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ORNITHOLOGIE/157: Alpensegler - Erbgut sagt Todeszeitpunkt voraus (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 8/2009

Ornithologie aktuell

Alpensegler: Erbgut sagt Todeszeitpunkt voraus


Spezielle Erbgutteile am Ende der Chromosomen sagen bei Alpenseglern den Todeszeitpunkt besser voraus als das chronologische Alter. Man bestimmte die Länge der sogenannten Telomere im Blut der Vögel, spezialisierte Erbgutabschnitte am Ende der Chromosomen, die jedes Mal wenn sich Zellen teilen und so zur Erneuerung und Erhaltung des Körpers beitragen, etwas kürzer werden. Sind diese Telomere zu kurz, kann sich eine Zelle nicht mehr weiter teilen. Wissenschaftler nehmen deshalb schon länger an, dass die DNA-Abschnitte bei der Alterung der Zellen eine entscheidende Rolle spielen. Wie stark sich die Telomere im Lauf des Lebens verkürzen und wie sich die Verkürzung auf das Individuum auswirkt, ist jedoch kaum bekannt. Demzufolge steckt die Lebenserwartung offenbar bereits in den Genen und lässt sich vielleicht sogar dort ablesen, wie die jüngsten Untersuchungen an Alpenseglern zeigen. Man hatte dazu im Jahr 2001 Blutproben von rund 100 Alpenseglern genommen, die in einem Kirchturm in Biel brüteten. Die Vögel waren in ihrem Geburtsjahr beringt worden und kehrten bis zu ihrem Tod jeden Frühling in dieselbe Kolonie zurück, sodass sich Todesjahr und Lebensspanne jeweils einfach bestimmen ließen. Vögel mit langen Telomeren, d. h. Endstücken der Chromosomen, die DNA tragen, überlebten mit größerer Wahrscheinlichkeit bis ins Jahr 2006 als solche mit kurzen. Dieser Zusammenhang ist auch schon bei anderen Tieren und vom Menschen bekannt. Um festzustellen, wie sich die Länge der DNA-Abschnitte über die Jahre veränderte, maß man im Jahr 2006 die Telomere bei 22 Vögeln noch einmal und ermittelte überraschende Unterschiede in der Abnahme ihrer Länge. Eine starke Telomer-Abnutzung hatte Folgen: Im Jahr 2007 zeigte sich, dass Alpensegler, bei denen die Länge stärker abgenommen hatte, das Jahr deutlich seltener überlebten. Das Alter dagegen gab kaum einen Hinweis darauf, ob ein Alpensegler die untersuchte Zeitspanne überlebte oder nicht. Die untersuchten Vögel waren nämlich bis zu 19 Jahre alt, was an der oberen Grenze liegt. Eine Kombination aus Anfangslänge und Telomer-Abnutzungstempo sagt den Überlebenserfolg der Vögel am besten voraus. Wie die Telomerlängen im Detail mit den Todesfällen zusammenhängen, ist noch nicht bekannt. Es zeigte sich nämlich bereits, dass Umwelteinflüsse wie chronischer Stress dazu führen, dass die Telomere rasch kürzer werden. Kurze Telomere könnten also selbst über geringere Zellteilraten die Vögel schwächen oder altern lassen. Andererseits könnten schädliche Umwelteinflüsse zu einer größeren Sterberate führen - und quasi als Nebeneffekt auch die Telomere degenerieren lassen. Zumindest scheinen die Telomere ein guter Anzeiger für die Lebenserwartung zu sein. (wir)

P. Bize u. a., Proc. R. Soc. B published online 25.2.09,
doi: 10.1098/rspb.2008.1817


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 8/2009
56. Jahrgang, August 2009, S. 282-283
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. August 2009