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ZOOLOGIE/1315: Forscher wollen das Nördliche Breitmaulnashorn retten (idw)


Forschungsverbund Berlin e.V. - 03.05.2016

Forscher wollen das Nördliche Breitmaulnashorn retten


Im Dezember 2015 versammelte sich eine internationale Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Wien, um das drohende Aussterben des Nördlichen Breitmaulnashorns zu diskutieren und Möglichkeiten zu erörtern, wie dies verhindert werden kann. Die Ideen und Pläne dieses historischen Treffens erscheinen nun im internationalen Fachmagazin Zoo Biology. Die Veröffentlichung ist Teil der fortlaufenden Bemühungen, auf die Aussterbenskrise aufmerksam zu machen, welche die Nashörner und viele andere Arten bedroht. Ziel ist es, vor allem die Wissenschaftsgemeinschaft zu erreichen und so den Austausch und das Sammeln von Informationen voranzubringen.


Bild: © Joel Sartore

Das Nördliche Breitmaulnashorn Nabiré, ein 32-jähriges Weibchen im ZOO Dvůr Králové, starb leider am 27. Juli 2015.
Bild: © Joel Sartore

"Der Versuch, das Nördliche Breitmaulnashorn zu retten, erfordert neue Technologien, neue Ansätze und Problemlösungen, um dessen drohendes Aussterben zu verhindern", sagt Dr. Joseph Saragusty, Androloge am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin. "Nur durch das produktive Engagement eines internationalen multidisziplinären Expertenteams kann das ehrgeizige Ziel erreicht werden, das Nördliche Breitmaulnashorn vor seinem andernfalls sicheren Untergang zu bewahren."

Die Debatte rund um die Rettung des Nördlichen Breitmaulnashorns thematisiert Genetik und Zellbiologie, Wissenschaftsethik und die Bedeutung langfristigen strategischen Denkens sowie fortwährender Kommunikation. Ein Dreh- und Angelpunkt dieser Diskussion ist die Notwendigkeit, eine genetische Gewebebank mit eingefrorenem Gewebe, Spermien und Eizellen zu erhalten und diese als Material im Kampf gegen das Aussterben zu verwenden.

"Von dieser einzigartigen Nashornunterart wurde in San Diego und Europa genetisches Material in einer Kryobank eingefroren und aufbewahrt", sagt Dr. Oliver Ryder, Genetiker des San Diego Zoo Global. "Die genetischen Ressourcen in Form konservierter lebensfähiger Zellkulturen, Gewebe und Spermien, sowie die Möglichkeit, induzierte pluripotente Stammzellen herzustellen, sind die Grundlage unserer Hoffnung, eine lebensfähige Population Nördlicher Breitmaulnashörner entwickeln zu können."

Da ein wenig genetisches Material von Nördlichen Breitmaulnashörnern vorhanden ist, sieht die Expertengruppe moderne Reproduktionstechnologien als Hoffnung für die Zukunft der Art. "Es war ein langer Weg von der Idee zu dem Meilensteinplan, den wir in Wien entworfen haben. Ich bin froh, dass wir so viele kompetente Unterstützer in der Wissenschaftsgemeinschaft gefunden haben, die an die Anwendung moderner zellulärer und reproduktiver Technologien für die genetische Rettung der Nördlichen Breitmaulnashörner glauben. Jetzt müssen wir zeigen, dass diese neuartige Strategie etwas bewegen kann", sagt Prof. Dr. Thomas Hildebrandt, Leiter der Abteilung Reproduktionsmanagement am IZW.

Die letzten drei Nördlichen Breitmaulnashörner wurden 2009 aus dem ZOO Dvůr Králové in Tschechien nach Kenia ins Ol Pejeta Conservancy transportiert und leben seitdem dort. "Obwohl wir die Nördlichen Breitmaulnashörner in unserem Zoo aufziehen konnten, können sie sich aufgrund ihres Gesundheitszustandes leider nicht mehr natürlich fortpflanzen. Nun sind wir optimistisch, dass die in Wien entworfene innovative Forschung es den drei letzten Exemplaren ermöglichen wird, einen Nachkommen ihrer eigenen Art zu Gesicht zu bekommen", sagt Jan Stejskal, Direktor für Internationale Projekte des ZOO Dvůr Králové.

Neben dem Informationsaustausch über reproduktive Technologien diskutierte die Expertengruppe auch die ethische Frage, ob für die Rettung einer einzigen Art überhaupt Ressourcen verbraucht werden sollten. Die Forscher hoffen, dass die durch diesen Aufwand gesammelten Informationen und Erkenntnisse in Zukunft auch für die Rettung anderer vom Aussterben bedrohter Arten angewandt werden können.


Publikation:
Saragusty J1, Diecke S2, Drukker M3, Durrant B4, Friedrich Ben-Nun I5, Galli C6,7,8, Göritz F1, Hayashi K9, Hermes R1, Holtze S1, Johnson S10, Lazzari G6,8, Loi P11, Loring JF5, Okita K12, Renfree MB13, Seet S1, Voracek T14, Stejskal J15**, Ryder OA4*, Hildebrandt TB1* (2016): Rewinding the process of mammalian extinction. ZOO BIOL; DOI: 10.1002/zoo.21284.

* Diese beiden Autoren sind von gleichrangiger Seniorität
** Alle Co-Autoren, außer dem Erstautor und den beiden Seniorautoren, sind in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet

Zugehörigkeiten:
1. Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, Alfred-Kowalke-Straße 17, 10315 Berlin, Deutschland
2. Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, Robert Rössle Straße 10, 13125 Berlin, Deutschland
3. Institut für Stammzellforschung, Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Helmholtz Zentrum München, Ingolstädter Landstraße 1, 85764 Neuherberg, Deutschland
4. San Diego Zoo Institute for Conservation Research, 15600 San Pasqual Valley Road, Escondido, CA 92027, USA
5. Center for Regenerative Medicine, Department of Chemical Physiology, The Scripps Research Institute, 10550 North Torrey Pines Road, La Jolla, CA 92037, USA
6. Avantea srl, Laboratorio di Tecnologie della Riproduzione, Via Porcellasco 7/F, 26100 Cremona, Italien
7. Università di Bologna, Dipartimento Scienze Mediche Veterinarie, via Tolara di Sopra 50, 40064 Ozzano dell'Emilia, Italien
8. Fondazione Avantea, Via Angelo Cabrini 12, 26100 Cremona, Italien
9. Faculty of Medical Sciences, Kyushu University, Maidashi 3-1-1, Higashi-ku, Fukuoka 812-8582, Japan
10. San Diego Zoo Global, PO Box 120551, San Diego, CA 92112-0551, USA
11. Faculty of Veterinary Medicine, Univeristy of Teramo, Campus Coste San Agostino, 64100, Teramo, Italien
12. Center for iPS Cell Research and Application, Kyoto University, 53 Kawahara-cho, Shogoin, Sakyo-ku, Kyoto 606-8507, Japan
13. School of BioSciences, The University of Melbourne, Melbourne, Victoria 3010, Australien
14. Tiergarten Schönbrunn, Maxingstraße 13 b, 1130 Wien, Österreich
15. ZOO Dvůr Králové, Štefánikova 1029, 544 01 Dvůr Králové nad Labem, Tschechische Republik


Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) ist eine national und international renommierte Forschungseinrichtung der Leibniz- Gemeinschaft. Mit den Forschungszielen "Anpassungsfähigkeit verstehen und verbessern" untersucht es die evolutionären Anpassungen von Wildtierpopulationen und ihre Belastungen durch den globalen Wandel und entwickelt neue Konzepte und Maßnahmen für den Artenschutz. Dafür setzt es seine breite interdisziplinäre Kompetenz in Evolutionsökologie und -genetik, Wildtierkrankheiten, Reproduktionsbiologie und -management im engen Dialog mit Interessensgruppen und der Öffentlichkeit ein. Das IZW gehört zum Forschungsverbund Berlin e.V.
www.leibniz-izw.de

Das Ziel des San Diego Zoo Global ist es, Arten vor dem Aussterben zu bewahren. Die Arbeit des San Diego Zoo Global, welcher führend im Bereich Artenschutz ist, beinhaltet Vor-Ort-Artenschutzbemühungen (sowohl für Pflanzen als auch Tiere) im San Diego Zoo, San Diego Zoo Safari Park und San Diego Zoo Institute for Conservation Research sowie internationale Programme auf sechs Kontinenten. Die Arbeit dieser Institutionen wird Kindern durch das San Diego Zoo Kids network über das Internet und landesweit in Kinderkrankenhäusern zugänglich gemacht. Die Arbeit des San Diego Zoo Global wird ermöglicht durch die San Diego Zoo Global Wildlife Conservancy und zum Teil von der Stiftung des San Diego Zoo Global unterstützt.
www.sandiegozoo.org/sdzglobal/

ZOO Dvůr Králové ist seit den späten 1970er Jahren einer der weltweit wichtigsten Züchter afrikanischer Huftiere. Der Zoo widmet sich dem Schutz afrikanischer Wildtiere durch Anwendung von ex-situ und in-situ Methoden sowie durch Förderung der afrikanischen Kultur und des Wildtierschutzes. Vier Nördliche Breitmaulnashörner wurden im Zoo geboren. Im Jahr 2009 kollaborierte er mit seinen Partnern, um die vier Tiere ins Ol Pejeta Conservancy in Kenia zu überführen - in der Hoffnung, dadurch ihre Fortpflanzung zu begünstigen.
www.zoodvurkralove.cz/en/

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.izw-berlin.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution245

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Forschungsverbund Berlin e.V., Karl-Heinz Karisch, 03.05.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Mai 2016

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