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RATGEBER/210: Schluß mit dem Gerücht - Knoblauch verjage Insekten (SB)


SCHLUSS MIT DEM GERÜCHT ...

Knoblauch vertreibe Insekten und andere Plagegeister

und Spekulationen darüber, warum es sich so hartnäckig hält


Über Knoblauch haben wir gerade an dieser Stelle schon viel berichtet. Einmal die Indexzeilen des Archivs nach der vielberüchtigten Knolle durchforscht, stoßen wir auf: "NEWS/402: Knoblauch, schlecht für die Nerven und tödlich für Schnecken" - "NEWS/638: Knoblauch - zuviel is' a nix" - "RATGEBER/037: Knoblauch oder Schiefer Lauch - Was stinkt, wirkt" - "RATGEBER/076: Schluß mit dem Gerücht..., daß Knoblauch gesund ist (5)" - "RATGEBER/127: Knoblauchöl gegen Kirschenräuber" und "RATGEBER/163: Wenn Knoblauchgenuß Schmerzen bereitet". Da läßt sich wohl kaum noch etwas hinzufügen.

Ein Gerücht hält sich jedoch hartnäckig und beruht vermutlich auf einem Mißverständnis, nämlich daß der regelmäßige Genuß von Knoblauch den Konsumenten bestens vor jedweder Insektenplage schütze.

Das wäre natürlich für all jene Liebhaber der "duftenden Knolle", an deren würztechnischen Gebrauch sich gewöhnlich die Geister scheiden, eine tolle und komfortable Sache, könnten sie doch ihren Gaumenfreuden fröhnen und hätten auch noch eine ultimative Entschuldigung, um der sozialen Ächtung und Meidung erhobenen Hauptes entgegentreten zu können, die nach erfolgtem Knoblauchgenuß meist unausbleiblich ist: Sie würden als altruistische Duftverbreiter Mücken, Mosquitos, Bremsen und andere Plagegeister auf sichere Distanz halten und auch noch ihre Mitmenschen schützen. Doch leider ist das alles bisher nur Wunschdenken.

Laut einem Bericht im der Wissenschaftsrubrik der New York Times vom 24. Juli 2007 (Abahad O'Connor) konnte die Behauptung, Knoblauch vertreibe Insekten, bisher noch von keiner wissenschaftlichen Untersuchung bestätigt werden. Alles, was Knoblauch hiernach bisher vertrieben habe, seien eben jene geruchsempfindlichen Mitmenschen gewesen, doch keine noch so kleine Mücke.

Eine ausgesprochen einfache Studie, die das jedoch ausgezeichnet ins Bild setzt, wurde schon 2005 von einer Gruppe von Forschern am Health Center der Universität von Connecticut durchgeführt und veröffentlicht.

Die Wissenschaftler ließen ihre Versuchspersonen an manchen Tagen große Mengen an frischem Knoblauch verzehren, an anderen erhielten sie nur ein Placebo. Dafür wurden sie täglich einem Mückenschwarm ausgesetzt. Ergebnis: Der Verzehr von Knoblauch brachte keinen Unterschied für die Häufung der Einstiche durch Insekten:

The number of mosquitoes that fed on them and the number of bites they suffered did not seem to differ under the two conditions.
(NYT online 24. Juli 2007)

Die Wissenschaftler konnten bei ihren Untersuchungen tatsächlich nur eine Substanz der von den Probanden verzehrten Nahrungsmittel und Getränke ausmachen, die tatsächlich eine deutliche Veränderung in den Annäherungsversuchen der Mücken mit sich brachte: Alkohol schien die stechwütigen Plagegeister geradezu magisch anzuziehen!

Wie es in einer weiteren Studie, die in "The Journal of the American Mosquito Control Association" veröffentlicht wurde, hieß, war einer Gruppe von 14 Freiwilligen zu verschiedenen Gelegenheiten jeweils ein Glas Bier (350 Milliliter) angeboten worden. Schon die Zufuhr derart geringer und völlig normaler Alkoholmengen erhöhte die Prozentzahl an Insektenstichen, die der Proband anschließend in Kauf nehmen mußte. Nur wußte man damals nicht, wie man diese Bevorzugung erklären sollte.

Inzwischen glaubt man, daß blutsaugende Insekten ihre potentiellen Opfer vor allem an der Körpertemperatur ausmachen, sowie an Ausdünstungen von Milchsäure und Kohlenstoffdioxid. Glücklichere Zeitgenossen, die nicht so sehr von Mücken geplagt werden wie andere, hätten demnach eine körperliche Disposition und einen ruhiger ablaufenden Stoffwechsel, so daß diese eindeutigen Zielvorgaben für die Blutsauger in irgendeiner Weise weniger wahrnehmbar sind.

Gebräuchliche chemische Insektenvertreibungsmittel wie DEET, sollen verse versa die Sinne der Insekten diesbezüglich einfach ausschalten.

Warum sich aber nun ausgerechnet beim Knoblauch das Gerücht so gut hält, sich auch als Abwehrmittel blutrünstiger Plagegeister zu bewähren, läßt sich schon logisch aus der Legende aller Blutsauger ableiten: Schließlich geht mit den geruchsstarken Knollen schon früh der Ruf einher, gegen böse Geister oder bluttrinkende Vampire zu wirken. Denn wer das streng auf Knoblauch-, Basilikum- und Olivenölbasis gewürzte Essen der Völker des Mittelmeerraums mied, der war ihrer Meinung nach wohl fremd, wahrscheinlich feindlich und möglicherweise mit dem Teufel oder andern bösen Kräften im Bund. Bei den Römern reichte es, eine Pflanze auf die Hauswand zu malen, um die Bewohner vor dem bösen Einfluß übler Kräfte zu bewahren. Noch heute tragen manche Fischer in den mediterranen Ländern eine Knoblauchzehe als Amulett gegen die Gefahren der See. Und seit der irische Autor Bram Stoker 1897 seinen "Dracula" veröffentlichte, kennt natürlich jedes Kind die - fiktive? - Schutzwirkung des Knoblauchs gegen jede Form von Vampirismus.

Und es gibt noch mehr möglicherweise mißverständlich interpretierte Informationen über Knoblauch aus der letzten Zeit, die dem Gerücht nach wie vor Vorschub leisten:

So trifft beispielsweise für wenige Menschen (siehe RATGEBER/163: Wenn Knoblauchgenuß Schmerzen bereitet) zu, daß vor allem Allicin, der aus Alliin beim Kauen der rohen Zehen aus den Zellen mit Hilfe der Mundfeuchtigkeit freigesetzt wird und übrigens auch für den typischen Geruch der Knoblauchzehen verantwortlich ist, eine gewisse Schärfe oder auch ein Brennen im Mund verursacht, was man vielleicht als natürlichen Schutz der Knolle gegen Freßfeinde, also als eine Art Schädlingsabwehr oder Repellens (von engl.: repellent, abstoßend) verstehen kann. Das Allicin aktiviert hitzeempfindliche Rezeptoren im Mund, worauf der Knoblauchesser die Zehen als scharf empfindet, wie der US-Wissenschaftler in dem Fachjournal "Current Biology" (Bd.15) schrieb.

Diese Schärfe und besonders das Allicin sollen aber auch eine positive Wirkung gegen Arteriosklerose besitzen, wegen der Knoblauch ebenfalls gerne verzehrt wird. Doch laut der einzigen in Arzneibüchern erwähnten Monographie (Helv. VI) soll die Anwendung zur Arteriosklerose-Prophylaxe bisher keine hinreichende wissenschaftliche Erklärung gefunden haben.

Man sieht, auch auf wissenschaftlichem Gebiet teilen sich die Geister, wie auch eine andere Kurzmeldung belegt, die vor wenigen Jahren durch die Medien ging (u.a. Deutschlandfunk, Die Zeit) und derzufolge Knoblauch als Pestizid gegen Schnecken und Nacktschnecken wirkt und selbst eingefleischten Knoblauchfans den Appetit verderben konnte (siehe Schattenblick 2003, NATURWISSENSCHAFTEN\CHEMIE, NEWS/402: Knoblauch, schlecht für die Nerven und tödlich für Schnecken).

Danach gibt es nicht nur für Insekten durchaus wissenschaftlich belegte Gründe die übelriechende Knolle zu meiden. So schrieb "DIE ZEIT":

Knoblauch für Kleingärtner

Knoblauch bekämpft bekanntlich Vampire, ist gesund - und hilft auch gegen Schnecken und Nacktschnecken. Zu diesem Ergebnis kamen Forscher der University of Newcastle in Großbritannien. Sie testeten zehn künstliche und natürliche Pestizide an Schnecken und Nacktschnecken, darunter auch ein Knoblauchkonzentrat (Crop Protection, Nr. 22, S. 1033). Eine fünfprozentige Lösung des Konzentrats tötete 95 Prozent der Weichtiere und hinderte sie somit wirksam daran, sich an den in den Tests ausgelegten Kohlblättern zu vergreifen. Die Forscher wissen jedoch nicht genau, welcher Wirkstoff für die Tiere tödlich ist. Jetzt wollen sie prüfen, ab welcher Konzentration Knoblauch effektiv wirkt und ob die Ernte nach einer Knoblauch-Behandlung überhaupt noch genießbar ist. Für den Kleingärtner, so die Forscher, müssten zerdrückte Knoblauchzehen, vermischt mit Wasser, reichen, um die Weichtiere vom Fressen abzuhalten. (DIE ZEIT 18.09.2003 Nr.39)

Ergänzend hieß es dazu im Deutschlandfunk, der fragliche Stoff sei im Öl des Knoblauchs zu suchen und würde das neuronale System der Weichtiere angreifen und sie darüber töten. Daß aber in der pauschalen Aussage, Knoblauch sei gesund und würde gegen Schnecken helfen, ein massiver Widerspruch steckt, scheint den Autoren der Kurzmeldung nicht aufgefallen zu sein.

Daß Knoblauch offensichtlich die Nerven bzw. gewisse Teile der Wahrnehmung schädigt oder einschränkt, wird auch beim Menschen deutlich. Denn wer regelmäßig Knoblauch konsumiert, schmeckt ihn nicht mehr, was eine Abstumpfung des Geschmacksinns vermuten läßt. Um die gleiche Reizwirkung zu erreichen, müssen die Dosen beständig erhöht werden.
(NEWS/402, Schattenblick 2003)

Daß man allerdings den Schnecken bzw. anderen Insekten wie den Mücken tatsächlich die Intelligenz zutraut, den todbringenden Stoff zu meiden, wenn man das alte Gerücht so interpretieren will, ist schon erstaunlich, zumal der Mensch selbst nicht die Finger davon lassen kann.

Und schließlich sei abschließend noch einmal darauf hingewiesen, daß das vermeintlich als Repellent wirkende Knoblauchöl, mit dem man auch Stare von den Kirschbäumen fernhalten wollte, schon im Ansatz kläglich gescheitert ist (siehe: RATGEBER/127: Knoblauchöl gegen Kirschenräuber). Denn abgesehen davon, daß man das Futter der Stare, d.h. in dem Falle also die Kirschen selbst, mit einer 1prozentigen Knoblauchlösung würzen mußte (wohl bekomm's!), so gaben an dem Projekt nicht beteiligte Ornithologen bereitwillig an:

"The one thing that we've learned when dealing with problem birds is that they get over it," said McGowan, who was not part of the study. "If it isn't totally seriously threatening, they just come back." [Wenn wir etwas bei der Erforschung der problematischen Vögel gelernt haben, dann, daß sie mit allem fertig werden", sagte McGowan, der nicht an dieser Untersuchung beteiligt war. "Wenn es nicht wirklich ernsthaft bedrohlich für sie ist, kommen sie einfach irgendwann wieder". - Übersetzung Schattenblick-Red.]
(AP, 4. Mai 2004)

Und das kann man wohl von so ziemlich allen Plagegeistern ungestraft behaupten.

31. Juli 2007