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RATGEBER/202: Kinderfragen (13) Warum der Himmel himmelblau ist (SB)


KINDERFRAGEN 13

Warum ist der Himmel blau?

Chemie, wo man sie am seltensten erwartet


Mit dieser Frage wurden schon viele Eltern, Chemie- oder Physiklehrer von ihren Schülern oder Nachkommen gelöchert, oder mit der noch ausgebuffteren Variante: Warum ist der Himmel nicht rot?

Viele Antworten wurden darauf schon gegeben, ohne daß die Lösung so eingeleuchtet hätte, daß wir sie für immer verstehen und im Kopf behalten konnten. Denn sieht man sich erneut mit der Frage nach dem Himmelblau konfrontiert, dann scheint alles, was man bisher über den Wellencharakter des Lichts wußte oder begriffen zu haben schien, nicht mehr hinzureichen, um diese vermeintlich einfachen Zusammenhänge kindersicher darzulegen.

Dabei klingt die physikalisch/chemische Antwort auf die Eingangsfrage gar nicht so kompliziert: Jeder chemische Stoff hat eine Vorliebe dafür, bestimmte Wellenlängen des Sonnenspektrums (manchmal eine, manchmal mehrere) zu absorbieren. Das kurzwellige blaue Licht wird von den Luftmolekülen (Wasser, Stickstoff, Sauerstoff, Kohlenstoffdioxid und verschiedene Edelgase) insgesamt eher reflektiert, d.h. zurückgeworfen, als das längerwellige Rot, das von manchen Luftmolekülen absorbiert, d.h. verschluckt und dann etwas verzögert wieder freigesetzt wird.

Das führe dazu, sagen die Physiker, daß der Himmel immer etwas stärker von blauem Licht durchflutet ist, als von den anderen Spektralfarben. Und das ist der konventionellen Theorie nach eigentlich schon alles.

Dennoch stellt einen die Antwort nur bedingt zufrieden. Schließlich wird das rote Licht, nach einer kurzen, kaum wahrnehmbaren Frist in den lichtschluckenden Teilchen wieder freigesetzt und trifft wie u.a. die spürbare Wärme (Infrarot) auf der Erdoberfläche auf. Und auch die anderen Farben im Spektrum des sichtbaren, weißen Lichts, die nicht mit den Luftmolekülen reagieren, sind weiter in der Luft vorhanden. Der Anteil des violetten Lichts, die kürzeste Wellenlänge des sichtbaren Lichtspektrums, ist beispielsweise ebenso stark vertreten und mit optischen Hilfsmitteln meßbar wie das Blau.

Das alles erklärt aber immer noch nicht das Blau bzw. Himmelblau, das wir wahrnehmen können. Dazu kommt, daß die Theorien der Absorbtion der einzelnen Spektralbereiche letztlich nur mit optischen Instrumenten überprüft werden können, besser gesagt am Ende doch mit dem menschlichen Auge in seiner zum Zwecke der Wahrnehmung ganzen Unvollkommenheit.

So hat das Auge nur drei verschiedene Farbrezeptoren, die jeweils für einen unterschiedlichen Bereich des Regenbogenspektrums zuständig sind. Und schließlich kommt es noch darauf an, was das Gehirn als letztes Organ der Widerspiegelung des Lichtes aus den unterschiedlichen Reizen der drei Rezeptoren macht, um einen Farbeindruck herauszufiltern oder auch hineinzuinterpretieren. Da das individuelle Bild, das jeder sieht oder empfindet, nicht mit neutralen Methoden überprüfbar ist, die Definition dieser Gehirnzuckung sprachlich aber für alle mit dem gleichen Begriff "himmelblau" festgelegt wurde, befinden wir uns hier auf sehr willkürlichem und spekulativem Terrain und in einem wohl dauerhaften Dilemma, wo sich eins mit dem anderen und umgekehrt erklärt.

Zwar konnte nachgewiesen werden, daß das Gehirn die Wellenlängen des sichtbaren Lichts, die die Rezeptoren beim Betrachten des Himmels übermitteln, in der gleichen Weise beantwortet wie das Betrachten einer farbigen Fläche, die sich aus einer Kombination von reinem Blau mit reinem Weiß zusammensetzt. Doch das ist schließlich auch genau das, was wir sehen, wenn wir in den Himmel blicken.

Die Frage, ob tatsächlich irgendwelche Reaktionen zwischen Licht und Luft die entsprechenden Reize für unsere Rezeptoren bilden oder sich das Gehirn diesen himmelblauen Eindruck aus den eintreffenden Reizen einfach nur selbst zusammenreimt, bleibt immer noch offen.

So läßt sich die Kinderfrage genaugenommen auch nicht beantworten, selbst wenn die theoretische Chemie und Physik den gegenteiligen Eindruck vermitteln wollen und die Verantwortung für ihre Erlärungslücken an andere Disziplinen wie Medizin und Psychologie übereignen.

5. April 2007