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RATGEBER/204: Tee kann Medikamentenfreisetzung verzögern (SB)


Schluß mit dem Gerücht, ...

...daß Tee nur ein harmloser Wasseraufguß ist

Legenden und Tatsachen über die Wirkungen des Tees


In China war der Tee schon im 3. Jahrhundert vor Christus bekannt. Im 8. Jahrhundert nach Christus gelangte er erst nach Japan und wurde dort so beliebt, daß die Bereitung sowie der Genuß von Tee im 15. Jahrhundert auf der Grundlage des Zen-Buddhismus zur japanischen "Tee- Zeremonie" ausgebaut wurden. Kein Wunder, daß das Gerücht, wie es überhaupt zur Entdeckung des Tees kam, eine noch viel ältere Geschichte ist. So wissen wohl die wenigsten, daß der Tee einer Legende zufolge auf den Mönch Bodhidharma zurückgehen soll. Dieser sei während der Meditation einmal eingeschlafen. Voller Reue schnitt er sich danach seine Augenlider ab und warf sie zu Boden. Aus jedem Augenlid sproß ein Teestrauch hervor. Bodhidharma kostete von den Blättern und verspürte daraufhin eine seltsame Heiterkeit und neue Kräfte...

Daß die anregende Wirkung des Tees auf das im Tee enthaltene Coffein zurückgeht, ist inzwischen hinlänglich bekannt. Doch nicht immer stimuliert es das Zentralnervensystem. So nutzen viele auch gerne die Möglichkeit, daß die ebenfalls im Tee enthaltenen Gerbstoffe oder Polyphenole (Theanine), die erst nach längerem Aufbrühen (bis 5 Min.) aus den Teeblättern herauskommen, die Aufnahme des Coffeins und damit die anregende Wirkung des Tees wieder vermindern können. Je nach Aufbrühzeit kann man aus den gleichen Blättern einen Muntermacher oder einen Magen-Darm beruhigenden Gesundheitstee zubereiten, der einen dann auch nicht mehr am Schlafen hindert.

Weniger bekannt ist hingegen, daß die Gerbstoffe im Tee auf ähnliche Weise auch die Wirkstoff-Freigabe bei anderen Medikamenten verzögern können. So sollten beispielsweise Antidepressiva nicht zusammen mit schwarzem Tee eingenommen werden. Die Gerbstoffe des Tees binden die Arzneimittel gegen Depressionen und psychische Erkrankungen, so daß sie schlecht über den Darm aufgenommen werden können. Dadurch könne die Wirksamkeit laut "Pharmazeutische Zeitung" um bis zu 80 Prozent verringert werden.

Auch die Aufnahme bestimmter Eisenpräparate kann durch Tee in Verzug geraten, allerdings wirken auf die gleiche Weise auch grüner Tee, Kaffee sowie alle anderen coffeinhaltigen Getränke (Cola, Red bull ect.).

Die Wechselwirkung der Teeinhaltstoffe gehen aber nicht nur in die eine Richtung. Sie können auch die Wirkung von anderen Medikamenten verstärken, z.B. Asthmamedikamente (mit Theophyllin) oder Schmerzmittel.

Selbst während der Einnahme von homöopatischen Arzneistoffen, bei denen es bekanntlich sehr auf die genaue Dosierung ankommt, wird dazu geraten, möglichst auf den Konsum von coffeinhaltigen Getränken zu verzichten.

Antibiotika sollen hingegen den Abbau von Coffein verzögern. Daher kann es bei dieser Kombination zu Nervosität, Schlafstörungen und sogar Herzrasen kommen.

Bei einem derart starken Einfluß einer schlichten Tasse Tee auf die Medikamentierung sollte man Tee oder Kaffee, selbst in aufgebrühter Form für den Hausgebrauch, durchaus als wirksamen Arzneistoff betrachten. Und tatsächlich gehen viele medizinische Einflüsse auf den Tee als ein Wirkstoffkonglomerat vieler verschiedener Naturstoffe zurück:

Weitgehend gesichert ist, daß der Teegenuß Karies vorbeugt, was auf seinen relativ hohen Gehalt an Fluorid zurückgeführt wird. Schwarzer Tee soll auch den Cholesterol- und Triglyceridgehalt im Blut erniedrigen und damit das Risiko für Herzinfarkte mindern. Dieser Effekt wird bestimmten Flavonoiden (Epigallocatecin und weiteren Polyphenolen) zugeschrieben. Andere Teekomponenten hemmen die Rückresorption von Salz in der Niere und wirken dadurch dem Bluthochdruck entgegen. Theophyllin bewirkt die Entspannung der glatten Bronchialmuskulatur und wird deshalb zur Behandlung von Asthma eingesetzt.

Die entzündungshemmenden und schmerzstillenden Eigenschaften von feuchten Teeblättern machen sie in manchen Gegenden zum Mittel der Wahl bei Insektenstichen oder Bißwunden.

Selbst die positiven Wirkungen auf den Magen-Darm-Trakt sind belegt. Bereits in China wurde Tee gegen Magenverstimmungen und Durchfall angewandt. Coffein regt außerdem die Produktion von Verdauungssäften und die Darmperistaltik an.

Neuere Experimente haben auf die antioxidativ wirkenden Polyphenole aufmerksam gemacht. Die sogenannten Teecatechine und insbesondere das EGCG (Epigallocatechingallat) des grünen Tees (Camellia sinensis L. Ktze. (Theaceae)) bieten sich als mögliche Therapeutika an, da sie über ein hohes antioxidatives Potential verfügen, sowie immunmodulatorische und anti-inflammatorische Eigenschaften aufweisen und im Tierversuch die Häufigkeit des Auftretens von Haut-, Lungen-, Magen- und Leberkrebs senken konnten.

Eine deutsche Forscherin (Sabine Westphal, wissenschaftliche Angestellte am Universitätsklinikum Münster) ist derzeit damit beschäftigt, die Wirkungen des "Epigallocatechin-3-gallat (EGCG), ein Catechin des grünen Tees, auf den Darm und die mögliche Anwendung des Wirkstoffs gegen chronische Darmentzündungen wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa zu untersuchen. Dies wird von der Deutschen Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV) e.V. mit einem Forschungsstipendium in Höhe von 20.000 Euro unterstützt.

Die antioxidative Wirkung wird hier aber, so wie es derzeit Mode ist, auf das Vorkommen sogenannter böser Sauerstoffradikaler zurückgeführt, die mittels Polyphenolen aufgehalten werden. Da diese bekanntlich eine Erfindung von theoretischen Chemikern für bestimmte Reaktionsmechanismen sind, um unerklärliche Abläufe in die vorgegebenen Muster einzupassen, es somit also gar keine Radikale in dem Sinne gibt, ist fraglich, ob die begonnene Forschung auch ihr erhofftes Endziel, eine Pille gegen Krebs, erreichen wird.

Doch selbst wenn sich herausstellt, daß Tee kein Allheilmittel sein sollte - für den Teetrinker gehört der Genuß einer frischen Tasse Tee sicherlich zu den glücklichsten und entspanntesten Momenten des Tages, und Momente des Wohlbehagens sind fraglos immer gesundheitsfördernd.

11. Mai 2007