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UMWELTLABOR/059: Akkumulationen (2) — Taschenbatterien & Lakritz


Akkumulationen (2) — Taschenbatterien & Lakritz


Taschenbatterien sind wohl die am häufigsten verwendeten Spannungsquellen für Kleingeräte, sieht man einmal von den immer beliebter werdenden wiederaufladbaren Akkus ab, die in den gleichen Formen erhältlich sind. Wir kennen vor allem Flachbatterien, Babyzellen ((B) die typische Taschenlampenbatterie), Mignon- (AA) oder Mikrobatterien (AAA), die von unterschiedlichen Herstellern wegen ihrer besonderen Haltbarkeit, hohen Leistung u.ä. angepriesen werden. Abgesehen von wiederverwendbaren Akkus arbeiten alle, selbst die Billigprodukte wie ChromSuperalkasonstwas, nach exakt dem gleichen Prinzip und unterscheiden sich, je nach den verwendeten Chemikalien mit wenigen Variationen in zwei Sorten von Taschenbatterien. Was am Ende die vielen verschiedenen Produkte und vielleicht auch den berühmten "Auslaufschutz" ausmacht, sind ein besser gelötetes Gehäuse, Aufdruck, Verpackung und ein paar statische Tricks, auf die wir später noch kommen.

Bei allen Taschenbatterien handelt es sich um sogenannte Trockenbatterien. Ihre Füllung ist - im Gegensatz zu den mit Flüssigkeiten gefüllten Batterien, Akkumulatoren usw. - eine weiche, halbfeste Masse oder ein Gel, bei denen normalerweise nicht die Gefahr des Verschüttens oder Auslaufens besteht. Taschenbatterien sollen in jeder beliebigen Lage hinreichend starken Strom liefern, der z.B. für den Betrieb einer Taschenlampe reicht. Hierzulande arbeiten Batterien entweder mit Ammoniumchlorid (NH4Cl, Salmiak, z.B. Marke "Daimon") als Elektrolyt oder mit Magnesiumchlorid (MgCl2). Letztere werden auch als salmiakfreie Taschenbatterien bezeichnet, zu denen auch die Marke "Petrix" gehört.

Am besten versteht man das Prinzip einer Batterie, wenn man sich das Innere selbst einmal angesehen hat. Natürlich wagt man das kaum, weil doch ihr Inhalt so giftig sein soll (s.u.) und ätzende Chemikalien enthält, doch wenn man entsprechend vorsichtig vorgeht, also für einen ausreichenden Abzug sorgt oder im Freien arbeitet, nichts davon verzehrt und eventuell auslaufende Chemikalien auffängt und alles anschließend entsorgt, ist man keiner größeren Gefährdung ausgesetzt, als wenn man mit Öl malt oder einen Schrank abbeizt.

Beim Auseinandernehmen einer Flachbatterie stoßen wir im Innern auf drei walzenförmige Körper, von denen jeder eine Hülse aus Zinkblech besitzt. Dieses Blech bildet den negativen Pol der Batterie. Bei einer Baby-, Mignon- oder Microbatterie bildet dieser Zinkzylinder gleichzeitig auch den Behälter der Batterie. Der unlackierte oder mit Papier, Plastik oder dergleichem ungeschützte Boden entspricht dem negativen Pol.

Das Innere dieser Zinkhülle ist bei alten, verbrauchten Batterien gewöhnlich stark zerfressen (korrodiert), könnte aber nach der Reinigung (mit Wasser abgewaschen) durchaus recyclet, gesammelt oder - von Hobbychemikern oder -galvanisten - für kleine Versuche verwendet werden. Durch die Mitte jeder Walze geht ein Kohlestab oder Graphitstab mit Braunstein (MnO2); dieser bildet den positiven Pol der Batterie. Zwischen Zinkblech und Kohlestab ist eine schwarze Masse, die im wesentlichen aus Ammoniumchlorid, Graphit oder Ruß und Braunstein (MnO2) besteht. Graphit wird unter den Braunstein gemischt, um dessen Leitfähigkeit zu verbessern. Unmittelbar unter dem Zinkblech läßt sich eine weißliche Masse abschaben, die aus Zinkchlorid (ZnCl2), Zinkammoniumchlorid und anderen Umsetzungsprodukten des Zinks sowie Stärke besteht.

Erinnern wir uns noch einmal kurz an das Elektrolyseschema aus der letzten Folge, so ist in ringförmiger bzw. mantelförmiger Anordnung alles dafür vorhanden:

Wenn man das Licht bei einer Taschenlampe einschaltet, d.h. den Stromkreis einer Taschenbatterie schließt, wird eine Verbindung zwischen Zinkbecher und Kohlestab hergestellt.

Am Minuspol zersetzt das Zink Ammoniumchlorid zu Zinkammoniumchlorid und Wasserstoffionen [Zn(NH3)2]Cl2 + 2H(+), am Pluspol werden Wasserstoffionen zu Wasserstoff umgesetzt, wobei der Wasserstoff vom Braunstein wieder zu Wasser oxidiert wird.

Durch diese chemischen Prozesse entsteht eine elektromotorische Spannung von 1,5 Volt (V) nach der summarischen Gleichung:

Minuspol :

Pluspol :

Zn
Zn + 2 NH4Cl
2H(+) + 2 e(-)
2H(+) + 2MnO2




Zn (2+) + 2 e(-)
[Zn(NH3)2]Cl2 + 2 H (+)
H2
Mn2O3 + H2O (Depolarisation)
Oxidation

Reduktion

Gesamtreaktion:
Zn + 2 NH4Cl + 2MnO2

[Zn(NH3)2]Cl2 + Mn2O3 + H2O


*


Aus dem Minuspol (d.h. aus der äußeren Zinkwand) werden Zinkionen herausgelöst. Am positiv geladenen Pol und dessen Umgebung nehmen die Wasserstoff-Ionen Elektronen auf und bilden atomaren und molekularen gasförmigen Wasserstoff. Dieser hemmt zunächst die weitere Stromlieferung, indem er eine isolierende Schicht bildet und dadurch die Spannung erniedrigt. Man bezeichnet diese Erscheingung als Polarisation. Die Abscheidung von Wasserstoff (und damit also die Polarisation) wird durch den Zusatz von geeigneten Braunsteinsorten (MnO2) verhindert, weshalb man Braunstein auch häufig als Depolarisator bezeichnet. Wie aus der chemischen Gleichung oben hervorgeht, wandelt sich Braunstein dabei in Mn2O3 (ManganIIIoxid) um, d.h. das vierwertige Mangan wird zu dreiwertigem reduziert.

Die hier beschriebene Theorie von der Entstehung des elektrischen Stroms in Taschenbatterien gilt aber selbst wissenschaftlich als nicht völlig gesichert, da das Potential am Pluspol, das sich hieraus errechnen läßt, nicht ganz mit den gemessenen Werten übereinstimmt. Auch läßt sich die Leistung einer Batterie noch wesentlich durch den inneren Aufbau, d.h. durch sorgfältige Trennung der beiden Elektroden, Ausschalten möglicher Kriechströme, Auswahl reiner Zinksorten und bestimmter Spezialsorten von Mangandioxid usw. wesentlich verbessern und vor allem die Selbstentladung während der Ruhezeit weitgehend ausschalten. Diese geringfügigen Unterschiede entscheiden am Ende über die Qualität und den Preis einer Batterie. Im Idealfall laufen die beschriebenen Reaktionen nur beim Schließen des Stromkreises (Einschalten) und Stromverbrauch ab, sie sollen beim Abschalten praktisch zum Stillstand kommen. Doch wie jeder Chemiker weiß, lassen sich einmal ablaufende chemische Reaktionen nicht so präzise abstoppen und am Ende ist die Haltbarkeit selbst der teuersten Batterien begrenzt. Die Prozesse werden nämlich schon dann in Gang gesetzt, wenn auf irgendeine Weise Plus- und Minuspol verbunden werden, was durch salzhaltige Feuchtigkeit, Berührung mit einer Metallwand u.ä. geschehen kann und selbst dann, wenn man nur mit einem Gerät prüft, ob die Zelle geladen ist oder nicht.

Im allgemeinen beträgt die Spannung einer Walze oder einer Babyzelle 1,5 bis 1,7 Volt; das gibt in einer Flachbatterie mit drei hintereinandergeschalteten Walzen 4,5 bis 5 Volt. Die Batterien erschöpfen sich, bevor alle Materialien aufgebraucht sind. Ausgebrannte Batterien lassen sich jedoch trotz vieler Bemühungen und angestrebter Forschungen in dieser Richtung bisher nicht wieder verwendungsfähig machen. In ihrem chemischen Reaktor enthalten sie dann: Zinkchlorid, Zink, Ammoniumchlorid (Salmiak), Ammoniak, Wasser, Braunstein, ManganIIIoxid, Kohle und Graphit.


Das Gift der Taschenbatterie

Ammoniak und Ammoniumchlorid riechen zwar recht streng und geben stechende Gase ab, sie sind jedoch nicht besonders schädlich. Genaugenommen wird durch die Gülle, die die Bauern agrarwirtschaftlich zur Düngung ihrer Felder nutzen, mehr davon in der Umwelt verteilt, als das durch alte Taschenbatterien im Hausmüll möglich wäre, die auf Deponien langsam korrodieren und auslaufen können. Gefährlich werden kann es erst, wenn große Mengen davon zusammenkommen oder ins Grundwasser und in Wasserläufe geraten. Dann kann die starke Lauge Leben vernichten, da sie auf Haut und Schleimhäute reizend bis ätzend wirkt und sogar zu Entzündungen führen kann oder beispielsweise zu übermäßigem Pflanzenwuchs bzw. Überdüngung (Sauerstoffverknappung) und dadurch zum Sterben von Gewässern beitragen. Ammoniakgase können ebenfalls in größeren Mengen bei Menschen und Tieren Atembeschwerden und Hustenreiz auslösen. Größere Gasmengen können sogar tödlich wirken, so gingen z.B. von 54 Pferden durch Ammoniakgas 27 zugrunde. Als Gegengift wird bei Ammoniakvergiftungen verdünnte Säure (z.B. Essig) empfohlen.

Wirklich gefährlich sind jedoch die unvorhersehbaren Reaktionen, die ein Elektrolyt wie Ammoniumchlorid vermitteln kann, wenn die unterschiedlichsten Chemikalien, Farbstoffe und Metalle auf einer Mülldeponie zufällig und außerhalb jeder Kontrolle zusammenkommen. Unter solchen Bedingungen ist es durchaus vorstellbar, daß sich auch aus dem harmlosesten Salmigrundstoff (NH4Cl ist ein Bestandteil von bestimmten Salzlakrizen u.a. Salmis) ein regelrechter Giftcocktail entwickeln kann.

Das gilt im Grunde auch für die anderen Bestandteile von Batterien. Zinksalze sind nämlich eigentlich ebenfalls für den Menschen ungiftig und werden sogar als Ernährungsergänzung in Reformhäusern und Apotheken frei verkauft. Jeder Mensch soll 5,5 bis 7,5 Milligramm Zink täglich mit seiner Nahrung aufnehmen. Auf einer Mülldeponie sammelt sich Zink aber auch aus anderen Produkten, so ist es als Zinkoxid (ZnO) oder Zinkweiß, Bestandteil vieler Anstriche oder Lacke.

Nicht so harmlos ist allerdings der unscheinbare Braunstein und sein reduzierter Verwandter (Mn2O3). Zwar enthält eine durchschnittliche, etwa 70 Kilogramm schwere Person zwölf Milligramm Mangan als essentielles Spurenelement, doch Mangan in größeren Mengen ist erwiesenermaßen sehr giftig. Wo im menschlichen Stoffwechsel es tatsächlich eine Rolle spielen soll, hat man noch nicht herausgefunden, abgesehen davon, daß man ihm eine gewisse Bedeutung beim Glucosestoffwechsel, für die Funktion des Vitamin B1 und für den RNA-Stoffwechsel nachsagt.

Letzteres zeigt, daß Mangan direkt bis in den Zellkern vordringt und dort irgendeinen Einfluß ausüben kann, was vermutlich auch seinen schädlichen Einfluß ausmacht, wenn mehr als 4 Milligramm täglich konsumiert werden. Allerdings hängt die Toxizität des Mangans stark von seiner chemischen Form ab: Das zweiwertige Mangan-Ion, Mn(2+), das normalerweise in der Nahrung enthalten ist, ist wesentlich weniger giftig als das siebenwertige Permanganat-Ion MnO4(-).

Dies sind noch einmal zwei weitere Oxidationsstufen als die schon oben in der Taschenbatterie vorkommenden. Man sieht aber daran, daß sich Mangan unter entsprechenden Bedingungen von der einen in die andere Form bringen läßt...

Im Experiment wirken Manganverbindungen carcinogen und teratogen (fruchtschädigend). Bislang wurden zwar wenige Fälle von Manganvergiftungen durch Einnahme bekannt, aber auch Stäube und Dämpfe können gefährlich sein, diese werden bei der Verbrennung von Müll gewöhnlich in die Luft geblasen. Das Einatmen von Staub und Rauch kann zur chronischen Manganvergiftung, dem "Manganismus", führen, die das Zentralnervensystem schädigt und sich durch Symptome wie Müdigkeit, Abmagerung und Impotenz äußern soll.

Umweltschädigendes Mangan stammt nicht allein aus Akkus und Batterien, die nicht fachgerecht entsorgt wurden. Bei einer Mangan- Weltjahresproduktion von mehr als sechs Millionen Tonnen wird es unzähligen Produkten zugesetzt, z.B. als Legierungsmetall für Nichteisenmetalle wie Kupfer und Aluminium (etwa 95% der Gesamtproduktion), zur Herstellung von Manganverbindungen (5%). Stahl wird durch einen Zusatz von Mangan härter, widerstandsfähiger und besser bearbeitbar. Und eine kleine Menge des Minerals Pyrolusit (MnO2) in der Glasschmelze beseitigt den grünlichen Farbton und sorgt für kristallklares Glas. Eine größere Menge davon schafft einen purpurfarbenen Ton.

Am Arbeitsplatz wurde eine zulässige Höchstkonzentration MAK von fünf Milligramm pro Kubikmeter Luft sichergestellt, die auch kurzzeitig nicht überschritten werden darf.

Fortsetzung folgt ...

Erstveröffentlichung 2001