mittelmeermöwe - Schnabelfarbe als Botschaft (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 6/2009

Ornithologie aktuell

Mittelmeermöwe: Schnabelfarbe als Botschaft


Um herauszufinden, ob der rote Schnabelfleck nicht nur ein Signal für die Küken, sondern auch für die Eltern ist und dieser etwa als Paarungsanreiz oder Qualitätsmerkmal dient, haben spanische Wissenschaftler in einer Brutkolonie vor der galizischen Küste den Schnabel von Mittelmeermöwen (Larus michahellis) farblich verändert. Je Paar erhielt einer der Partner entweder einen kleineren oder größeren roten Punkt. Die Karotinoide, die für die rote Farbe verantwortlich sind, spielen auch im Immunsystem eine wichtige Rolle als Antioxidationsmittel. Nur kräftige und gesunde Vögel können es sich leisten, besonders viel Farbstoff auch anderweitig zu investieren. Je intensiver die roten Flecken strahlen oder je mehr Fläche sie einnehmen, desto bessere Gene verspricht demzufolge ihr Träger. In der Tat ließen sich die Elternvögel von der Größe des roten Flecks beeinflussen und verdoppelten ihre Fütterungsanstrengungen, wenn der Partner über einen größeren roten Punkt verfügte. Sie steigerten ihre Fütterungsaufwendungen, obwohl der Partner nicht weniger fütterte als ein Individuum aus den Vergleichsgruppen und investierten damit also mehr in ihren Nachwuchs. Ein solches Verhalten zeigen Tiere häufig, wenn sie sich mit augenscheinlich qualitativ hochwertigen Partnern eingelassen haben, deren Gene langzeitigen Erfolg für den eigenen Nachwuchs versprechen. In den beiden anderen Gruppen verstärkten sich die Anstrengungen dagegen nur dann, wenn einer der beiden Altvögel zu wenig Nahrung heranschaffte - also nur, wenn es erforderlich war. Der Nachwuchs reagierte völlig gleichgültig auf das geänderte Versorgungsverhalten der Elternvögel und pickte gleichermaßen häufig gegen jeden der ihm entgegengestreckten Schnäbel - Hauptsache sie waren gefüllt und lieferten Fisch und Meeresfrüchte. Fazit: Der rote Punkt auf dem Schnabel von Möwen, der bereits Nikolaas Tinbergen im Jahre 1973 gemeinsam mit Konrad Lorenz und Karl von Frisch zum Nobelpreis für Medizin und Physiologie verhalf, dient allen Familienmitgliedern als entscheidendes Signal - sowohl dem Nachwuchs als auch den Elternvögeln. (wir)

J. Morales u. a. Proc. R. Soc. B 10.1098/rspb.2008.1942, 2009.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 6/2009
56. Jahrgang, Juni 2009, S. 202
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juni 2009