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ORNITHOLOGIE/240: Der Star - Gesangskünstler und Schwarmflieger (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 8/2011

Gesangskünstler und Schwarmflieger: Star

von Anita Schäffer


Der Star ist einer der häufigsten und bekanntesten Vögel in Deutschland. Wo Nahrungsflächen in Form von Weiden oder kurzen Rasen in der Nähe geeigneter Nistmöglichkeiten - möglichst für mehrere Brutpaare - vorhanden sind, siedeln sich die Vögel an. Der vielfältige Gesang und das Schwarmverhalten der Stare im Herbst und Winter bieten aufregende Erlebnisse bei der Beobachtung dieser prachtvollen Vögel.

Das Prachtkleid des Stars zeichnet sich durch schwarz-glänzendes, bunt schillerndes Gefieder aus, das weiße Perlmuster ist im Verlauf des Winters abgenutzt. Männchen sind an der blauen Unterschnabelbasis zu erkennen. - Foto: © H.-J. Fünfstück, Eschenlohe, 5.6.2010

Das Prachtkleid des Stars zeichnet sich durch schwarz-glänzendes, bunt
schillerndes Gefieder aus, das weiße Perlmuster ist im Verlauf des
Winters abgenutzt. Männchen sind an der blauen Unterschnabelbasis zu
erkennen.
Foto: © H.-J. Fünfstück, Eschenlohe, 5.6.2010

Der Star ist leicht zu erkennen. In der Brutzeit ist vor allem das schwarze, glänzende Gefieder der Männchen auffällig, das im Sonnenlicht dunkel grün-blau-violett schillert. Nach der Mauser im Spätsommer zeigt sich der Star im Schlichtkleid mit einem Perlmuster, das von den weißen Spitzen neuer Federn herrührt. Bis zum kommenden Frühjahr nutzen sich diese ab und die hellen weißen Punkte verschwinden, sodass im Prachtkleid die schillernde Färbung dominiert. Im Unterschied zum Männchen weist das Gefieder der Weibchen im Frühjahr noch helle Punkte auf. Der Schnabel ist bei beiden Geschlechtern im Prachtkleid leuchtend gelb, bei Männchen ist die Unterschnabelbasis hellblau, bei Weibchen rosa. Im Herbst haben Stare dunkle Schnäbel. Jungvögel sind graubraun, mausern jedoch schon bald ins Schlichtkleid.

Reihen von Staren auf Leitungsdrähten sind zur Zugzeit ein bekannter Anblick. Deutlich ist das Perlmuster im Gefieder zu erkennen, das durch die hellen Spitzen der im Sommer neu gewachsenen Federn zustande kommt. Bis zum Frühjahr nutzen sich diese ab. - Foto: © H.-J. Fünfstück, 9.10.2006

Reihen von Staren auf Leitungsdrähten sind zur Zugzeit ein bekannter
Anblick. Deutlich ist das Perlmuster im Gefieder zu erkennen, das
durch die hellen Spitzen der im Sommer neu gewachsenen Federn zustande
kommt. Bis zum Frühjahr nutzen sich diese ab.
Foto: © H.-J. Fünfstück, 9.10.2006

Typisch ist der Anblick eines Starenmännchens, das mit gesträubten Federn und abgespreizten flatternden Flügeln direkt vor dem Einflugloch seiner Bruthöhle sitzt. Der Gesang ist sehr abwechslungsreich bei unterschiedlicher Lautstärke, er beinhaltet Pfeiftöne, Schnalz-, Zisch- und Rätschlaute, und manchmal auch "bauchrednerisch" erscheinende Elemente. Häufig sind Imitationen anderer Vogelstimmen und sonstiger Geräusche, wie z. B. Mobiltelefonklingeln oder Alarmtöne von Weckern, eingestreut. Zahlreiche Rufe sind vom Star bekannt, im Schwarm ist der Kontaktruf wie "squar" gut zu hören. Interessant ist, dass der Star keine Reviere - jedoch seine Bruthöhle - verteidigt, weshalb nicht selten mehrere Starenpaare auf engem Raum brüten können, wenn Brutplatz- und Nahrungsangebot stimmen.


Verwirrende Beziehungen

Schon bald nach der Rückkehr ins Brutgebiet beginnt das Männchen, in einem geeigneten Hohlraum ein grobes Nest aus trockenen Blättern, Halmen, Wurzeln und Stroh anzulegen. Als Brutplatz kommen alle Arten von Hohlräumen infrage, wobei Höhlungen in Baumstämmen bevorzugt, aber auch Felsspalten ebenso wie Nischen an Gebäuden und Nistkästen genutzt werden, sofern diese groß genug sind. Die Niststandorte verraten sich häufig durch heraushängende Halme. Das Weibchen polstert den Rohbau mit weicherem Material und Federn aus und legt im April vier bis acht helle blau-grüne Eier, die es alleine fast zwei Wochen bebrütet. Nach dem Schlupf bleiben die Jungen noch etwa drei Wochen im Nest, wo sie von beiden Eltern gefüttert werden. Das Brutverhalten der Stare kann recht kompliziert sein, da die Männchen mit nur einem Weibchen (Monogamie) oder mehreren gleichzeitig verpaart sein können (simultane Polygynie) und zudem Bruten mit unterschiedlichen Weibchen aufeinander folgend vorkommen (sukzessive Polygynie). Spät im Jahr ausgeflogene Jungvögel stammen aus solchen Folgebruten mehrfach verpaarter Männchen, echte Zweitbruten sind selten. Nach dem Ausfliegen werden die jungen Stare noch einige Zeit von den Eltern mit Nahrung versor gt, bevor sie im Familienverband gemeinsam auf Nahrungssuche gehen.


Gemeinsame Nahrungsflächen

Stare sind Allesfresser, deren Nahrung je nach Verfügbarkeit und Jahreszeit von Wirbellosen wie Würmern, Insekten, Spinnen und Schnecken über Beeren und Früchte bis hin zu Sämereien und gelegentlich auch Abfällen reicht. In schreitendem Gang suchen die Vögel kurzrasige Flächen und Weiden nach brauchbarer Nahrung ab, wobei sie immer wieder den Schnabel tief in den Erdboden stoßen, öffnen und seitlich in den entstandenen Spalt hineinspähen, während sie um den Spalt herumkreisen. Dieses Verhalten nennt man "Zirkeln". Insekten werden auch im Flug erbeutet. Häufig nutzen die Stare Weidetiere als Ansitzwarte und warten darauf, dass die Hufe Kleintiere im Gras aufscheuchen.

Da Stare fast immer zu mehreren auftreten, sind Kirschbäume oder Weinstöcke zur Reife schnell um Teile der Ernte gebracht. In südlicheren Ländern werden Starenschwärme hierbei nach wie vor verfolgt und massiv bekämpft.

Futterstellen im Garten, die Stare gerne annehmen, müssen nach solchen Besuchen häufiger aufgefüllt werden. Interessant ist das dominante Verhalten der Stare am Futterhaus gegenüber anderen Kleinvogelarten. An Futtersilos oder Erdnussbehältern lässt sich gut beobachten, wie wendig die Vögel sind.


Bestandstrend, Gefährdung, Gefährdungsursachen

Das Verbreitungsgebiet des Stars reicht in einem breiten Streifen von Nordwest- und Westeuropa gen Osten bis nach Zentralasien, in südlicheren Regionen ist es lückig. In Nordamerika, Südafrika, Südaustralien und Neuseeland wurde die Art eingeführt.

Der gesamteuropäische Brutbestand wird auf 23 bis 56 Mio. Paare geschätzt, die Art gilt in Europa als nicht gefährdet, allerdings bei ungünstigem Erhaltungszustand. In Deutschland sind 2,3 bis 2,8 Mio. Brutpaare beheimatet.

In seinem europäischen Verbreitungsgebiet ist der Star Standvogel, Teilzieher und Kurstreckenzieher. Abhängig von der Lage des Brutgebietes können Stare auf dem Weg in mildere Gegenden bis zu 2000 km zurücklegen. In Deutschland überwinternde Stare stammen wahrscheinlich größtenteils aus Skandinavien und Osteuropa, während das Gros "unserer" Stare in den südlichen Mittelmeerraum und nach Nordafrika zieht und lediglich ein kleiner Teil der heimischen Brutpopulation die kalte Jahreszeit in milderen Regionen Deutschlands übersteht. Hauptüberwinterungsgebiete liegen in Großbritannien, den Niederlanden und Belgien sowie entlang der kontinentalen Atlantikküste in Nordfrankreich und Spanien, im Mittelmeerraum und Nordafrika.

Der Star ist in Deutschland sehr häufig und flächendeckend verbreitet. Seine Bestände weisen aber inzwischen in allen Regionen Deutschlands einen negativen Trend auf, wie die Analysen des Monitorings häufiger Brutvögel zeigen, das vom Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) koordiniert wird. Das sah lange Zeit ganz anders aus: Etwa ab der Mitte des 19. Jahrhunderts nahm der Brutbestand des Stars deutlich zu und weitete sein Areal aus. Als Gründe werden die Zunahme der landwirtschaftlich genutzten Flächen und die Ausweitung von Siedlungen in Verbindung mit der Urbanisierung des Stars, einhergehend mit einer Zunahme der Nistkasten- und Gebäudebruten, genannt. In den 1970er Jahre kehrte sich der Trend in Nordwest- und Nordeuropa um. Diese negative Entwicklung erfasste den Nordwesten Deutschlands etwa Anfang der 1990er Jahre, Ost- und Süddeutschland erst zur Zeit der Jahrtausendwende. In Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg steht der Star mittlerweile auf der Vorwarnliste bedrohter Arten. Die Gründe liegen in der Änderung landwirtschaftlicher Bewirtschaftungsweisen in Kombination mit Brutraumverlust.


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Informationen zum Thema:

Bauer H-G, Berthold P 1996: Die Brutvögel Mitteleuropas. Bestand und Gefährdung. Aula-Verlag, Wiesbaden.

Bergmann H-H, Helb H-W, Baumann S 2008: Die Stimmen der Vögel Europas. Aula-Verlag, Wiebelsheim.

Fünfstück H-J, Ebert A, Weiß I 2010: Taschenlexikon der Vögel Deutschlands - Ein kompetenter Begleiter durch die heimische Vogelwelt. Quelle und Meyer, Wiebelsheim.

Schäffer A, Schäffer N 2006: Gartenvögel - Naturbeobachtungen vor der eigenen Haustür. Aula-Verlag, Wiebelsheim.

www.dda-web.de
www.rspb.org.uk
www.stundedergartenvoegel.de


Beobachtungstipps zum Star

Auffälligstes Merkmal: Männchen dunkel grün-blau-violett schillernd, hellblaue Unterschnabelbasis, im Herbst weißes Perlmuster, das sich zum Frühjahr hin abnutzt; Weibchen rosa-weiße Unterschnabelbasis, im Frühjahr mehr helle Punkte im Gefieder als Männchen; Schnabel bei beiden Geschlechtern im Schlichtkleid dunkel, im Prachtkleid leuchtend gelb; Jungvögel graubraun, mausern schon bald ins Alterskleid

Wann: ganzjährig

Wo: offene, kurzrasige Flächen in der Nähe von Nistmöglichkeiten, z.hohe Bäume mit Höhlen, Starenkästen, Traufen

Was: Federkleider, Unterschied Männchen-Weibchen, Nahrungssuche, Reviergesang, bettelnde Jungvögel, Flugmuster und Verhalten von Schwärmen, Verhalten an Fütterungen



Bizarre Figuren

Außerhalb der Brutzeit leben Stare in Trupps und Schwärmen zusammen. Im Spätherbst kann man in den Durchzugs- und Überwinterungsgebieten der Stare beobachten, wie sich zum Aufsuchen der gemeinsamen Schlafplätze, beispielsweise in großen Schilfflächen, Trupps von wenigen Vögeln zu immer größeren Schwärmen zusammenschließen, bis manchmal mehrere Zehntausend Vögel in bizarren Formationen den Himmel verdunkeln. Jeder einzelne Star orientiert sich dabei an seinen Nachbarn und versucht, diesen zu folgen - ohne sich dabei zu nahe zu kommen. Untersuchungen haben ergeben, dass dabei maximal bis zu sieben neben einem Individuum fliegende Stare berücksichtigt werden. Hierdurch ergeben sich Zufallsfiguren, teilen und vereinigen sich die Schwärme. Wie auf ein unsichtbares Signal schießen die Vögel plötzlich gemeinsam zu Boden oder verschwinden wie über einen unsichtbaren Schlauch im Schilf (Video zum Schwarmflug von Staren in englischer Sprache unter http://www.youtube.com/watch?v=XH-groCeKbE).

Der Schlafplatzflug beginnt etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang und setzt an den traditionellen Rastplätzen so zuverlässig ein, dass Naturfreunde von weither anreisen, um das Spektakel zu beobachten. Besonders berühmt sind die dunklen Vogelwolken über Rom, wo die Stare in Bäumen mitten in der Stadt übernachten. Aufgrund ihrer hohen Individuenzahl ergeben sich daraus jedoch häufig Probleme durch Lärm oder Verschmutzung.

Es wird vermutet, dass der Flug im Schwarm zur Sicherheit der einzelnen Vögel beiträgt und Greifvögel möglicherweise auch durch die rasch wechselnden Flugrichtungen verwirrt werden.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 8/2011
58. Jahrgang, August 2011, S. 297-299
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de
Internet: www.falke-journal.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,80 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 49,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. September 2011