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UMWELTLABOR/246: Meerdüngungsexperiment mit erwartet unerwünschten Folgen (SB)


Erste Ergebnisse weisen darauf hin, daß sich die Befürchtungen der Kritiker bestätigen


Wie von vielen Kritikern des Experiments schon befürchtet, läuft es bei dem vom deutschen Forschungsschiff "Polarstern" gestarteten deutsch-indischen Großversuch LOHAFEX ("LOHA" bedeutet auf Hindi Eisen, "FEX" steht für Fertilization EXperiment, also Düngungsexperiment) nicht so, wie es die verantwortlichen Wissenschaftler geplant hatten.

Nachdem das Unternehmen wegen zahlreicher Bedenken vorübergehend gestoppt werden konnte, schließlich aber doch noch in letzter Minute von der Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) genehmigt wurde, weil sie in den ihr vorgelegten Gutachten keine naturwissenschaftlichen und rechtlichen Bedenken gegen das Meeresforschungsexperiment erkennen konnte, haben die Forscher der Polarstern wie geplant 300 Quadratkilometer im Südatlantik mit sechs Tonnen Eisensulfat künstlich in eine Kloake verwandelt.

Durch Ausbringen von Eisenpulver über größeren Meeresflächen wird das Algenwachstum befördert. Die Algen sollen Kohlenstoff aus dem Meer in eigene Biomasse umwandeln, dann absterben, zum Meeresboden absinken und so dem System Treibhausgas entziehen (das im Meer gelöste Kohlenstoffdioxid stammt über Umwege aus der Luft). Daß die künstlich provozierte Algenblüte genau so reagiert wie erwartet, hatte man bislang in keinem Experiment nachweisen können. Schon vor dem Experiment hieß es daher:

Derlei wird nun schon seit mindestens 20 Jahren immer mal wieder diskutiert und mitunter marktschreierisch als der Königsweg im Klimaschutz angepriesen. Nur hat bisher keiner nachweisen können, dass es tatsächlich funktioniert. Die Algen können nämlich genauso gut von anderen Lebewesen gefressen oder von Bakterien abgebaut werden, bevor sie den Meeresboden erreichen.
(Telepolis, Wolfgang Pomrehn, 8. Januar 2009)

Genau dies scheint sich jetzt zu bestätigen, wie es in einem aktuellen Bericht der Telepolis heißt, werden die vermeintlichen CO2-Fresser "unerwartet schnell wieder selbst gefressen..."

...und das durch die Einzeller gebundene Klimagas wieder freigesetzt. Nach Aussagen von Ulrich Bathmann, dem Leiter des Fachbereichs Biowissenschaften am Alfred-Wegener-Institut, das das Experiment zusammen mit den indischen Projektpartnern leitet, sei so in der Gesamtbilanz nicht klar, ob Algen, die sich aufgrund der Meeresdüngung stärker vermehren, überhaupt langfristig größere Mengen CO2 binden könnten.
(Telepolis, Matthias Brake, 20. Februar 2009)

Weiter hieß es, die jetzigen Versuche würden ganz anders als frühere Experimente verlaufen, was als ein Argument gegen die großflächige Eisendüngung gelten könne, da ihre Auswirkungen nach den jetzigen Ergebnissen nicht kalkulierbar seien.

Dabei wird vergessen, daß auch schon die Expedition 2000 hauptsächlich wegen dieser Beobachtung als gescheitert betrachtet worden war. Der Leiter des damaligen Experiments, Victor Smetacek, konnte zwar zunächst auch dort bestätigen, daß das Algenwachstum nach der Düngung gegenüber einem ungedüngten Kontrollfeld um das Sechsfache zugenommen habe. Nach drei Wochen hatte sich die Algenblüte auf 500 Quadratkilometer ausgedehnt und war selbst auf Satellitenbildern zu erkennen gewesen. Doch der erhoffte Export von Biomasse in die Tiefsee blieb aus: Kontrollmessungen zeigten keinen Unterschied zu dem ungedüngten Vergleichsfeld.

Die Schlußfolgerung, daß Freßfeinde oder Bakterien, die sich praktisch parallel zu der Algennahrung vermehren, der Grund für die fehlende Biomasse sein müßten, hätte eigentlich ausgereicht, das Experiment ad absurdum zu führen. Denn im Verlauf des Stoffwechsels dieser Lebewesen wird die verdaute Biomasse (Kohlenstoff) wieder in Form von CO2 an die Umwelt ausgeatmet.

Durch dieses Experiment wurde somit nicht nur das ökologische Gleichgewicht der Meereslebewesen gestört (indem eine bestimmte Algenart zulasten einiger anderer Arten gefördert wird, so daß diese Arten im gedüngten Bereich sogar in stärkerem Maße zurückgehen als im unbehandelten Ozean), sondern es ging regelrecht nach hinten los. Das gleiche passiert auch jetzt, wenn zu Ungunsten des Klimas mit einem weiteren Ausstoß von Treibhausgasen durch die unkontrollierte Bakterienvermehrung zu rechnen ist.

Der noch unlängst durchgeführte Versuch im Südatlantik, der, wie Ulrich Bathman, ein Forscher des experimentierfreudigen Alfred-Wegener-Instituts, gegenüber dem Spiegel verlauten ließ, "das bisher größte künstliche Düngungsexperiment überhaupt" werden sollte, stützte seine Erwartungen allerdings auf zwei Arten langsam wachsender südpolarer Kieselalgen, die angeblich durch ihren Silicatpanzer vor Freßfeinden geschützt sein und bei der künstlich induzierten Blüte dominieren sollten.

Während die Forscher vom Alfred-Wegener-Institut jedoch die dieses Jahr preisgekrönte "Emiliania huxleyi" Alge im Sinn hatten, die als der maßgebliche Schlüsselorganismus gehandelt wird, der sich durch Zugabe von Eisensulfat weltweit vermehren läßt, in ihrem Stoffwechsel Calciumcarbonat herstellt und in künstlich erzeugten Algenblüten bis zu 90 Prozent des Phytoplanktons ausmachen soll, hat man bei dem jetzigen Experiment hauptsächlich das Wachstum der Algenart "Phaeocystis globosa" gefördert, die u.a. auch in der Nordsee beheimatet ist.

Dabei handelt es sich um eine zwar ebenfalls Kalkbindende Schaumalge, die kugelförmigen Kolonien bildet, die sich als unangenehmer Schaum zeigen. Diese Algenart ist dafür berüchtigt, dem Meerwasser Sauerstoff zu entziehen und hat durch eine unkontrolliert starke Algenblüte in manchen Zonen zu O2-Mangel und Fischsterben geführt.

Bei dieser Alge habe man schon nach vier Tagen eine deutliche Wachstumssteigerung durch die Düngung festgestellt, in den Experimenten davor hatte man derartiges erst nach 10 bis 14 Tagen beobachten können. Dennoch muß dieser Versuch als gescheitert gelten, da sich auch vermehrt Zooplankton im gedüngten Meeresareal konzentrierte, das gewissermaßen von den Algen angelockt wurde, die seine Nahrungsgrundlage darstellen.

Die Schlußfolgerungen des letzten Versuchs von 2000, daß das von den Algen gebundene Kohlendioxid von algenfressenden Bakterien und Mikroorganismen verstoffwechselt und letztlich wieder ausgeatmet wird, haben sich somit bestätigt.

Man kann nur hoffen, daß nicht allzu viele Algen dieses menschlich induzierte "Festmahl" überleben, so daß sich zumindest die Sauerstoffverarmung nach diesem Chemieangriff in für die dort heimische Meeresfauna bewältigbaren Grenzen hält.

3. März 2009