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UMWELTLABOR/74: Müssen Nickel-Cadmium-Akkus verboten werden?


Cadmium - Verwirrende Faktenlage und Scheingefechte


Das Umweltbundesamt (UBA) forderte unlängst ein Verbot der weit verbreiteten Nickel-Cadmium-Akkus. Dabei handelt es sich um vielseitig verwendbare Batterien, die viele Male wieder aufgeladen werden können und damit u.a. auch einen Beitrag zur Rohstoffeinsparung und letztlich zum Umweltschutz beitragen. Gegenwärtig werden jährlich weltweit 19.000 Tonnen des Metalls produziert, die Hälfte davon dient zur Herstellung von Nickel-Cadmium- Akkus, die ihrerseits zu etwa 25 Prozent aus Cadmium bestehen. Seit in den sechziger Jahren erstmals Befürchtungen im Zusammenhang mit Cadmium laut wurden, fanden Forschung und Industrie für die meisten betroffenen Konsumgüter Alternativen. Doch liegt der Absatz der Akkus seit 10 Jahren konstant bei rund 3000 Tonnen im Jahr, obwohl es auch hier schon Alternativen auf Lithium- und Nickelmetallhydridbasis gibt, die aber beim Verbraucher nicht so gut ankommen. Inzwischen muß sich das Umweltbundesamt aber auch die Frage gefallen lassen, ob es sich bei der neuerlichen Anti-Cadmium-Initiative, angesichts viel gravierender und nachweislich schädigenderer Umwelteinträge oder verheimlichter Kernkraftunfälle, nicht um ein reines Ablenkungsmanöver handelt.


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So gab auch die von der Industrie gegründete Cadmium-Lobby (Cadmium Association) vor, die Abgabe des Metalls an die Umwelt sei vernachlässigbar gering. Auch die Qualität cadmiumhaltiger Konsumgüter spräche für sich: Cadmiumhaltige Kunststoffe wären besonders haltbar. Auch für den Korrosionsschutz gegen Salzwasser gäbe es für Cadmium kaum eine Alternative (auch wenn die Hersteller heute unter dem Vorwand des Umweltschutzes einen schnelleren Verschleiß rechtfertigen). Und schließlich zeichneten sich cadmiumhaltige Akkus durch eine besonders schnelle Aufladbarkeit beispielsweise sogar mit Solarstrom aus. Danach spricht also überhaupt nichts gegen die jetzt so verteufelten Nickel- Cadmium-Akkumulatoren. Nur sollten sie wie alle Batterien generell zum Recycling gegeben werden, da nämlich selbst geringe Spuren des Schwermetalls in der Biosphäre nicht abgebaut werden und sich Cadmium aus einer Vielzahl von Konsumgütern in der Umwelt anreichert.

Dies ist zwar bereits seit 1998 auch gesetzlich geregelt und gebrauchte Batterien und Akkus dürfen nicht mehr als Hausmüll entsorgt werden. Doch gelangen laut einem Bericht in der Süddeutschen Zeitung immer noch rund 400 Tonnen des hochgiftigen und möglicherweise krebserregenden Schwermetalls Cadmium jährlich unkontrolliert in die Umwelt, angeblich weil die Rücknahmesysteme für die ausgedienten Akkus nicht funktionieren. Nur etwa 30 Prozent würden ordnungsgemäß entsorgt, der Rest lande immer noch im Container, in der Gelben Tonne oder gar im Sperrmüll. Das hätten Wissenschaftler der Universität Karlsruhe im Auftrag des UBA herausgefunden. Ein Verbot, so das UBA, sei danach der einzig sichere Weg, um die Cadmiumvergiftung der Umwelt durch Akkus zu vermeiden.

Widerlegt wird diese Theorie durch die Tatsache, daß ein großer Teil des in die Umwelt und in den Boden gelangten Cadmiums aus anderen Quellen stammt. So enthält beispielsweise eine Tonne marokkanisches Phosphatgestein etwa 50 Gramm des Schwermetalls und somit auch der Phosphatdünger, der hieraus gewonnen und auf den Feldern der ganzen Welt verteilt wird.

Durch die Verwendung von Klärschlamm als Düngemittel, besonders in Industriegebieten, kann der Cadmiumgehalt des Bodens ebenfalls bis auf 40 ppm ansteigen (der EU-Richtwert für klärschlammgedüngte Flächen liegt bei 3 ppm). Es wurden aber auch schon Böden mit 500 ppm in der Umgebung von Sipham in der englischen Grafschaft Somerset gefunden, in einer Gegend, in der bis etwa 1850 die Emission durch den Betrieb von Zinkbergwerken sehr hoch war. Sich angesichts dieser erschlagenden Fakten vermeintlich aus Sorge um die Gesundheit der Bevölkerung ausgerechnet auf ein Verbot von Batterien zu versteifen, scheint absurd.

Wirkliche Klarheit über die Gefahr, die tatsächlich von verantwortungslos in die Umwelt appliziertem Cadmium ausgehen könnte, gibt es aber auch nicht:

Cadmium, das über die Nahrung in den menschlichen Körper gelangt, wird in der Leber gelagert. Bei Mäusen und Hamstern hat es nachweislich Krebs ausgelöst. Über seine Cancerogenität bei Menschen streiten sich die Experten immer noch, zu Lasten der potentiell Betroffenen. Die Ergebnisse gesundheitlicher Erhebungen sind in der Regel eine Frage der Interpretation, die sehr willkürlich ausfallen kann. Erste epidemiologische Untersuchungen an Arbeitern, die oft mit Cadmium in Kontakt kamen, sollen beispielsweise auf eine erhöhte Krebshäufigkeit hingewiesen haben. Doch andere Forscher, u.a. aus dem Institut für Arbeitsmedizin an der Universität London, wollen keinen Zusammenhang zwischen einer Cadmiumkontamination am Arbeitsplatz und der Anzahl der Krebsfälle sehen. Derzeit ist die Umweltmedizin für jeden Sündenbock dankbar, mit dem sich die wachsenden Krebsstatistiken erklären lassen und gegen den man - im Gegensatz zu ozonlochinduzierter UV-Strahlung, wachsender Radioaktivität usw. - auch etwas tun kann, und legt somit wieder mehr Gewicht auf die Ergebnisse der ersten Studie.

Abgesehen von der möglichen und nicht erwiesenen Cancerogenität ist Cadmium für den Menschen durchaus sehr toxisch:

Das typische Krankheitsbild ist dabei durch eine Symptomenvielfalt gekennzeichnet, die letztlich auch von anderen Giften (z.B. Arsen) herrühren könnte. Auf Cadmium werden aber besonders entzündliche Degenerationen der Schleimhäute in Nase, Rachen und Kehlkopf ("Cadmiumschnupfen") zurückgeführt, außerdem zeigt sich ein sogenannter Cadmiumsaum (gelber Ring von Cadmiumsulfid) an den Zahnhälsen. Auch für die Zerstörung der Riechepithelien, Nierenschäden mit Proteinurie, Knochendefekte oder auch für die Schädigung der Keimzellen besonders der Spermatogonien wird Cadmium verantwortlich gemacht. Sein MAK-Wert wurde deshalb auf 0,1 mg/Kubikmeter Luft festgesetzt.

Erst durch die Erkrankung einiger Japaner an dem sogenannten Itai- Itai byo (im Deutschen etwa "Autsch-Autsch-Krankheit") wurde man auch auf die akute Toxizität von Cadmium aufmerksam. Der Name deutet auf die starken Schmerzen hin, an denen Betroffene durch hexenschußartige Beschwerden bis hin zu schweren Veränderungen der Knochen und sogar an Knochenbrüchen leiden. Der Tod tritt hierbei durch Nierenversagen ein, wobei die Opfer in diesem speziellen Fall hauptsächlich ältere Frauen nach der Menopause waren, die zudem an Unterernährung und Vitamin-D-Mangel litten. Die geschilderten Begleiterscheinungen sollten vermutlich die Gefahr, die von Cadmium ausgeht, relativieren. Der japanische Fall wurde zumindest so präsentiert, als handele es sich dabei hauptsächlich um Frauen, die ohnehin in einem Alter waren, in dem Osteoporose keine Seltenheit ist.

Das bei der Itai-Itai-Krankheit auftretende Krankheitsbild ist auch nicht besonders typisch für eine akute Cadmium-Vergiftung, da die wichtigsten Zielorgane hierbei eigentlich die Niere und die Leber sind, wobei Schädigungen dann eintreten, wenn in der Nierenrinde etwa 200 Mikrogramm Cadmium pro Gramm (Feuchtgewicht) vorhanden sind.

Cadmium nimmt unter den toxischen Metallen eine Sonderstellung ein. Einerseits sind ionogene Verbindungen des Cadmiums in der Lage, Proteine außerordentlich stark zu denaturieren und dadurch sehr heftige gastrointestinale Symptome zu erzeugen. Andererseits wird Cadmium, wenn es resorbiert ist, außerordentlich stark mittels Bindung an bestimmte Blut und Gewebsproteine durch die Niere verstoffwechselt. Dementsprechend rufen lösliche Cadmiumverbindungen zwei verschiedenen Typen von Vergiftungen hervor:

Werden akut toxische Mengen an Cadmiumsalzen mit der Nahrung aufgenommen (beispielsweise über mit Cadmium-Überzügen versehene Eisbereiter in Kühlschränken, bei denn das Cadmium durch Fruchsäuren herausgelöst wird), so kann dies zu heftigsten Brechdurchfällen führen. Sie sind im allgemeinen aber nicht lebensgefährlich. Eine Resorbtion des Cadmiumions findet dabei kaum statt.

Wirklich bedrohlich ist die Inhalation von Cadmiumoxid (CdO)-Rauch. Dieser entsteht beim Schmelzen von Cadmium, wobei freiwerdender Dampf sofort mit Luftsauerstoff zu dem roten, fein verteilten festen Oxid aufoxidiert wird, ferner beim Schweißen oder Schneidbrennen von cadmiumhaltigen Legierungen. Es entwickelt sich - nach einer Latenzzeit von z.T. mehr als 24 Stunden - ein typisches toxisches Lungenödem, das schon vielfach tödlich endete. Nachfolgend bildet sich eine schwere Lungenentzündung, die noch nachträglich zur Todesursache werden kann. Doch sind Todesfälle durch akute Cadmiumvergiftungen im Vergleich zu anderen Arbeitsunfällen mit Todesfolge höchst selten.

Für die hier beschriebenen Vergiftungserscheinungen sind natürlich sehr viel höhere Dosen notwendig, als durch eine schleichende Vergiftung mit dem ubiquitär vorkommenden Schwermetall bei einer mittleren Verweildauer von 20 bis 30 Jahren im Körper angereichert werden könnten. Gefährlich wird es für den Menschen erst, wenn die in Leber und Niere gespeicherte Cadmiummenge 200 ppm (was etwa 14 Gramm in einem 70 Kilo schweren Menschen entspricht) übersteigt. Bei dieser Menge ist die Kapazität der Nieren erschöpft und es kommt zu Störungen der Reabsorption von Proteinen, Glucose und Aminosäuren bis hin zu Schädigungen des Filtersystems. Doch um solche Konzentrationen im Körper zu sammeln, müßte man schon gezielt Cadmium einnehmen. Mit der normalen Umweltbelastung läßt sich das nicht erreichen, zumal Cadmium vom menschlichen Organismus großteils wieder ausgeschieden wird.

Zwar befinden sich in einem durchschnittlich großen Fleischklops von etwa 250 Gramm schon etwa 0,03 Milligramm Cadmium, dessen Weg man über die Nahrungskette bis zum Boden, auf dem das Gras für die Kühe wächst, zurückverfolgen kann, doch der größte Teil des von uns aufgenommenen Cadmiums (die normale durchschnittliche Aufnahme von Cadmium mit der Nahrung beträgt etwa 0,21 bis 0,42 Milligramm pro Woche) wird nicht vom Darm absorbiert.

Die Mengen, die dennoch in den Körper gelangen, werden in den Nieren und in der Leber fest an das Protein Metallothionein gebunden. Diese feste Verbindung ist für die lange Verweildauer des Cadmiums im Organismus verantwortlich. Ein normaler Mensch speichert im Durchschnitt etwa 40 Milligramm Cadmium in seiner Leber, alles, was er darüber hinaus aufnimmt, begleitet ihn vermutlich für den Rest seines Lebens.

Die Unmenge der Fakten über mögliche toxische Auswirkungen des Cadmiums können nicht darüber hinwegtäuschen, daß man eigentlich über seine Umweltrelevanz überhaupt nichts weiß. Darüber, wie sich solche unterschwelligen toxischen Mengen im Organismus auswirken oder auch mit anderen Umweltgiften synergistisch reagieren - was viel wahrscheinlicher und relevanter wäre, als die hier beschriebenen toxischen Symptome - ist bisher überhaupt nichts bekannt.

Die lange Halbwertszeit verbunden mit der unklaren potentiellen Cancerogenität des Stoffes haben dem Schwermetall zwar zu einem Platz unter den ersten zehn auf der UN-Liste gefährlicher Umweltschadstoffe verholfen, ob er wirklich gerechtfertigt ist, ist durchaus fraglich.

Daß die Aktivitäten um die Cadmiumreduktion in erster Linie Verschleierungsfunktion haben und von gravierenderen Problemen ablenken sollen, zeigt auch die Maßnahme der Europäischen Union, die derzeit eine Beschränkung des Cadmiumgehalts in Akkus auf 0,002 Prozent diskutiert, was einem verkappten Verbot gleichkommt.

Langer Rede - kurzer Sinn ... haben solche Reduktionen nämlich überhaupt keine Bedeutung, wenn man bedenkt, daß Akkus nur mit rund 25 Prozent des Schwermetalls betriebsfähig sind. Die breit angelegte Diskussion um Prozente und Reduktionen ist somit ein reines Scheingefecht.

21. Mai 2002