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UMWELTLABOR/257: Wozu eisenhaltiger Reis ... (1) (SB)


Nano- oder Gentech - Grundnahrungsmittel als Werbeträger mißbraucht


Laut einer jüngeren Meldung des Informationsdienstes Wissenschaft e.V. (idw) soll es nun endlich einen Hoffnungsschimmer im Kampf gegen Eisenmangel geben.

Doch ist Eisenmangel tatsächlich eine Bedrohung? Diese Frage stellt man sich durchaus zu recht, denn hierzulande ist diese Mangelerscheinung kaum noch bekannt. Darüber hinaus sind die äußeren Symptome leicht mißzudeuten, so daß manche Ohnmacht aus der Generation unserer Urgroßmütter eher dem schlecht sitzenden Korsett als einer Mangelversorgung zuzurechnen war.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO sollen etwa zwei Milliarden Menschen heute noch an Eisenmangel leiden. Wie sich herausstellt, betrifft es jedoch vor allem Menschen in den Entwicklungsländern, die nicht nur an mangelnden Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen, sondern schlicht an Hunger leiden. Daher ist der erwähnte Symptomkreis ("diese Menschen ermüden schnell, können Schadstoffe im Körper nur ungenügend abbauen und erkranken über längere Zeit an Blutarmut") sehr schwer allein auf Eisenmangel zurückführbar.

Allerdings kommt dieser wohl noch dazu, denn wie man der Meldung weiter entnehmen kann, sind die in den Entwicklungsländern verfügbaren Grundnahrungsmittel aus vorgeschobenen Gründen der schlechteren Haltbarkeit in der Regel nährstoffärmer und von minderer Qualität als die in Industrieländern angebotenen:

Besonders davon betroffen sind Frauen und Kinder in Entwicklungsländern, die sich hauptsächlich von Reis ernähren. Denn die geschälten Reiskörner (polierter Reis) enthalten nicht genügend Eisen und decken selbst bei hohem Konsum den Tagesbedarf eines Menschen nicht. Eine ausgewogene Ernährung oder Eisenpräparate sind für viele Menschen in diesen Ländern unerschwinglich.
(idw, 20. Juli 2009)

Bezeichnend für die Gentechnologie, daß sie sich auf eine derart bedürftige Klientel stürzt, um neue genmanipulierte Gemüsesorten im Feldversuch auf mögliche Nebenwirkungen hin zu erproben. Denn Wissenschaftlern der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich ist es jetzt gelungen, den Eisengehalt in polierten Reiskörnern auf das Sechsfache zu steigern. Dazu übertrugen die Forscher zwei pflanzliche Gene in eine bestehende Reissorte. Man darf gespannt sein, wann dieser Reis in den betreffenden Ländern unter dem Vorwand, den Hunger der Welt damit zu stillen, verteilt werden wird:

Die Pflanzen sollen dereinst den Eisenmangel insbesondere in afrikanischen und asiatischen Entwicklungsländern lindern.
(idw, 20. Juli 2009)

Soweit ist alles klar. Dafür, wie das Element im Reis, der eigentlich von Natur aus schon viel Eisen enthält, weiter angereichert werden soll, haben Schweizer Forscher der Pflanzenbiotechnologie (der politisch korrekte Begriff für Genmanipulation) um Dr. Christof Sautter und Prof. Wilhelm Gruissem im Labor für Pflanzenbiotechnologie der ETH Zürich eine Theorie und eine neue Reissorte entwickelt. Ihre Arbeit stellen sie in der aktuellen Online-Ausgabe des "Plant Biotechnology Journal" vor.

Nun scheint diese zunächst absurd, da sich Eisen bekanntlich hauptsächlich in der Hülle des Reiskorns anreichert, aber nicht in dem stärkehaltigen weißen Kern. Da ungeschälter Reis im tropischen und subtropischen Klima schnell ranzig würde, müsse man zur Lagerung die Reishülle samt dem wertvollen Eisen entfernen, hieß es. Dennoch würde auch im geschälten Reis der Eisengehalt um das Sechsfache gesteigert. Wie das funktionieren soll, darüber gab der Informationsdienst Wissenschaft Auskunft:

Die Reispflanze produziert mit Hilfe der eingebrachten Gene vermehrt das Enzym Nicotianamine-Synthase, welches das Eisen mobilisiert, und das Eiweiss Ferritin, welches das Eisen speichert. Ihr Zusammenspiel sorgt dafür, dass die Reispflanze mehr Eisen aus dem Boden aufnehmen und dieses Eisen im Reiskorn anreichern und speichern kann. Das Produkt der Nicotianamine-Synthase, das Nicotianamin, bindet das aus dem Boden mobilisierte Eisen vorübergehend und macht das Eisen in der Pflanze transportfähig. Ferritin ist in der Pflanze ebenso wie im Menschen ein Depot für Eisen. Die Forscher haben die Aktivität der eingefügten Gene so gesteuert, dass Nicotianamine-Synthase in der ganzen Reispflanze gebildet wird, das Ferritin aber nur im Inneren des Reiskorns. So wirkt sich das Zusammenspiel der beiden Gene positiv auf den Eisengehalt des geschälten Reiskorns aus und steigert ihn im polierten Korn bis auf das Sechsfache gegenüber der ursprünglichen Reissorte.
(idw, 20. Juli 2009)

Die dadurch erreichte Eisenkonzentration im geschälten Reis reicht jedoch noch nicht aus. Die Forscher arbeiten an einer Verdopplung des Ergebnisses.

Keine negativen Auswirkungen?

Laut Informationsdienst Wissenschaft versprechen sich die Züricher Wissenschaftler schon jetzt viel von der neuen Reissorte. Die Prototypen im Gewächshaus sind äußerlich nicht von normalen Pflanzen zu unterscheiden und geben keinen Hinweis auf mögliche Nachteile wie etwa Ernteverluste. Ein unspektakuläres Gewächs eignet sich auch besser für unauffällige Feldversuche, denn:

"Als nächstes müssen wir in Feldexperimenten prüfen, ob die Reispflanzen auch unter landwirtschaftlichen Bedingungen bestehen können", sagt Wilhelm Gruissem.
(idw, 20. Juli 2009)

Professor Gruissem ist davon überzeugt, daß keine Gefahr von den genveränderten Pflanzen ausgeht bzw. ihr Anbau sich negativ auf ihre Umwelt auswirken könnten. Daß die Reispflanzen durch die verbesserte Eisenaufnahme etwa den Boden auslaugen, hält dieser Wissenschaftler für unwahrscheinlich, da Eisen das häufigste metallische Element im Boden sei. Warum aber braucht man dann eisenanreichernden Reis? Schon im Grundwasser wäre dann ausreichend Eisen. Jedes weitere Agrarprodukt, das von Natur aus Eisen aufnimmt, würde unter diesen günstigen Umständen auch den Zweck erfüllen. Jedes neue genmanipulierte Saatgut, das sich durchsetzt, auch Gentech-Reis, verringert, wie man es schon bei anderen gentechnisch manipulierten Agrarprodukten gesehen hat, dagegen systematisch die Vielfalt auf den Feldern in der unmittelbaren Umgebung.

Zwar betonen die Schweizer Forscher, daß bis zur Einführung des eisenhaltigen Reises in den landwirtschaftlichen Anbau noch Jahre vergehen würden, weil dem neuen Produkt im Gewächshaus und im freien Feld viele Untersuchungen zur Biosicherheit sowie agronomische (ackerbaukundliche) Tests abverlangt würden. Doch während diese Tests mit dem entwickelten Prototyp noch laufen, arbeiten die Forscher der ETH schon daran, die Speicherleistung für Eisen im Reis noch um ein Vielfaches zu steigern.

Obwohl die neue Reissorte bereits ernährungsphysiologisch wirksame Eisenmengen enthält, möchte Gruissem den Eisengehalt in den Reiskörnern weiter steigern. Denn viele Menschen, die an Eisenmangel leiden, können sich nur eine Mahlzeit am Tag leisten. Gelänge es den Wissenschaftlern, das Eisen im Reiskorn auf das zehn bis zwölffache zu erhöhen, würde bereits eine Reis-Mahlzeit ausreichen, um den täglichen Eisenbedarf eines Menschen zu decken.
(idw, 20. Juli 2009)

Stammt die Beurteilung der Umwelttoxizität also von Reissorten, die letztlich gar nicht im Ackerbau Anwendung finden werden und die man auf den nicht untersuchten Reis einfach überträgt?

Und auch eine weitere Frage, wird von den Pflanzenbiotechnologen hier nicht erörtert. In vielen biologischen Systemen arbeiten die fraglichen Enzyme, die zum Transport und zur Lagerung von Metallionen zuständig sind, nicht spezifisch für ein einziges Element. Das Transferrin im menschlichen Körper hat beispielsweise außer zu Eisen auch eine hohe Affinität zu Blei. Könnte es da nicht denkbar möglich sein, daß durch die zwölffach erhöhte Metallaufnahmekapazität auch andere unerwünschte Schwermetalle von der Reispflanze absorbiert würden?

Soviel zur pauschalen Verneinung möglicher negativer Folgen, ohne auch nur die für sich schon nicht unproblemantischen und vielfach diskutierten negativen Folgen der Gentechnik berührt zu haben.

Die Forscher der ETH Zürich scheinen dagegen fast persönlich betroffen, daß die allgemeine Anerkennung ihres Projekts noch auf sich warten läßt:

Die Erfahrungen mit dem Vitamin-A-haltigen "Goldenen Reis", der an der ETH Zürich und der Universität Freiburg i.Br. entwickelt wurde, zeigen, dass es Jahre dauert, bis ein genveränderter Reis tatsächlich angebaut wird. Die regulatorischen Hürden und die Kosten sind hoch, um gentechnisch veränderte Pflanzen für die Landwirtschaft und Konsumenten bereitzustellen. Das Ziel der ETH-Wissenschaftler ist, Kleinbauern und Selbstversorgern den genetisch veränderten Reis kostenlos zur Verfügung zu stellen.
(idw, 20. Juli 2009)

Allein schon die neuerliche Publicity um den eisenangereicherten Reis hat sich für die Gentechnik-Befürworter ähnlich wie beim "Golden Reis" seinerzeit schon ausgezahlt. Denn solange man über die mehr oder weniger starke Nützlichkeit des Genprodukts diskutiert oder wie sinnvoll sein Einsatz in der Landwirtschaft sein könnte, wird die präkere Technologie, die mit allen ihren Unsicherheiten und potentiellen Gefahren dahinter steht, nicht mehr berührt oder gar in Frage gestellt.

Es gäbe außerdem weitaus billigere Alternativen zu dem mit Millionen Dollar geförderten Reis-Projekt, die u.a. schon in China angewendet werden. Über dieses ebenfalls in der Schweiz entwickelte Verfahren, Reis mit Nanoeisen anzureichern und über Feldversuche, die mit diesen künstlichen, eisenangereicherten Preßreiskörnen an 134 indischen Kindern aus Bangalore unternommen wurden, und über die "Gesundheit", die eine zusätzliche Aufnahme von Eisen mit sich bringt, berichten wir in der nächsten Folge.

14. August 2009