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KOMMENTAR/112: Fracking - Im Zweifel für die Industrie ... (SB)


Kann Trinkwasser durch Frackingaktivitäten kontaminiert werden?
Zur aktuellen Studie der amerikanischen Umweltbehörde EPA und ihrer Kunst, Fakten zu vermeiden


Schadet Fracking dem Trinkwasser? Für Frackinggegner und jene Betroffenen der amerikanischen Landbevölkerung, deren Trinkwasser in speziellen mobilen Behältern von Förderfirmen wie Cabot Energy manchmal aus eigenen Stücken, meist aber erst nach entsprechendem Druck durch Behörden oder Öffentlichkeit herangeschafft werden muß, weil das Wasser, das aus den Leitungen fließt, nach Erdöl schmeckt, ist dies überhaupt keine Frage. Bereits zu Beginn der Frackingära gab es Befürchtungen und Klagen von Anwohnern über Trink- und Grundwasserverunreinigungen, aber auch über Kopfschmerzen und andere Befindlichkeitsstörungen, die auf erhöhte Emissionen von organischen Verbindungen in der Umgebungsluft oder auf illegale Deponierung von Ölrückständen im Boden der Region zurückgeführt wurden. Selbst dramatische Erschütterungen wie die Explosion eines Hauses in Bainbridge, Ohio 2007, die nachweislich auf eine undichte Zementierung einer Schiefergasbohrung zurückgeführt werden konnten - mit der Folge, daß Gas in den Grundwasserleiter eindringen konnte, "Bumm" -, reichten nicht, um die Behörden wachzurütteln, diesen existentiellen Sorgen nachzugehen. [1] Die amerikanische Umweltbehörde (Environmental Protection Agency - EPA) brauchte schließlich fünf Jahre, um sich zu einer ultimativen Antwort durchzuringen, die am 4. Juni 2015 auf einer Pressekonferenz vorgestellt wurde und nun doch wieder an die berüchtigten Antworten von Radio Eriwan erinnert: "Im Prinzip ja ...", doch eigentlich "JEIN"!

Bereits im Vorfeld der längst überfälligen Studie wurde wissenschaftlichen Hinweisen zu dieser Frage nicht ausreichend nachgegangen, die zudem meist auf Eigeninitiative gewonnen wurden, wie die von Thea Colborn. [2] Sie konnte aufgrund eigener Probennahmen 2007 vor einem Ausschuß den ungesachgemäßen Umgang der Förderunternehmen mit gesundheitsgefährdenden Betriebsstoffen bestätigen. Laut der jüngsten Studie der Energy Watch Group [3] von Werner Zittel, "Fracking, eine Zwischenbilanz", hatte die Biologieprofessorin auf eigene Verantwortung bei entsprechenden Gelegenheiten Wasserproben genommen und analysiert. Darin konnte sie mehr als 100 toxische, biozide oder anderweitig gesundheitsgefährdende Substanzen nachweisen. Die Analyse veröffentlichte sie in ihrem Schreiben an die Behörde und in einer Zeitschrift. [4]

Erst im Jahr 2010 beauftragte schließlich das US-Repräsentantenhaus die nationale Umweltbehörde damit, die bisherige Umweltstudie von 2004, in der kein Risiko für die Kontamination von Grund- und Trinkwasser in Folge von Frackingaktivitäten gesehen wurde, zu überarbeiten und in einer neuen Studie die Risiken und das Gefährdungspotential hydraulisch stimulierter Bohrungen anhand des Monitoring konkreter Bohrungen realistisch herauszuarbeiten. Diese Studie sollte spätestens 2013 fertiggestellt werden und als Basis für künftige politische Regularien dienen. [5]

Bis heute zögerte die EPA die Veröffentlichung der Studie hinaus. Denn die letztgültige Antwort auf die Frage: "Ist das Trinkwasser in Gefahr oder nicht?", konnte und mußte zu Ungunsten künftiger US-Fracking-Vorhaben der milliardenschweren Gas- und Erdölindustrie in den Staaten ausfallen, will man die Wasserversorgung für Millionen von Amerikanern nicht gefährden.

Werner Zittel vermutet die Ursache des immer wieder hinausgeschobenen Veröffentlichungstermins darin, daß viele Studieninhalte mit der Kohlenstoffindustrie abgeklärt werden mußten, die sich ihre fast traditionelle Einflußnahme vorbehalten haben könnte. Zahlreiche Hinweise für eine offene Zusammenarbeit zwischen EPA und der fossilen Energiewirtschaft in der Vergangenheit sprächen dafür [3]. So wurde bereits 2005 mit der Verabschiedung des "Clean Energy Act" der Schutz von Trinkwasser und Gewässern bezüglich der Exploration und Förderung von Erdöl und -gas aufgehoben, da diese sich in größerer Tiefe abspielten. Davor hatten sich bereits laut Zittel die drei größten in die Schiefergas-Gewinnung involvierten Förderunternehmen (Halliburton, BJ Services und Schlumberger) mit der US-Umweltbehörde geeinigt, eine längst überfällige Umweltauflage zu erfüllen, nämlich auf Diesel als Injektionschemikalie zu verzichten. Im Gegenzug entfiel die Überwachungskompetenz der Umweltbehörden für sämtliche Frackingaktivitäten. Diese können nach diesem Schachzug bis heute nur noch eingreifen, wenn nachweislich gegen die Umweltauflage verstoßen wird, also weiterhin Diesel in der Injektionsflüssigkeit enthalten ist. Mit Dick Cheney - damals Vizepräsident der Bush-Administration - als maßgeblichem Wortführer in dieser Einigung, der durch finanzielle Bindungen an die Firma Halliburton ein eigenes Interesse daran hatte, Frackingaktivitäten den Weg zu ebnen, haben diese Machenschaften, die laut Zittel als "Halliburton Loophole" bzw. "-Gesetzeslücke" durch die Presse gingen, jedoch ein populäres Gesicht erhalten, womit die Beteiligung der EPA in den Hintergrund geriet. Denn auch die spätere, inzwischen zurückgetretene Chefin der EPA, Lisa Perez Jackson und der jetzige Energieminister Ernest Jeffrey Moniz hielten den eingeschlagenen Kurs im Wegbehaupten der Tatsache, Fracking könnte sich schädigend auf die Umwelt ausüben, selbst nach einschlägigen Nachweisen und Studien der eigenen Wissenschaftler bei. Die entscheidende Voraussetzung für die Sonderregelung im "Clean Energy Act", d.h. die Exploration und Förderung in großen Tiefen, wurde erst vor kurzem - unbeachtet von der US-Regierung und EPA - revidiert [s.u.].

Noch Anfang des Jahres sah es so aus, als würde die längst überfällige EPA-Studie zur Frage: "Kann Trinkwasser durch Frackingaktivitäten kontaminiert werden?", [6] eine weitere unendliche und schließlich bald ausgesessene Geschichte werden, die in absehbarer Zeit in den Archiven ungelöst verschwunden sein könnte. Denn nach Schätzungen vieler Experten, u.a. Werner Zittel und Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group, die das Thema im März dieses Jahres ausführlich auf einer Pressekonferenz in Berlin erläuterten, ist der Fracking-Boom in den USA längst vorbei. Die letzten Projekte sind in der Auslaufphase ... [3]

Das mag aber auch der eigentliche Grund sein, warum man die Studie, die den bisherigen Standpunkt der amerikanischen Obama-Umweltpolitik zumindest nach Ansicht von dem für seine unbestechliche und kritische Meinung ausgezeichneten amerikanischen Online-Magazin InsideClimate News komplett umkehrt, nun doch noch ungehindert kundgeben konnte. [7]

Danach habe die Studie nach Jahren gegenteiliger Behauptung nun offiziell besondere Umstände [im Wortlaut: "specific instances"] eingeräumt, unter denen es doch zu einer Beeinflussung von Trinkwasser-Ressourcen oder gar einer Verschmutzung von Trinkwasserbrunnen kommen könne. Ein strategisch geschickter Schachzug, wie sich herausstellt, wenn man die Aufnahme der Quasi-Nullaussage bei den Fracking-Kritikern betrachtet: Die Schlußfolgerung sei ein zentraler Punkt in dem immerhin tausend Seiten starken Beurteilungsentwurf, der am 5. Juni von der amerikanischen Umweltbehörde herausgegeben wurde, um der öffentlichen Sorge über mögliche Umweltschäden durch Fracking Rechnung zu tragen. "Die EPA habe nur bestätigt, was Gemeinden, die seit Jahren mit den Folgen der Frackingaktivitäten zu kämpfen hätten, schon lange beklagten: Fracking vergiftet das Trinkwasser", zitierte InsideClimate News die Vorsitzende der Umweltorganisation Earthworks, Lauren Pagel, "nun müßten auch endlich die Regierung, das amerikanische Repräsentantenhaus und sämtliche Staatsbehörden damit aufhören, das Märchen vom sauberen und sicheren Fracking zu verbreiten." [7] Der Inhalt der Studie reicht sicherlich nicht dafür.

Denn schon längst hat die EPA die Ruderblätter weit ausgestreckt, um mit dem nächsten Schlag kräftig zurückzurudern: Zum einen heißt es, die Anzahl der nachgewiesenen Fälle einer Umweltkontamination sei doch vergleichsweise zur Anzahl der Bohrlöcher nur gering. Und zum anderen gäbe es keine Beweise dafür, daß die gefundenen Voraussetzungen für eine mögliche Kontamination des Trinkwassers auch in jedem Fall zu einer systematischen Verschmutzung der Trinkwasserreserven in den Vereinigten Staaten geführt habe. Abgesehen davon, daß die amerikanische Öl- und Gasindustrie immer schon darauf bestanden hat, daß die nachgewiesene Wasserverschmutzung nichts mit Frackingaktivitäten zu tun hatte, greifen Industriegruppen wie "Energy in Depth" solche Beschwichtigungsformeln wie "das Fehlen der Beweise für eine systematische Wasserverschmutzung in den Vereinigten Staaten" sofort auf, um ihrerseits darauf hinzuweisen, daß die Furcht vor Fracking nach wie vor unbegründet sei, schreibt Neela Banerjee in ihrem Bericht auf InsideClimate News und zitiert einen beispielhaften Kommentar der Gegenseite:

With this new report, it couldn't be clearer that shale development is occurring in conjunction with environmental protection-and the claims by anti-fracking activists have been thoroughly debunked", wrote Katie Brown on Energy In Depth's website. [7]

[Die neue Studie macht es so deutlich wie nie zuvor, daß die Erschließung von Schiefergasfeldern in direktem Zusammenhang mit Umweltschutz zu sehen sei - und die Vorwürfe von Anti-Fracking Aktivisten wären damit eingehend als unbegründet entlarvt worden", schrieb Katie Brown auf der Energy In Depth Webseite. Übersetzung SB-Red.]

Auch das wirtschaftsnahe Schweizer Online-Journal CLEANTECH [8] interpretiert die EPA-Studie als Entwarnung. Die Studie zeige, wie weit verbreitet das Fracking in den USA sei. Täglich würden im Durchschnitt 5,67 Millionen Liter Wasser für Fracking genutzt, zwischen 2011 und 2014 seien allein 30.000 Frackingbohrlöcher in 25 Bundesstaaten geschaffen worden, und etwa 9,4 Millionen Amerikaner hätten zwischen 2000 und 2013 rund um 6800 Trinkwasserquellen gelebt, die sich in einem Umkreis von 1,6 Kilometern um ein Frackingbohrloch befunden haben. Das Blatt scheint den durchaus zu bestreitenden Umstand, daß dies von den Betroffenen überlebt wurde, bereits als Beweis dafür zu werten, daß sämtliche Frackingprozeduren "sicher und mit den im Sinne der Umwelt von den Behörden und der Branche definierten Rahmenbedingungen durchgeführt" werden.

Vertretern der EPA zufolge war die neueste Studie auch nicht dafür gedacht, eine umfassende und vollständige Liste aller Schadstoffeinleitung von Frackingprozessen in die Umwelt zu bieten. Allerdings gäbe es hierfür auch gar keine Grundlagen. Als Folge der 40jährigen unheiligen Allianz zwischen US-Regierung und Erdölindustrie und ihrer Befreiung von jeder kontinuierlichen Überwachung oder analytischen Begleitung [heute meist als Monitoring bezeichnet] bezüglich potentieller Emissionen ins Grund- oder Trinkwasser gibt es darüber bis heute keine offizielle Dokumentation oder so etwas wie Daten in einer Datenbank, auf die eine Studie im nachherein Zugriff nehmen könnte.

Schon deshalb erfüllt die neue EPA-Studie ihren von der Umweltbehörde selbst auf ihrer Webseite groß angekündigten Anspruch nicht:

The study will continue to use the best available science, independent sources of information, and will be conducted using a transparent, peer-reviewed process, to better understand any impacts associated with hydraulic fracturing. [9]

[Die Studie wird bei ihrer Fortführung die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und unabhängige Informationsquellen nutzen und sich durch ein transparentes, mit Peer Reviews abgesichertes Verfahren auszeichnen, um etwaige Umweltschäden, die mit Hydraulischer Fraktionierung zusammenhängen, besser zu verstehen. - Übersetzung SB-Red.]

Denn die beste unabhängige Forschung wäre durchaus imstande, die notwendigen Fakten zu liefern, wenn sie ein entsprechendes Monitoring bei aktuell laufenden Frackunternehmungen vornehmen würde. In dem jüngsten EPA Bericht läßt sich somit bestenfalls eine vielleicht mühevolle Patchwork-Arbeit erkennen, in der eher beiläufig auch einige Frackingunfälle und Wasserkontaminationen verarbeitet wurden, die zufällig von staatlichen Behörden untersucht und dokumentiert worden sind wie eine Bohrlochexplosion in Killdeer, North Dakota [9], nach denen aber nie systematisch gesucht wurde. Auch die von staatlichen Behörden erhobenen Daten oder Einschätzung zu Risiken der Kontamination durch potentielle Schadstoffeinträge, etwaiger Aus- oder Überflußereignisse in der Nähe von Bohrlöchern sind nach Aussage der EPA nur begrenzt und unzureichend vorhanden, um das Problem hinreichend zu erfassen. So räumt die Studie durchaus ein, daß sich darin nur die Spitze des Eisbergs abbilden ließe:

The spills occurred between January 2006 and April 2012 in 11 states and included 151 cases in which fracturing fluids or chemicals spilled on or near a well Pad. [...] "Due to the methods used for the EPA's characterization of spills, these cases were likely a subset of all fracturing fluid and chemical spills during the study's time period." [7]

[Die Kontaminationen ereigneten sich von Januar 2006 bis April 2012 in elf Staaten und beschränken sich auf 151 Fälle, in denen Frackingflüssigkeiten oder -chemikalien in der Nähe von Bohrlöchern verschüttet wurden. [...] "Den Methoden zufolge, die der EPA für die Einschätzung dieser Vorfälle zur Verfügung standen, scheint es sich dabei jedoch nur um einen kleinen Anteil aller nicht dokumentierten Vorfälle während dieses Zeitraums zu handeln." Übersetzung SB-Red.]

Angesichts der 30.000 Bohrlöcher aus dieser Zeit scheint diese Befürchtung noch reichlich untertrieben. Dennoch bleibt das rein statistische Fazit der Studie - ganz im Sinne der Erdölindustrie - dabei, daß sich der Schaden von einer Handvoll relevanter Ereignisse nicht auf die Großzahl der Frackingprojekte übertragen läßt, da sie gleichzeitig den Anspruch auf transparente, wissenschaftlich fundierte und von mit Kreuz- oder Doppelblindgutachten [Peer reviews] gesicherter Qualität erfüllen soll. Somit konnte die von Thomas Burke, Vizedirektor der EPA am 4. Juni 2015 abgegebene, entgegen früherer Aussage diametral entgegengesetzte Erklärung [10], "bei dieser Studie ginge es darum, wie man die Wasserressourcen am besten schütze und nicht darum, in wieweit Fracking "sicher oder nicht sicher" sei, kaum weniger standpunktlos ausfallen, da sie sowohl Frackinggegner wie Befürworter nach eigenem Gutdünken auslegen können. Radio Eriwan hätte es nicht diplomatischer ausdrücken können, als er seine Zuhörer beschwichtigte:

Fracking wird in den USA in einer Art durchgeführt, die keine weit reichenden, systematischen Auswirkungen auf Trinkwasservorräte hat. Tatsache ist, dass die Zahl von nachgewiesenen Auswirkungen auf das Trinkwasser relativ gering ist, wenn man sie mit der Gesamtzahl der Frackingvorhaben vergleicht. [8]

Um gleich darauf anzufügen, daß bei dem Vorgang, bei dem mit Chemikalien versetztes Wasser in den Untergrund gepreßt wird, um öl- oder gashaltiges Gestein aufzubrechen, durchaus nicht ausgeschlossen werden könne, daß das Trinkwasser in Mitleidenschaft gezogen wird:

Wasservorräte könnten in der Zukunft durchaus angegriffen werden. Und das müssen wir in Betracht ziehen. [8]

Im gleichen Sowohl-als auch-Tenor räumt die Studie selbst ein, daß die vergleichsweise nur kleine Anzahl der relevanten Vorfälle nicht allein darauf zurückzuführen sei, daß es nur so wenige Vorfälle gegeben habe, sondern weitere, die Datenlage begrenzende Faktoren in Betracht gezogen werden müßten, wie ein Mangel an umweltrelevanten Trinkwasseranalysen vor-, während und nach den Frackingeinsätzen, das weitere Fehlen von Langzeituntersuchungen sowie die absolute Unzugänglichkeit von firmeninternen Informationen vor allem über Unfälle und andere umweltrelevante Ereignisse. Offenbar hatte die EPA die Erhebung solcher Daten geplant, konnte sie aber an Ort und Stelle nicht durchführen, da sämtliche Bemühungen diesbezüglich von den Vertretern der Öl- und Gasindustrie durchkreuzt wurden. Auch von Seiten der Obama-Regierung habe es keine Unterstützung gegeben. Dies sei einer der Gründe, warum die Studie so lange gedauert habe, schreibt InsideClimate News.

Das traurige Resümee ist daher, daß keine neuen, geschweige denn die versprochenen "umfassenden" empirischen Daten zu den Folgen des Fracking vorgewiesen werden können. Längst bekannte und x-mal durchgekaute Untersuchungen sowie vorliegende wissenschaftliche Studien, Erkenntnisse und Hypothesen darüber werden allerdings noch einmal "umfassend" aufgewärmt.

Die Studie sei sehr ausführlich im Hinblick auf die Referenzliste, meinte auch Robert Jackson, Professor für Umwelt und Energie der Stanford Universität, der selbst Auswirkungen des Fracking untersucht, gegenüber InsideClimate News, zu weniger ausführlich sei sie jedoch, was die eigene Forschung betrifft. Eine größere Datenmenge, auf die verzichtet wurde, hätte der Qualität der Studie gut getan. Das sei für ihn die größte Enttäuschung:

They didn't do prospective studies, they didn't do well monitoring, they didn't do much field research. I don't feel like we have a lot of new information here. [7]

[Es gibt keinen vernünftigen Versuchsplan, es wurde kein Bohrloch-Monitoring durchgeführt, es gibt kaum so etwas wie breiter angelegte Feldforschung. Meines Erachtens können so keine neuen Erkenntnisse gewonnen werden. - Übersetzung SB-Red.]

Während Befürworter wie die Erdöl- und Erdgasindustrie einen Schlußstrich bei der Aussage ziehen, die wichtigste Erkenntnis der Studie läge darin, "dass die Kontaminierung des Wassers durch Fracking nicht weit verbreitet ist" [8] und darin einen Freibrief für künftige Aktivitäten sehen, fühlen sich auch kritische Leser durchaus noch in einigen Punkten in ihren Befürchtungen ernst genommen, da der Bericht zumindest die möglichen Kontaminationsrisiken bei jedem Frackingschritt aufzeige: Angefangen von der Beschaffung der gewaltigen Wassermengen, die für Frackingvorhaben benötigt werden, über das Beimengen der für Frackingvorhaben notwendigen Chemikalienmischungen, über die Injektionen in den Untergrund während der "hydraulischen Fraktionierung" bis zur Handhabung des Flowbacks, des generierten Brauch- und Lagerstättenwassers, das mit den fossilen Energieträgern hochgepumpt wird, werden mögliche Gefährdungen genannt. Das alles ist jedoch nichts Neues.

Darüber hinaus werden von der Studie auch Erkenntnisse über Frackinggefahren und -risiken bestätigt, die unabhängige Forscher in den letzten fünf Jahren mit "ordentlicher wissenschaftlich-anerkannter Forschung" gewonnen haben: So werden etwa eine große Anzahl von Chemikalienunfällen auf Bohrplätzen in Colorado angeführt, die nachweislich ungehindert bis in den Grundwasserspiegel durchsickern konnten. Des weiteren bestätigt sie die Methangasmigration durch Frackingaktivitäten in die Trinkwasserreservate bzw. Brunnen in Pennsylvania, aus denen die örtliche Bevölkerung ihr Trinkwasser bezieht. Einen weiteren Sonderfall für die Trinkwassergefährdung wird im Westen der Staaten erkannt, in denen die Wasseradern, die zur Trinkwassergewinnung genutzt werden, taschenartige Formationen bilden, die sich mit den gefrackten oder für weitere Frackvorhaben vorgesehenen Schiefergasvorkommen kreuzen.

Diese durchaus gravierenden Fakten, nach denen, wenn es denn tatsächlich um Sicherheit und Vertrauensbildung bei der Bevölkerung ginge, jedes weitere Frackingvorhaben als ein zu großes Risiko betrachtet werden müßte, fallen im Fazit der Studie kaum ins Gewicht. Andere ebenfalls maßgebliche Forschungen wie die von den Stanford-Wissenschaftlern Robert Jackson und Dominic DiGiulio, die bereits während einer Konferenz im letzten Jahr nachweisen konnten, daß die Schiefergasförderung der Öl- und Gasunternehmen oft in sehr viel größerer Oberflächennähe erfolgt als von diesen gemeinhin behauptet, und somit schon von daher die Gefährdung für unterirdische Wasseradern sehr viel größer als bisher angenommen ist, wurden in der EPA-Studie ebenso wenig berücksichtigt wie die laufenden Ergebnisse einer Forschung, deren Bericht kurz nach der EPA-Veröffentlichung im Fachblatt "Environmental Science & Technology" erschien. [11] Darüber schrieben die InsideClimate News sowie die deutsche Webseite Klimaretter.info. [12]

Wissenschaftler von der University of Texas in Arlington unter der Leitung von Prof. Zacaria Hildenbrand hatten hier Proben aus 550 Wasserquellen im Barnett Shale gezogen, einer geologischen Formation von Dallas (Texas), in der sehr intensiv Schiefergas mit Hilfe von Fracking gefördert wird. In einer der größten unabhängigen Analysen der Wasserqualität in einem Frackinggebiet wurden in mehr als zwei Drittel aller Proben flüchtige organische Substanzen wie Benzol, Toluol, Ethylbenzol und Xylol gefunden, die als außerordentlich gesundheitsgefährdende Stoffe unter dem Acronym BTEX klassifiziert werden und nicht im Trinkwasser enthalten sein dürfen. Benzol gilt in hohem Maße als krebserregend. Die weiteren Stoffe können die Leber schädigen oder zu schweren persistierenden Nervenschäden führen, weshalb sie nur unterhalb des Toleranzwertes von 0,003 mg/l im Trinkwasser vorkommen dürfen. Daneben konnte das industrielle Lösungsmittel Dichlormethan in 121 Proben, d.h. in mehr als 20 Prozent aller untersuchten Brunnen, identifiziert werden. Dichlormethan ist ein ebenfalls krebserregendes Kontaktgift, das bereits über die Haut aufgenommen zu Vergiftungserscheinungen wie Kopfschmerzen, Schwindel, Appetitlosigkeit oder bei höheren Konzentrationen zu Bewußtlosigkeit führen kann. Die gefundene Häufung und die Tatsache, daß die Schadstoffkonzentration bei den Proben mit der Entfernung von Frackingbohrstellen kontinuierlich abnehme, sei laut dem Hauptautor der Studie schon ein sehr eindrücklicher Hinweis darauf, daß sie mit Fracking zusammenhingen, auch wenn man diese Korrelation nicht direkt herstellen könne.

Die offensichtliche Ignoranz und mangelnde Berücksichtigung solch kritischer Hinweise in der fraglichen EPA Studie läßt nur die Schlußfolgerung zu, daß die amerikanische Umweltbehörde auch bei zukünftigen Frackingaktivitäten bereit ist, alle verfügbaren Augen zuzukneifen. Indem man die Frackinggegner durch die teilweise kritische Kurskorrektur beschwichtigen konnte, hält sich die EPA damit möglicherweise sogar den Rücken frei.


Anmerkungen:


[1] Report on the Investigation of the Natural Gas Invasion of Aquifers in Bainbridge Township of Geauga County, Ohio, Ohio Department of Natural Resource, Division of Mineral ResourcesManagement, September 2008, siehe
http://s3.amazonaws.com/propublica/assets/natural_gas/ohio_methane_report_080901.pdf

[2] Written testimony of Theo Colborn, PhD, President of TEDX, Paonia, Colorado before the House Committee on Oversight and Government Reform, hearing on The Applicability of Federal Requirements to Protect Public Health and the Environment from Oil and Gas Development, October 31, 2007. Siehe
http://s3.amazonaws.com/propublica/assets/natural_gas/colburn_testimony_071025.pdf

[3] Werner Zittel, "Fracking - eine Zwischenbilanz", März 2015
http://energywatchgroup.org/wp-content/uploads/2015/03/EWG-Fracking_2015.pdf

Ein Bericht und Interviews zur Vorstellung der Studie in Berlin finden Sie unter Umwelt → Report:

BERICHT/097: Trümmertief - Wirtschaftswetten, Fehlerketten ... (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0097.html

INTERVIEW/176: Trümmertief - Widerstand auf gutem Grund ...,    Andy Gheorghiu im Gespräch (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0176.html

INTERVIEW/178: Trümmertief - der Griff daneben ...,    Dr. Werner Zittel im Gespräch (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0178.html

[4] Natural Gas Operation from an Public Health Perspective, Th. Colborn, C. Kwiatkowski, K. Schultz, M. Bachran, Human and Ecological Risk Assessment, 17, 1039-1056, 2011, siehe
http://cogcc.state.co.us/rR_HF2011/CommentDocs/Environmental/TEDX_disclosure_statement.pdf

[5] EPA's Study of Hydraulic Fracturing for Oil and Gas and Its Potential Impact on Drinking Water Resources, Study Plan, siehe
http://yosemite.epa.gov/opa/admpress.nsf/bd4379a92ceceeac8525735900400c27/57d665864627766f852578b8005c8813!OpenDocument

[6] http://insideclimatenews.org/news/02032015/can-fracking-pollute-drinking-water-dont-ask-epa-hydraulic-fracturing-obama-chesapeake-energy

[7] http://insideclimatenews.org/news/05062015/fracking-has-contaminated-drinking-water-epa-now-concludes

[8] http://www.cleantech.ch/trend/news/2015/06/05/umweltbehoerde-gibt-entwarnung-bei-fracking/

[9] http://www.lcsun-news.com/las_cruces-news/ci_28284292/letters-june-10

[10] Auf einer Pressekonferenz vor fünf Jahren anläßlich des Starts der Studie auf Geheiß des amerikanischen Repräsentantenhauses war noch eine kritische Einschätzung der Methodensicherheit vor allem für das Trinkwasser als erstes Ziel der Studie erklärt worden: Darüber hinaus solle die Studie für die amerikanische Bevölkerung das nötige Vertrauen schaffen, daß ihr Trinkwasser rein und und nicht mit Chemikalien kontaminiert sei.

[11] http://pubs.acs.org/journal/esthag

[12] http://www.klimaretter.info/forschung/nachricht/19047-studie-fracking-vergiftet-trinkwasser
und
http://insideclimatenews.org/news/19062015/near-fracking-center-drinking-water-has-more-chemicals-and-carcinogens-barnett-shale-texas-epa-oil-gas

7. Juli 2015


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