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RATGEBER/232: Wie man den Pluspol mit einer Kartoffel findet (SB)


Von Apfelessig bis Zitrone - für Überlebenskünstler

Die Kartoffel als unfehlbarer Pluspol-Indikator


Wer mit vorsintflutlichen Elektrogeräten herumbastelt oder Vaterns alte Elektroeisenbahn wieder flott machen will, der hat es möglicherweise mit ungekennzeichneten Plus und Minuspolen zu tun. Nun gibt es bekanntlich die einfache Lösung, die aber nur bei technisch intakten Geräten funktioniert: Man probiert es einfach aus. Im anderen Fall besorgt man sich lieber die nötige Bastelausrüstung inklusive Stromspannungsmeßgerät und Phasenprüfer.

Ein improvisiertes Hilfsmittel kann hier Abhilfe schaffen und wird aufgrund seiner verblüffend einfachen Anwendung Bastelfreunden, Elektrotechnikern und angehenden Elektronik-Freaks gleichermaßen Spaß machen, vor allem dann, wenn sie auch unkonventionellen Methoden gegenüber aufgeschlossen sind.

Das "Verfahren" beruht schlicht darauf, daß sich Kartoffeln mit einem hohen Gehalt an Mineralen und organischen Salzen äußerst gut als Elektrolyte eignen, d.h. sie können elektrischen Strom leiten.

In eine frisch aufgeschnittene Kartoffelscheibe steckt man zwei Stückchen Kupferdraht, deren untere Enden in einem Abstand von ca. 5 bis 10 mm isoliert werden (damit sie sich nicht berühren). Anschließend verbindet man je ein Ende des Kupferdrahts mit einem der beiden unidentifizierten Pole der Spannungsquelle, von der wir annehmen, daß sie Gleichstrom erzeugen soll. Bei Wechselstrom funktioniert diese Anordnung nicht.

Nun wird die Stromquelle eingeschaltet. Nach 2 bis 5 Minuten sollte sich um einen der beiden Kupferdrähte ein bläulich-grünlicher Farbfleck bilden. Dieser Draht führt dann direkt zum Pluspol der Spannungsquelle. Sollte sich auch nach längerer Zeit kein Kranz um einen der beiden Drähte bilden, dann stimmt mit der Stromquelle etwas nicht, oder es handelt sich doch um einen Wechselstromlieferanten.

Die Erscheinung läßt sich einfach über das Galvanisierungsprinzip erklären: Durch den elektrischen Strom werden die Salze und organischen Säuren der Kartoffel derart formiert und in Stellung gebracht, daß sich aus dem Kupferdraht des Pluspols zweiwertiges Kupfer löst (Cu(2+)) und an die Umgebung abgegeben wird.

Chemisch spricht man hier von einer Oxidation. Alle zweiwertigen Kupfersalze haben eine blaue oder grünliche Färbung, man denke an die Patina von alten Kirchtürmen oder auch an Kupfervitriol (Kupfersulfat), das man an seiner tiefblaue Farbe erkennen kann.

Da eine Oxidation definitionsgemäß nur an einem Pluspol geschehen kann, ist der blaue Fleck um den einen Draht somit ein todsicherer, unverwechselbarer Hinweis - eine Methode, die sich praktisch noch fernab jeder Zivilisation, mit einfachsten Mitteln jeder Zeit durchführen läßt, z.B. um zu sehen, ob eine alte Batterie überhaupt noch Strom abgibt.

Nebenbei bemerkt, kann auch eine andere Sorte Gemüse, ein Stück Apfel oder anderes Obst die nötige elektrolytisch wirksame Umgebung liefern. An der weißen Oberfläche einer Kartoffelscheibe ist die Reaktion nur besonders schön zu erkennen.

Deshalb sollte der geneigte Leser für alle Eventualitäten immer etwas Kupferdraht und eine Handvoll Kartoffeln in der Tasche haben...

Erstveröffentlichung 9. September 1995

4. Februar 2008