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FORSCHUNG/316: Pflanzen passen sich gezielt und schnell an ihre Bestäuber an (idw)


Universität Bern - 22.04.2013

Pflanzen passen sich gezielt und schnell an ihre Bestäuber an

Pflanzen haben während der Evolution ihre Blüten verändert, um neue und passende Bestäuber anzulocken. Berner Pflanzenwissenschaftler haben nun einen Mechanismus entdeckt, wie Pflanzen dies in wenigen Generationen schaffen. Das Verständnis dieses Prozesses kann zu einem gezielten Schutz von bedrohten Arten beitragen.


Foto: © Alexandre Dell'Olivo.

Die weiss blühende «Petunia axillaris» mit Nachtfalter.
Foto: © Alexandre Dell'Olivo.

Pflanzen sind fest im Boden verankert und brauchen Hilfe, um sich fortpflanzen zu können. Mit ihren attraktiven Blüten locken sie Bestäuber an, die für die Übertragung des Pollens mit Nektar belohnt werden. Auf den jeweiligen Bestäuber ist aber nicht immer Verlass, weil zum Beispiel der Klimawandel die Populationen beeinflussen kann. Auch damit der Pollen nur innerhalb der gleichen Art übertragen wird, haben sich die Pflanzen im Verlauf der Evolution angepasst. Berner Forschende um Cris Kuhlemeier, Professor am Institut für Pflanzenwissenschaften, haben nun anhand von Petunien herausgefunden, wie diese Anpassung vor sich geht.

Wenige Mutationen haben grosse Auswirkungen

Den in Südamerika heimischen Petunien kommt ein besonderer Stellenwert in den Laboratorien für Pflanzenbiologie zu, da mehrere Arten existieren, die jeweils spezielle Merkmale in der Morphologie, beim Duft oder der Farbe der Blütenblätter aufweisen und entsprechend unterschiedliche Bestäuber anlocken. So sind beispielsweise die Blüten von «Petunia axillaris» weiss, absorbieren UV-Licht und duften stark in der Abenddämmerung. Sie werden von grossen Nachtfaltern (Motten) bestäubt. Die «Petunia exserta» dagegen blüht rot, reflektiert UV-Licht, duftet überhaupt nicht und wird durch Koli-bris bestäubt. Zudem ragen die Narben und Staubblätter weit über die Petunienblüte hinaus - ein besonderes Merkmal, das ebenfalls auf eine Anpassung an die Bestäubung durch Vögel hinweist.

Während früher die Auffassung herrschte, dass die Artbildung in vielen kleinen Schritten abläuft und Millionen von Jahren in Anspruch nimmt, wurden in den letzten Jahren immer mehr Fälle entdeckt, in denen die Artbildung durch nur wenige Mutationen mit grossen Auswirkungen ausgelöst wurde. Dies konnten die Berner Forschenden anhand der Petunie nachweisen: Das Team um Kuhlemeier kreuzte die mottenbestäubte Petunia axillaris mit der kolibribestäubten Petunia exserta und untersuchte die Nachkommen. «Wir konnten so zeigen, dass tatsächlich nur eine kleine Zahl von Mutationen den Unterschied zwischen der Nachtfalterblüte und der Kolibriblüte bestimmt», erklärt Kuhlemeier. Überraschend war jedoch, dass die für die Blütenfarbe, UV-Absorption, Duftbildung und das Aussehen der Petunienblüte verantwortlichen Gene ganz nahe beieinander auf dem gleichen Chromosom liegen und daher fast immer zusammen vererbt werden. Die Forschenden vermuten, dass die Evolution sogenannte gekoppelte Mutationen bevorzugt, weil damit die Bildung von Zwischenformen, die an keinen spezifischen Bestäuber angepasst sind, vermieden werden kann. Ein Zwischending wären etwa Pflanzen mit Blüten, die für keinen Bestäuber richtig tauglich, nicht attraktiv und somit nicht überlebensfähig sind.

Foto: © Alexandre Dell'Olivo.

Die rot blühende «Petunia exserta» mit Kolibri.
Foto: © Alexandre Dell'Olivo.

Die Pflanze und ihre Bestäuber gezielt schützen

«Das weltweite Bienensterben hat uns ins Bewusstsein gerückt, wie hoch die Abhängigkeit der Pflanzen von ihren Bestäubern ist», sagt Cris Kuhlemeier. Ohne Bienen seien ganze Arten vom Aussterben bedroht. Andere Arten wie etwa Petunia exserta, von der es nur noch einige hundert Pflanzen auf der Welt gibt, sind aus noch unbekannten Gründen bedroht. Entsprechend wichtig sei ihre Erforschung, um sie schützen zu können. Das Verständnis ihres Bestäubermechanismus trage nicht nur zum Schutz der Pflanzenart selbst, sondern auch des «richtigen» Bestäubers bei. «Hat man diesen Mechanismus bei einer Art verstanden, kann man die Ergebnisse auch auf andere Pflanzen und deren Bestäuber anwenden und so gezielt für einen Schutz dieser sensiblen Systeme eintreten», erklärt Kuhlemeier. Zudem könne man zukünftig den Pflanzen bei der Anpassung an einen neuen Bestäuber helfen, indem man diese Erkenntnisse bei Züchtungen berücksichtige. «Nicht zuletzt ist es auch wichtig, weil diese Ergebnisse etwas über die Evolution aussagen - zum ersten Mal wurden diese Gene, welche den Bestäubermechanismus bestimmen, bei Pflanzen gekoppelt nachgewiesen», sagt Kuhlemeier.

Bibliographische Angaben:
Katrin Hermann, Ulrich Klahre, Michel Moser, Hester Sheehan, Therese Mandel and Cris Kuhlemeier: Tight Genetic Linkage of Prezygotic Barrier Loci Creates a Multifunctional Speciation Island in Petunia. Current Biology, in print (DOI: 10.1016/j.cub .2013.03.069).


Weitere Informationen unter:
http://www.kommunikation.unibe.ch/content/medien/medienmitteilungen/news/2013/bestaeubung/index_ger.html

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http://idw-online.de/de/institution57

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Bern, lic. phil. Nathalie Matter, 22.04.2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2013