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ZOOLOGIE/1039: Vielfältige Würmer mit Stummelbeinen - Neue Stummelfüßer aus Costa Rica beschrieben (idw)


Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen - 08.01.2013

Vielfältige Würmer mit Stummelbeinen - Neue Stummelfüßer aus Costa Rica beschrieben



Dresden / Leipzig, den 08.01.2013. Wissenschaftler des Senckenberg Forschungsinstitutes in Dresden und der Universität Leipzig haben eine Reihe neuer Bestimmungsmerkmale für die bisher kaum erforschten Stummelfüßer aufgedeckt. Diese Merkmale erleichtern die Erforschung der generell als einförmig geltenden Lebewesen erheblich. Dies zeigt auch die Beschreibung einer neuen Art und Gattung aus Costa Rica. Die zugehörige Studie ist kürzlich im Fachjournal PLoS ONE erschienen.

© Ivo de Sena Oliveira und Georg Mayer, Universität Leipzig

Männchen der neuen Stummelfüßer-Art und -Gattung aus Costa Rica: Principapillatus hitoyensis.
© Ivo de Sena Oliveira und Georg Mayer, Universität Leipzig

Die Stummelfüßer (Onychophora) sind spezielle Tiere: Vereinfacht lassen sich die urtümlichen Lebewesen, die zu den Häutungstieren gehören als vielbeinige Würmer beschreiben. Eine Besonderheit der Stummelfüßer ist ihre wasserabweisende Haut, die ihnen ein samtartiges Aussehen verleiht und der sie ihren englischen Namen "velvet worms" verdanken. Unter Zoologen sind sie nicht zuletzt für ihre außergewöhnliche Jagdmethode bekannt, bei der sie ihre Beutetiere - meist kleinere Insekten - durch das Verspritzen eines klebrigen Schleims fangen.

Bisher sind weniger als 180 Arten der Stummelfüßer - hauptsächlich von der Südhalbkugel - bekannt. "Die Anzahl ist aber vermutlich sehr viel höher", meint Andreas Weck-Heimann vom Museum für Tierkunde der Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden. Denn bisher mangelte es an geeigneten Bestimmungsmerkmalen, um die seltenen Tiere zu klassifizieren.

Zusammen mit einem Wissenschaftlerteam aus Deutschland, Australien und Costa Rica hat sich nun Biologe Ivo de Sena Oliveira diesem Problem angenommen. "Wir haben eine Reihe von Merkmalen entdeckt, mit denen neue Onychophoren-Arten in Zukunft leichter und schneller identifiziert und beschrieben werden können", erläutert der Doktorand der Universität Leipzig und Erstautor der Studie. Zum Einsatz kam hierbei unter anderem das Rasterelektronenmikroskop der Senckenberg Natur-historischen Sammlungen Dresden.

Einfach machen es die zwischen 0,5 und 20 Zentimeter langen Tiere den Forschern nicht: Stummelfüßer sind nicht nur sehr schwer zu finden, sondern äußerlich auch kaum zu unterscheiden. "Wir hatten die neue Art aus Costa Rica, Principapillatus hitoyensis, über sieben Jahre in unserem Labor gezüchtet und insgesamt mehr als 1.000 Tiere untersucht, um Merkmale zu finden, die nicht innerhalb der Art variieren und somit für Artbeschreibungen genutzt werden können", erklärt Dr. Georg Mayer, Leiter der Arbeitsgruppe "Evolution & Entwicklung der Tiere" an der Universität Leipzig.

Neben anatomischen und zellbiologischen Untersuchungen setzten die Wissenschaftler bei ihren Studien auch molekulare Methoden ein, um zum einen den Stammbaum der Onychophora zu rekonstruieren und zum andern die artspezifische Anzahl der Chromosomen zu bestimmen. "Wir sind überzeugt, dass unsere Befunde dazu führen werden, dass die Artenvielfalt und die Stammesgeschichte der Stummelfüßer in Zukunft wesentlich effizienter und nach einheitlichen Standards erforscht werden können", meint Weck-Heimann.

Auch für die Paläontologie sind die kleinen Würmer mit Beinen von großem Interesse, da sie den ausgestorbenen Lobopodiern ähneln, die bereits vor über 540 Millionen Jahren die Urmeere bewohnten.

© Ivo de Sena Oliveira und Georg Mayer, Universität Leipzig

Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme einer Struktur mit bisher unbekannter Funktion von der Körperoberfläche der neuen Stummelfüßer-Art.
© Ivo de Sena Oliveira und Georg Mayer, Universität Leipzig

Publikation
Oliveira IS, Franke FA, Hering S, Schaffer S, Rowell DM, Weck-Heimann A, Monge-Najera J, Morera-Brenes B, Mayer G (2012) Unexplored Character Diversity in Onychophora (Velvet Worms): A Comparative Study of Three Peripatid Species. PLoS ONE 7: 12.

Die Erforschung von Lebensformen in ihrer Vielfalt und ihren Ökosystemen, Klimaforschung und Geologie, die Suche nach vergangenem Leben und letztlich das Verständnis des gesamten Systems Erde-Leben - dafür arbeitet die SENCKENBERG Gesellschaft für Naturforschung. Ausstellungen und Museen sind die Schaufenster der Naturforschung, durch die Senckenberg aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse mit den Menschen teilt und Einblick in vergangene Zeitalter sowie die Vielfalt der Natur vermittelt.

Mehr Informationen unter www.senckenberg.de.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution639

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, Judith Jördens, 08.01.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Januar 2013