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UMWELTLABOR/219: Ozon, idealer Sündenbock für einfach alles (SB)


Ozon

Im Weltraum besser als Strahlenfresser

zunehmend dichter, wird's zum Vernichter


Abgesehen von einer kleinen Abweichung in der Strukturformel ist Ozon, chemisch betrachtet, eigentlich nichts anderes als Sauerstoff. Statt zwei Atome von diesem Element enthält Ozon nur ein zusätzliches kleines Sauerstoffatom an dritter Stelle. Im ersten Moment könnte man das Konstrukt, auf das sich Strukturanalytiker geeinigt haben, weil sämtliche physikalische Nachweismethoden nichts anderes ergeben als das Element "Sauerstoff", für den Vetter jenes Sauerstoffmoleküls halten, der als lebensnotwendiger Luftbestandteil unserer Atmosphäre verstanden wird. Der Chemiker spricht demzufolge auch von verschiedenen Modifikationen oder Allotropen, kurz gesagt Erscheinungsformen für ein und dasselbe Element. Allerdings sind diese Unterschiede so fein, daß sie außerhalb des menschlichen Wahrnehmungsvermögens liegen. In starker Verdünnung lassen sich Sauerstoff und Ozon kaum mehr unterscheiden, was das Ozon zum idealen Sündenbock werden läßt. Zumal sich die Entstehung des Ozons auch nicht durch künstliche Maßnahmen verhindern ließe (dazu müßte man denn wohl die Sonne ausschalten).

Während Ozon in der Stratosphäre immer weiter abnimmt und dadurch gefährliche kosmische Strahlung nicht mehr von der Erde reflektiert wird, soll es in Bodennähe für allerlei Unbill sorgen. Von irritierten Schleimhäuten, trockenen und laufenden Nasen, Husten, Heiserkeit, sogenannten Sommersmogeffekten bis zur Unfruchtbarkeit macht man es dieser Tage für viele sonst unerklärliche Gesundheitsprobleme verantwortlich. So hieß es schon vor zwei Jahren in einer Meldung zu diesem Thema:

Bei zu hohen Ozonwerten in der Luft machen auch die Spermien beim Mann schneller schlapp. Das geht aus einer US-Studie hervor. Zwei Jahre lang wurden Samenspenden von Männern untersucht und mit der jeweiligen Schadstoffbelastung der Luft in Beziehung gesetzt.
(Videotext ARD, 20.3.2006)

Danach wollen Wissenschaftler der Universität von Südkalifornien in Los Angeles über die Dauer von zwei Jahren die Spermienqualität von rund 50 Männern ausgewertet haben, die mindestens zehn Mal im Jahr für eine Samenbank gespendet hätten. Sie hatten bei den 5.000 Spermaproben die Anzahl der Samenzellen in der Spermaflüssigkeit bestimmt und die Ergebnisse mit Smogmessungen verglichen, die in den jeweiligen Wohngebieten der Samenspender vorgenommen worden waren. Das Ergebnis: An Tagen mit einer hohen Ozonkonzentration war die Spermienanzahl tatsächlich deutlich niedriger als an Tagen mit niedrigeren Ozonwerten. Dabei war es unerheblich, zu welchem Zeitpunkt der Spermabildung die hohen Ozonwerte zu verzeichnen waren. Das ist aber auch schon alles, was erfaßt und ins Verhältnis gesetzt wurde. Der Rest, nämlich wie Ozon überhaupt auf die Spermaproduktion einwirken soll, ist reine Spekulation.

Offensichtlich nutzt man Ozon als verfügbaren Sündenbock nun auch für die rätselhaft anwachsende Unfruchtbarkeitsstatistik, denn wie es die Samenaktivität überhaupt beeinflussen soll, ohne selbst in den Hoden zu dringen, bleibt eine offene Frage. Daß es von vornherein nicht bis zu den Keimzellen vordringen kann, wird dagegen schon durch die Bedingungen, mit denen es definiert wird, ausgeschlossen.

Schließlich erklärt man seine Aggressivität u.a. dadurch, daß es sich bei Kontakt mit anderen Substanzen sofort in normalen Sauerstoff umwandelt, wobei ein sogenanntes Sauerstoffradikal frei wird, ein einatomiger Sauerstoff, der laut Definition überhaupt nicht existieren darf und sich deshalb sofort mit einem geeigneten Partner verbinden muß. Aus diesem Spannungsverhältnis heraus wirkt Ozon immer stark ätzend, desinfizierend bzw. keimtötend und zwar unspezifisch auf alle Mikroorganismen Bakterien, Pilze und Hefen.

Die Forscher vermuten nun, daß das über die Atemluft aufgenommene Ozon im Blut über diesen Mechanismus die Produktion giftiger Substanzen verursachen könnte, die dann über die Blutbahn die Samenzellen direkt oder auch indirekt angreifen:

Weil Ozon die Hoden nicht direkt beeinflusst, wird vermutet, dass der Luftschadstoff eine Entzündungsreaktion hervorruft.
(Videotext ARD, 20.3.2006)

Ihrer Ansicht soll dies jedoch nicht die Fruchtbarkeit von Männern mit normaler Spermaqualität gefährden. Wobei diese Behauptung eine schlecht begründbare Beschwichtigungsmaßnahme ist, denn entweder wirkt Ozon so wie hier behauptet und dann schont es auch die gesunde Männlichkeit nicht, oder es schädigt die Spermien eben doch nicht.

Ob sich die Ozonwerte generell oder nur auf die Zeugungsfähigkeit von Männern mit eingeschränkter Fruchtbarkeit auswirken, wurde allerdings bis heute noch nicht wissenschaftlich bestätigt.

Ebenfalls nicht geklärt, aber vermutet, wird der Einfluß des Bodenozons auf die Fruchtbarkeit des Ackerbodens. Da Bodenbakterien für den Aufschluß von Mineralien und Nährstoffen essentiell sind und zunehmend Nährstoffe fehlen, wird allgemein angenommen, daß ein Großteil der Bodenbakterien durch Ozon vernichtet wird (s.o.). Die tatsächlich zu beobachtende zunehmende Sterilität der Böden ließe sich aber auch umgekehrt durch das Fehlen des Ozons in den oberen Luftschichten erklären. Die dadurch immer größer werdende Durchlässigkeit der Ozonschicht für UV- und andere harte kosmische Strahlung erklärt die zunehmende Sterilität des Erdreichs ebensogut.


*


Was Ozon als Sündenbock für einfach alles prädestiniert, ist die Tatsache, daß der Mensch es durchaus als aggressives zerstörerisches Agens wahrnimmt, das sich aber, sobald er es mit analytischen Methoden genauer zu erfassen sucht, in nichts als harmlosen Sauerstoff auflöst.

Während man Sauerstoff nur dann wahrnimmt, wenn er fehlt, d.h. wenn atembare Luft knapp wird, läßt sich Ozon sehr leicht erkennen. Einschließlich seiner sommerlichen unnatürlichen Vermehrung in den unteren Luftschichten, seinem Aussehen sowie seiner Wirkung unterscheidet es sich doch ganz wesentlich von der zweiatomigen Luftkomponente. Bodenständiges Ozon nimmt man schon in geringen Konzentrationen als "reizend" und störend wahr, so daß man gerne bereit ist, ihm die Schuld an allem möglichen zu geben, doch viele seiner schädlichen Einflüsse lassen sich auch eindeutig zuordnen.

Isoliert und unter Labormaßstäben erzeugt ist Ozon ein blaues, stechend riechendes, die Atemwege reizendes Gas. Sein Name stammt vom griechischen "ozein" für "riechen", und dieser eigentümliche Ozongeruch, den man in der Nähe von elektrischen Anlagen, Kopiergeräten, künstlichen UV-Lampen oder nach Blitzschlägen wahrnehmen kann, da es auch bei elektrischen Entladungen in Sauerstoff entsteht, prägt sich unvergeßlich ein. Ozon läßt sich zwischen zwei unter hoher elektrischer Spannung stehenden Platten erzeugen, an denen Luft vorbeistreichen kann. Es entsteht aber auch aus Stickoxiden unter starker Sonneneinstrahlung (im Sommer):

Wer einmal gesehen hat, wie konzentriertes Ozon bei tiefer Temperatur zu einer tintenartigen, blauschwarzen Flüssigkeit kondensiert, der begreift, daß es für Natur und Umwelt wie andere aggressive Umweltgifte auch in großer Verdünnung nichts Gutes bedeuten kann. Der Theorie nach entsteht die Aggressivität des Ozon aus seiner Neigung zu spontanem, explosivem Zerfall, bei dem wiederum Sauerstoff und ein Sauerstoffatom entsteht.

O3 −−−> O2 + O.

Dadurch wird Ozon ein aggressives Zellgift z.B. für Pflanzen. Lange Zeit war es nicht bekannt, daß neben Schwefeldioxid (saurer Regen), Stickoxiden, Aluminium, Eisen- und Mangan-Ionen auch Ozon als Baumgift wirkt. Schon geringste Konzentrationen, die wie O2 mit der Umgebungsluft aufgenommen werden, "durchlöchern" die Zellmembran. Dadurch können andere Umweltgifte wie Saurer Regen und Krankheitserreger in die Zellen der Nadeln und Blätter eindringen und sie zerstören. Schließlich sterben die Laub- und Nadelbäume ab. Die Zellzerstörung geschieht durch hochreaktiven Sauerstoff, der beim spontanen Zerfall von Ozon in Wärme frei wird:

Der freiwerdende atomare Sauerstoff wirkt keimtötend, weshalb man Ozon auch zur Wasserdesinfektion in Schwimmbädern verwendet. Neben der natürlichen Wäschebleiche sind das die einzigen nützlichen Wirkungen des Ozons. Der typische Geruch in diesen Bädern hängt natürlich damit zusammen, daß ständig ein Teil des Gases aus dem Wasser freigesetzt wird und die Konzentration von Ozon an der Wasseroberfläche höher ist als in der eigentlichen Umgebungsluft. Das führt bei empfindlichen Menschen zu den gleichen schädlichen Begleiterscheinungen wie bei hoher Ozonkonzentration in der Sommerluft.

Das ist aber noch nicht alles. So mancher wird sich schon gewundert haben, warum an Sommertagen besonders Lackfarben, Kunststoffe und Nylongewebe wie alle Gummiteile, Schuhsohlen, Auto- und Fahrradreifen schneller als sonst klebrig, schlierig und einfach unbrauchbar werden. "Gummi", so denkt man vielleicht, "ist auch nicht mehr das, was es einmal war", denn früher war es ein nahezu unverwüstliches Material. Dabei muß man auch diese frühzeitige "Alterung" der zunehmenden Ozonbelastung der Luft zuschreiben.

Zuerst wurde dieser zerstörerische Einfluß in Flugzeugen bemerkt. Weil bei Flügen in 15 Kilometern Höhe Ozon in den Innenraum der Flugzeuge dringen kann und unter den Passagieren Husten und Atembeschwerden hervorrufen würde, leitet man die einströmende Luft über Filter, die Ozon katalytisch in normalen Sauerstoff verwandeln. Die Kunststoffteile im Inneren dieser Filter schienen jedoch nach kurzer Zeit regelrecht zu zerfließen, wodurch sie nicht mehr zu benutzen waren. Kunststoffe werden durch Ozon aufgelöst, indem es mit Hilfe seines leicht abspaltbaren Sauerstoffs vor allem die leicht zugänglichen instabileren Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindungen auftrennt.

Doch nicht nur Kunststoffe, Pflanzen und Mikroorganismen werden von dem aggressiven Gas angegriffen, der Mensch hat durchaus selbst unter den Folgen des sogenannten Sommersmogs zu leiden: Ozon reizt Augen- und Schleimhäute; es kommt zu Atembeschwerden (besonders bei körperlichen Anstrengungen).

Und schließlich fördert Ozon in den unteren Luftschichten den sogenannten Treibhauseffekt. Es gehört nämlich u.a. zu den diskutierten Gasen, die die von der Erde abstrahlende Wärme zurückreflektieren.

Eine Zusammenfassung der Werte und gesicherten schädlichen und als "ätzen" empfundenen Auswirkungen sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt, die den offiziell veröffentlichten Forschungsergebnissen entspricht.

µg/Kubikmeter
120


240

300

400

500




Zeit
13-20 Min.
schwere
Arbeit
2 Stunden
Arbeit
1 Stunde
Arbeit
3 Stunden


Stunden-
durch-
schnitts-
wert des
Tages
Auswirkungen des Ozon

Schleimhautreizungen von Augen,
Rachen, Nase und Hals, Leistungs-
abfall bei Sportlern

Einschränkungen der Lungenfunktion
bei Schulkindern

Einschränkungen der Lungenfunktion
bei Erwachsenen

Beeinträchtigung der Augen-
Dunkeladaption

Husten und Brustschmerzen bei
alltäglicher Arbeit



Erstveröffentlichung 4. Mai 2006
Aktualisierte Fassung

23. April 2008