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LABOR/068: Eine kleine Seifenblasenblubberologie - Teil 2 (SB)


SCHABERNACK UND EXPERIMENTE FÜR HOBBYALCHIMISTEN

Warum Seifenblasen schillern und Christbaumkugeln nicht


In einem modernen weihnachtlichen Märchen von Birge Laudi beginnt das kleine Mädchen Hannah am Tag vor Heiligabend in einem Anfall von namenloser Langeweile Seifenblasen aus einem Röhrchen zu pusten. Diese erstarren - bar jeder erkennbaren Logik im hier einmal kurz wiedergegebenen Weihnachtszauberwunder:

...immer dichter wirbelte inzwischen der Schnee vor dem Fenster. Packte die Welt in eine friedliche, watteweiche Stille, eine Stille, die sich auf alles legte, die bis ins Wohnzimmer zu Hannah auf dem Fußboden drang...

Silbernes Licht breitet sich dann auch noch aus und der kleine Bruder übt im Zimmer nebenan sein Flötenspiel "Oh Tannenbaum" schließlich zu Glaskugeln. Ein "richtiges Seifenblasenweihnachtswunder" sei das, meint der Bruder, welches die Familie gemeinsam und sehr vorsichtig mit Hilfe von "unsichtbaren Fäden" an den noch ungeschmückten Weihnachtsbaum baumelt, ohne eine einzige der zarten Schwebekugeln dabei zu zerbrechen...

"Humbug!" (d.h. völliger Blödsinn) würde da der alte, alljährlich in der Charles Dickens'schen Weihnachtsgeschichte aufs Neue zu läuternde Geizhals "Scrooge" von sich geben. Und diesmal hätte er auch wirklich recht. Seifenblasen und Kugeln aus gewöhnlichem Glas haben tatsächlich nicht besonders viel gemein. Sie sehen genaugenommen nicht einmal besonders ähnlich aus. Nur die Bereitschaft der Menschen, sich verzaubern zu lassen, scheint gerade zu Weihnachtszeit zuzunehmen und tatsächlich finden besonders irisierende Christbaumkugeln in allerlei Coleur oder auch Kugeln mit verspiegelter Seifenblasenoptik in den Weihnachtsbasars alle Jahre wieder reißenden Absatz. Warum sie aber schillern oder glitzern, fragt keiner, Hauptsache doch, sie tun es...

Um aber echte Glaskugeln herzustellen, die dem klassischen Seifenfilm analog oder auch nur ähnlich wären (inzwischen mittels moderner Verfahren aus dem Bereich der Nanotechnologie durchaus machbar), müßte eine Glasschicht sehr geringer Dicke (kleiner als 1.000 Nanometer) hergestellt werden, in die gewöhnliche Luft eingeschlossen ist. Fraglos wäre keine solche Kugel bruchbeständig genug, die Dekorationsarbeiten zu überstehen. Darüber hinaus wären sie immer noch starre Gebilde, während das Farbspiel der schillernden Seifenblasen u.a. auch auf das beständige "Wabern oder Wobbeln" des Seifenfilms zurückgeht. Zudem bestehen Gläser (auch wenn sie noch so hauchdünn sind) aus nur einer Schicht.

Damit also die wesentlich dickeren und festeren Christbaumkugeln tatsächlich so schillern wie Seifenblasen, muß eine Menge Aufwand getrieben werden, wobei immer noch fraglich bleibt, ob dieser der Illusion genügt.

Reine mundgeblasene Glaskugeln sind nämlich immer noch höchst zerbrechlich, aber auch viel zu dick, um das irisierende Farbschillern einer Seifenblase wiederzugeben, welches rein physikalisch betrachtet bei dem schillernden Seifenschaumgebilde seiner Doppelmolekülschicht geschuldet sein soll. D.h. die Wand einer Seifenblase besteht aus zwei extrem dünnen Schichten und einem schmalen, nur etwa einem Molekül breiten Zwischenraum. Auf diese Weise entsteht eine Art "doppelter Spiegel", den Physiker folgendermaßen erklären:

Der auf die Seifenblase treffende Lichtstrahl soll zunächst an der äußersten Schicht und dann ein zweites Mal an der Oberfläche der inneren Schicht reflektiert werden. Das meiste Licht geht zwar hindurch, d.h. etwa 96 Prozent, doch 4 Prozent Reflexion reichen für das irisierende Farbspiel aus. Die 2. Reflexion (ebenfalls nur ein kleiner Teil an der Innenschicht) legt einen minimal längeren Weg zurück, was im optischen Fachchinesisch als "Gangunterschied" bezeichnet wird. Es kommt so zu einer Überlagerung der beiden reflektierten Strahlen, wobei man zur weiteren Erklärung des Geschehens die Wellennatur des Lichts bemühen muß.

Licht soll sich bekanntlich aus verschiedenen Wellenlängen zusammensetzen: Die sichtbaren, sogenannten Spektralfarben (die Regenbogenfarben) haben alle verschiedene, aber sehr kurze Wellenlängen zwischen 4 und 8 zehntausendstel Millimeter.

Ist der Gangunterschied der beiden reflektierten Lichtstrahlen von beispielsweise Rot gerade so groß, daß die reflektierten Wellen bei der Überlagerung genau entgegengesetzt schwingen (also ein Wellental des ersten Strahls auf den Wellenberg des zweiten Strahls trifft), löschen sie sich gegenseitig aus. D.h. dem refektierten Licht der Seifenblase fehlt Rot. Ein Betrachter nimmt statt dessen nur die Komplementärfarbe (Ergänzungsfarbe) Blaugrün wahr.

Seifenblasen wobbeln unentwegt, d.h. die Moleküle in der Wand schwimmen, tropfen gewissermaßen herunter, und machen den Seifenfilm somit an einer Stelle dünner, während sie ihn an anderer Stelle verstärken, und das in ständigem Wechsel. Auf diese Weise verändert sich der gerade beschriebene Gangunterschied, womit man wiederum das zauberhafte "Schillern" der Seifenblasen erklärt. Seifenblasen können das. Ein Ölfilm auf einer Pfütze tut es auch, aber Christbaumkugelgläser sind gewöhnlich einfach zu dick dafür.

Selbst feine innere Beschichtungen aus extrem dünnen und transparenten Metallschichten, die mittels komplizierter Methoden wie "Ionenstrahlimplantationszerstäubungs-Verfahren" (um nur ein Beispiel zu nennen) aufgebracht werden, können zwar einen Gangunterschied eine Interferenz und somit auch einen irisierenden oder schillernden Effekt erzeugen, der an Seifenblasen erinnert. Doch etwas fehlt und läßt sich auch nicht künstlich simulieren, das "Wobbeln und Wabern" nämlich.

Um hier der möglichen Frage vorzugreifen, was zuerst da war, die Seifenblase oder die Christbaumkugel, sei angemerkt, daß Seifenblasen erst in jüngster Zeit dem Weihnachtsschmuck Pate gestanden haben. Ursprünglich sollen die gläsernen Kugeln aus der Not und Armut eines Glasbläsers erfunden worden sein, der damit eigentlich den traditionellen Weihnachtsbaumschmuck nachahmen wollte. Dieser soll sich nach aktuellen Erkenntnissen der Forschung aus dem Paradiesbaum entwickelt haben, der bei mittelalterlichen Paradiesspielen am 24. Dezember verwendet wurde. Der Paradiesbaum wurde vor allem mit Äpfeln geschmückt, aber auch mit Backwaren und bunten Blüten aus Papier. Beim Weihnachtsbaum kamen dann noch weiteres Zuckerwerk und Nüsse dazu, die später auch gerne vergoldet oder versilbert wurden. Der erste gläserne Christbaumschmuck wurde seit der Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem durch Heimarbeiter in Thüringen angefertigt. Farbige Kugeln aus Glas für den Christbaum herzustellen, so will es die Legende, hat ein armer Lauschaer Glasbläser erfunden, der sich im Jahr 1847 die teuren Walnüsse und Äpfel nicht leisten konnte. Wo auch immer man diese Geschichte findet, heißt es weiter:

Belegen lässt sich diese Geschichte nicht; das Rohmaterial musste in jedem Fall von einer Glashütte bezogen werden und war jedenfalls nicht umsonst. Erhalten ist das Auftragsbuch eines Glasbläsers, in dem 1848 zum ersten Mal ein Auftrag über sechs Dutzend "Weihnachtskugeln" in verschiedenen Größen vermerkt ist. Sie wurden also nicht für den eigenen Baum hergestellt.
(aus: Wikipedia)

Nun ja, aber auch ein Szenario, daß teueres Rohmaterial vorhanden, aber das nötige Bargeld fehlte, läßt sich noch in der heutigen Zeit nachvollziehen...

Bleiben wir jedoch bei preiswerten Seifenblasen und ihrer Geschichte, so gibt die folgende Rezeptur, eine der ersten Seifenblasenlösungen wieder, die "garantiert" besonders schön schillern, da der Seifenanteil hier von besonders gleichförmigem "Natriumoleat" also reiner verseifter Ölsäure gebildet wird.

Seifenlösung für Schillerblasen von Joseph Antoine Ferdinand Plateau 1801-1883:

* 12,5 g Natriumoleat
* 500 ml destilliertes Wasser
* 300 ml Glycerin (85%)

Natriumoleat und Wasser einen Tag unter häufigem Rühren (besser noch Magnetrührer, bei vorhandener Chemielaborausrüstung) lösen, dann das Glycerin dazu geben und das Gemisch zusammen eine Woche stehen lassen. Anschließend vorsichtig die klare Lösung abschöpfen. Die Lösung luftdicht in kleinen Gefäßen aufbewahren und möglichst bald zu Seifenblasen "verarbeiten", denn die Mischung ist äußerst empfindlich bei Licht und Luft.

Diese Mischung ist eher zäh und damit nicht tauglich für extrem große Blasen. Doch damit beschäftigen wir uns im dritten Teil dieser kleinen Seifenblasenblubberologie ...

Fortsetzung folgt

22. Dezember 2011