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UMWELTLABOR/271: Seltene Erden - Ausverkauf bis in die Tiefsee (SB)


Das Rennen um Tiefsee-Öl ist eigentlich nur der Startschuß

Bodenschätze sichern die Position im Machtgefüge, doch zu welchem Preis


Schon im Januar gab die US-Regierung grundsätzlich grünes Licht für weitere Tiefseebohrungen nach begehrtem Erdöl, wenn auch unter verschärften Auflagen. Für Anfang Juli wurde dem Unternehmen, das die durch die Havarie der Bohrplattform "Deepwater Horizon" ausgelöste, bisher größte Ölpest und Umweltkatastrophe aller Zeiten zu verantworten hat, nämlich dem britischen Ölgiganten BP, offiziell erlaubt, seine zehn bereits existierenden Plattformen wieder in Betrieb zu nehmen. Mit weiteren Genehmigungen für neue Bohrlöcher wird laut Sunday Times aus dem April 2011 noch im Verlauf des Jahres gerechnet [1].

Daß also besagtes Unglück 2010 und seine bisher unbewältigten Folgen den Run um die Bodenschätze der Tiefsee bis auf weiteres stoppen könnte, war und ist wohl ein frommer Wunsch. Dazu hat sicher auch die Verschleierungsstrategie von BP beigetragen, die mit einem massiven Einsatz von umweltschädigenden Chemikalien wie Corexit die gewaltigen Ölmassen im Meer dispergieren und somit für den größten Teil der Öffentlichkeit "verstecken" konnte. Denn "was man nicht sieht", scheint niemanden zu kümmern und so ist die Medienresonanz auf eine der wohl gigantischsten Umweltkatastrophen äußerst gering, selbst wenn Kritiker dieser Maßnahme immer wieder auf die wesentlich gravierenderen und unübersehbaren Folgen für Natur, Meer und Ökosysteme hinweisen.

Unabhängig davon warnt niemand vor den massiven Umwälzungen und Eingriffen in den Untergrund des Tiefseebodens, welche derartige Bergbauarbeiten zwangsläufig mit sich bringen. Noch weniger werden mögliche geosphysikalische Folgen diskutiert, die man mit Erdarbeiten und dem Extrahieren von Bodenschätzen aus dem Meeresgrund riskiert. Die potentielle Gefahr solcher Unternehmen wird seit jeher unterschätzt. Erdbewegungen und Tsunamis, wie sie unlängst Japan heimsuchten, deren Erschütterung sogar, wie Jann-Yenq Liu von der National Central University in Chung-Li, Taiwan, zeigen konnte, an Veränderungen in 350 Kilometer Höhe in der Ionosphäre der Erde gemessen werden konnten [2], werden in keiner Weise ursächlich mit den Erdarbeiten im Tiefseeboden in Zusammenhang gebracht. Und doch wird die ganze Erdkruste durch die geologisch-industrielle Ausbeutung tiefer Erdschichten wortwörtlich erschüttert.

Nur die Spitze eines Eisberges

Es spricht einiges dafür, daß auch die Suche nach Öl nur die Spitze des Eisbergs für die noch zu erwartende Industrialisierung des Meeresgrundes ist, denn viele westliche Industrieländer, aber auch Indien und China [3] sowie Öl- und Bergbaukonzerne intensivieren seit einiger Zeit Forschungsprojekte, die sich mit der Suche nach Rohstoffen jenseits der Kontinentalränder befassen. So sind laut einem Bericht im Internetmagazin "Technologie Review" neben Öl auch Erdgas in Form von Methanhydrat oder seltene Metalle enthaltende, sogenannte Manganknollen in 4.000 bis 5.000 Metern Tiefe seit langem attraktive Objekte, nach denen der Meeresgrund mehr oder weniger systematisch abgegrast wird. In letzteren kommt neben Mangan auch das begehrte Kobalt vor, das großen Bergbau-Konzernen in der Tiefsee leichter zugänglich scheint, als es im politisch instabilen Zentralafrika zu fördern. Während sich schon bei der Tiefsee-Ölförderung, die immer auch mit einer im besten Fall geringen Kontamination der direkten Förderstellenumwelt mit Öl einhergeht, die ökologischen Folgen nur schlecht abschätzen lassen, sind die Folgen beim Absaugen von Meeressedimenten oder anderem gezielten "Tagebau" unter dem Meeresgrund völlig ungeklärt.

Besonderes Augenmerk besitzen nach jüngsten Analysen japanischer Wissenschaftler die Erschließung unterseeischer Bergrücken und mineralreiche Sediment- und Sulfiderzvorkommen an heißen Quellen (sogenannten Schwarzen Rauchern). Laut spektrumdirekt vom 8. Juli 2011 strömt dort extrem mineralreiches Wasser aus, dessen Bestandteile chemisch ausfallen oder von Mikroben aufgenommen werden. Nach deren Absterben sammeln sich die Stoffe als Sediment oder Schlamm auf dem Meeresboden an. Yasuhiro Kato von der Universität Tokio und seine Kollegen haben danach an 78 verschiedenen Stellen rund 2.000 Sedimentproben aus dem Tiefseeboden des Pazifiks gezogen und chemisch analysiert [4].

Die Ergebnisse versprechen, abgesehen von wirklich seltenen Metallen, vor allem bedeutende Funde an "Seltenen Erden", und das in so hohen Konzentrationen, daß "bereits der Abbau auf fünf Quadratkilometer Fläche den momentanen Jahresbedarf der Menschheit decken könnte [4]".

Im Widerspruch zu ihrem Namen kommen Seltene Erden tatsächlich gar nicht so selten in der Natur vor. Der Begriff stammt noch aus den Tagen der Alchimie, als man die schwer schmelzbaren, pulvrigen Oxide der Metalle der Gruppen II und III mit "Erden" bezeichnete und Seltene Erden tatsächlich wesentlich "selten"er als andere Erden "chemisch" verwendet wurden - letzteres unter anderem auch deshalb, weil die 15 Elemente Lanthan, Cer, Praesodym, Neodym, Promethium, Samarium, Europium, Gadolinium, Terbium, Dysprosium, Holmium, Erbium, Thulium, Ytterbium und Luttetium fast immer miteinander vergesellschaftet vorkommen und sich chemisch so sehr ähneln, daß sie sich bis vor wenigen Jahren nur ganz mühsam und aufwendig trennen ließen. Darüber hinaus bilden sie alle vergleichbar weiche, graue, sehr reaktionsfähige Metalle (Cer entspricht in seiner Härte etwa Zinn).

An Land findet man Seltene Erden besonders in Ablagerungen und Sanden, darunter dem sogenannten Monzitsand, sogar häufiger, als viele andere, ebenfalls begehrte technisch nutzbare Elemente, die man üblicherweise nicht mit diesem Attribut versieht wie etwa Arsen (As), Cadmium (Cd), Wolfram (W), Germanium (Ge) oder Quecksilber (Hg). Einige der Lanthanoide (so der Gruppenname im Periodensystem) sind in der Erdrinde nicht einmal so selten wie Silber, Gold oder Platin anzutreffen und halten etwa den gleichen Rang wie Kupfer und Nickel.

Selten aus Gründen der Politik

Doch wenn der Name aus geologischer Sicht auch täuscht, sind die begehrten Metalle meist nur in wenigen Ländern verfügbar, die auf diese Weise eine gewisse Marktmacht erhalten. Anders gesagt liegt es allein an diesen Ländern, wie "selten" Lanthanoide für die verbrauchende Industrie tatsächlich sind. Im Falle von Neodym und anderen Seltenen Erden ist das vor allem China. Das macht die Funde im Meer international so bedeutend, aber auch für die Ausfuhrländer, die bisher das Monopol darauf beanspruchten. So sollen allein die Proben rund um Hawaii im Minimum eine Konzentration von 0,1 Prozent der gewünschten Metalle nachweisen, im südöstlichen Pazifik bei Tahiti sogar einen Wert von 0,2 Prozent. Das entspricht einer Ausbeute, die auch einige Minen in China fördern können.

Peking schicke sich nicht nur an - wie sich die Bundesanstalt für Geologie und Rohstoffe (BGR) in einem "Positionspapier zur Warnung vor erhöhten Versorgungsrisiken in den nächsten Jahrzehnten" empörte - existierende Abbaubegrenzungen strenger durchzusetzen, sondern plane noch weitere Exportbeschränkungen. Dadurch könnte bis ins Jahr 2030 eine Versorgungslücke für die westliche Industrie entstehen. Von den USA, der EU und Mexiko wurden bereits Klageschritte bei der Welthandelsorganisation WTO gegen China erwogen. Daß aber möglicherweise auch China, das man hierzulande wegen seines unglaublichen Industrie- und Wirtschaftsbooms in jüngster Vergangenheit immer wieder gern zum Buhmann deklariert, gerade diese für Militär-, Rüstungsgüter-, Informations- und Energietechnologien unverzichtbaren Rohstoffe selbst notwendig braucht, um dem wachsenden politischen wie wirtschaftlichen Druck konkurrierender Mächte standzuhalten, während beispielsweise der Wert von Währungsreserven (US-Dollar) von geringerer und von außen beeinflußbarer Stabilität ist, konnte bereits anhand anderer seltener Metalle analysiert werden (siehe hierzu auch "Schattenblick → Infopool → Umwelt → Redaktion: RESSOURCEN/106: Geostrategisches Geschachere um Wolfram (SB)"). Bei gleichbleibendem Exportumfang würde China in kürzester Zeit seine Marktmacht eingebüßt haben, um so schneller bei einer Anpassung der Ausfuhrgeschwindigkeit an die wachsende Nachfrage.

Der Alltag wird von seltenen Erden beherrscht

Seltenen Erden kommen natürlich nicht nur in der Militär-, Luft- und Raumfahrtindustrie, sondern auch in vielen modernen Schlüsseltechnologien besondere Bedeutung zu. Es gibt gegenwärtig wohl kaum einen Fernseher, kein Handy, keinen Flachbildschirm oder Computer, keine Solar- oder Brennstoffzelle, die ohne Seltene Erden funktionieren würde.

Beispielsweise wurde "Europium" (Eu) bereits in den alten Röhrenbildschirmen (z.B. Y2O2S + 6% Eu für die Rotkomponente des RGB- Farbraums [5]) benötigt. Heute findet es vor allem in LEDs, in Plasmabildschirmen sowie Energiesparlampen Verwendung.

Neodym bewirkt, daß magnetisiertes Eisen die magnetische Wirkung behält. Neodymhaltige Dauermagnete werden in permanenterregten Elektromotoren verwendet, vor allem in Generatoren von Windkraftanlagen sowie im elektrischen Motoranteil von Kfz-Hybrid- Motoren eingebaut. Diese vermeintlich sauberen bzw. energiesparenden Technologien sind unlängst u.a. wegen der verwendeten Rohstoffe zunehmend in den Fokus öffentlicher Kritik geraten (siehe hierzu auch "Schattenblick → Infopool → Umwelt → Redaktion: RESSOURCEN/133: Neodym-Abbau - Verkürzte Kritik an umweltschädlichen Windrädern (SB)"), weil bei ihrer Förderung radioaktive Elemente (vor allem Thorium) in die Umwelt gelangen können, die mit den Seltenen Erden vergesellschaftet vorkommen und somit gemeinsam an die Erdoberfläche befördert werden [6].

Abgesehen davon wird Lanthan (La) für Legierungen in den seit einigen Jahren meistgenutzten Nickel-Metallhydrid-Akkus (Ni-MH) benötigt. Sie sollen umweltfreundlicher sein als die früher verwendeten Nickel-Cadmium Akkus (Ni/Cd).

Eine der wichtigsten Anwendungen der Lanthanoide überhaupt besteht in deren Verwendung bei der Herstellung von niedriglegierten Stählen. Ein Zusatz von geringen Mengen an Lanthanoiden zu Stählen, die zu Blechen und Röhren verarbeitet werden, verbessert Festigkeit und Verarbeitbarkeit. Außerdem wird die Korrosionsbeständigkeit erhöht.

Dreizehn Prozent der Seltenen Erdmetalle sollen in Polituren Verwendung finden. In Spezialgläsern werden weitere zwölf Prozent verschiedener seltener Erden genutzt. Weitere acht Prozent für die Leuchtmittel der Plasma- und LCD-Bildschirme, für Energiesparlampen und Radargeräte. Darüber hinaus werden Seltene Erden in der diagnostischen Radiologie (Medizin) als Kontrastmittelbeigabe bei Kernspin-Untersuchungen (wie Magnetresonanztomographie CMT) verwendet.

Ein Bedarf ist somit gegeben. Lag noch 1950 die Weltproduktion an Seltenerd-Metallen bei bis zu 2.000 Tonnen beläuft sich der jährliche Weltbedarf laut Spektrumdirekt (28/2011) derzeit auf 112.000 Tonnen [4].

Andere Quellen geben den weltweiten Verbrauch von 2009 sogar mit 124.000 Tonnen oder die Weltjahresproduktion 2008 mit 139.000 Tonnen [7] an. Dem gegenüber steht ein erwarteter Bedarf für 2012 von 189.000 Tonnen. Die unterschiedlichen Zahlen rühren möglicherweise daher, daß zwischen den 15 Elementen der Seltenen Erden und einem Abbaumix, in dem auch weitere dieser vergesellschaftet vorkommenden "seltenen" Metalle mit dazugerechnet werden, in den Statistiken nicht unbedingt immer sauber unterschieden wird. Fraglich ist aber auch, welche Mengen des vermeintlichen Bedarfs gehortet oder eingelagert werden, um in Krisenzeiten über ausreichend Rohstoffe zu verfügen, um beispielsweise Computer- und Informationstechnologien weiter produzieren zu können.

Wachsender Bedarf muß laufend neu geschaffen werden...

Den scheinbar immer größer werdenden Bedarf an diesen Metallen soll vor allem die Hinwendung zu den vermeintlich klima-, umweltfreundlichen wie energiesparenden "CleanTech"nologien (grüne High-Technologie) rechtfertigen, unter denen man u.a. saubere Windenergie-, Solarenergie, Brennstoffzellentechnik wie auch die bereits genannten Energiesparlampen und weitere energieeffiziente Elektronik versteht. Dies und die Betonung der breiten Anwendung dieser Rohstoffe in technischen Erzeugnissen, die den Komfort und den Alltag unserer industrialisierten Welt ausmachen, täuschen aber darüber hinweg, daß viele dieser mehr oder weniger energiesparenden Elektronikbauteile aus der erfolgreichen Forschung an Waffen- und Rüstungstechnologie stammen oder aus Technologien, die eine qualifiziertere Form der Herrschaftssicherung gewährleisten.

Tatsächlich findet die industrielle Nutzung von Seltenen Erden vor allem in drei, äußerst umweltbelastenden Bereichen statt: In der Keramik- und Glasindustrie, in der Metallurgie und in der Erdölraffinierie (einige Ln-Mischoxide dienen als Katalysatoren beim Cracken von Erdöl) [8].

... mit Multiferroika, Supraleitern und Superfrierern...

Dagegen hält der "CleanTech"-Bereich bei genauerer Betrachtung nicht in jedem Fall, was er verspricht, ist aber immer wieder für die Ankündigung sensationeller Forschungsergebnisse gut. So war vor wenigen Tagen im Deutschlandfunk von sogenannten Multiferroika die Rede, bestimmte Verbindungen, die sowohl dauermagnetisch als auch dauerhaft elektrisch geladen sein sollen. Das reicht aus, um diese Materialien als energiesparenden Bestandteil in Speicherbausteinen einer Informationstechnologie vorzustellen, die allerdings erst noch erfunden werden muß. Bisher wurde in der Grundlagenforschung ein kleiner, grauer Kristall, bestehend aus den Elementen Terbium (gehört zu den Seltenen Erden), Mangan und Sauerstoff untersucht, der diese seltsame Doppel-Eigenschaft im "Femtomaßstab" (das ist kleiner als der atomare Bereich) zeigen soll. Nun funktionierte der Nachweis an dem bisher untersuchten Material nur bei Temperaturen von -250 Grad Celsius. Man hoffe, "daß sich die Ergebnisse auch auf andere Materialien übertragen lassen", war das desillusionierende Fazit [9].

Desillusionierend ist dies vor allem deshalb, weil bereits seit 100 Jahren das Phänomen der Supraleitung mit der gleichen Hoffnung seinen Forschungsaufwand rechtfertigt. Unter anderem hat man bei den Leitervarianten für den "Hochtemperaturbereich" ebenfalls große Hoffnung in die Seltenen Erden gesetzt.

Supraleiter sind per Definition Materialien, deren elektrischer Widerstand praktisch null ist, so daß bei der Energieleitung kein Reibungsverlust (z.B. in Form von Wärme) entsteht. Auch diese Forschung war bisher recht fruchtlos, weil erstens immer noch ein Rest Widerstand bleibt und zweitens auch die ausgeklügelsten Legierungen nur in der Nähe des absoluten Nullpunkts (d.h. -273,15 Grad Celsius bzw. 0 Kelvin) erst annähernd "supraleitend" werden. Das erste 1911 von Heike Kamerlingh Onnes vorgestellte Material war bei genau 4,2 Kelvin supraleitend. Später fand man Metallverbindungen, die diese Eigenschaft tatsächlich schon bei 23 Kelvin besitzen. Doch die Kühlung mit flüssigem Helium ist energieaufwendig und extrem kostspielig.

Zwar gibt es seit 1987 Spezialkeramiken (sogenannte Hochtemperatursupraleiter), die von flüssigem Stickstoff gekühlt bei bereits 77 Kelvin supraleitend sein sollen. Kühlsysteme, die auf flüssigem Stickstoff beruhen, arbeiten kostengünstiger als Systeme, die flüssiges Helium herstellen müssen. Nur sind Keramiken bekanntlich spröde und lassen sich technisch nicht in biegsame Drähte verarbeiten.

Jetzt konzentriert sich an der TU Dresden die Forschung auf sogenannte "Seltenerd-Übergangsmetallborkarbide", bei denen bereits ohne weitere Optimierung kritische Temperaturen bis sage-und-schreibe "25 Kelvin" gefunden wurden, was nur ein winziger Schritt - besser gesagt das Zucken eines Amöbenfußes - in die richtige Richtung bedeutet, aber auch wieder "Anlaß zu neuer Hoffnung" und neuen Forschungsansätzen. Nur Supraleiter hat man damit noch lange nicht.

Viel mehr sollte man daher auch nicht von der bereits erwähnten "cleanen" Wasserstoffgewinnungs- und Wasserstoffspeichertechnologie erwarten. Auch hier will man mit Seltenerd-Metallen Probleme lösen, zu äußerst unbefriedigenden Ergebnissen.

... mit atmenden Speichern und Hitzewallungen

US-Forscher versuchen beispielsweise mit Seltenen Erden die "Reformierung" (d.h. die Umwandlung) von Methan zu Wasserstoff zu vereinfachen. Sie machen sich dabei zunutze, daß diese Elemente in Anwesenheit von Wasserdampf und Methan Wasserstoff freisetzen können. Die Oxide der Elemente Cer, Terbium, und Präsodym können in zyklischen Reaktionen Sauerstoff gewissermaßen "ein- und ausatmen" und dabei Wasserstoff abgeben, wenn gleichzeitig Methan und Wasserdampf vorhanden sind. Diese Eigenschaft ist schon lange bekannt, doch das Ein- oder Ausatmen hängt diesmal von extrem hohen Temperaturen ab, also großen Mengen an Energie, was die gesamte "klimasaubere", CO2-sparende Technologie mit umgekehrtem Wertzeichen ad absurdum führt.

Auch nach jüngsten vermeintlich "revolutionären" Erfolgen, bei denen mithilfe ins Material eingebauter Eisenatome deutlich niedrigere Temperaturen erreicht wurden, verlangt das "Ausatmen" immer noch 700 Grad Celsius (dabei wird aus dem Kristallgitter der Oxidverbindung Sauerstoff freigesetzt; dieser reagiert mit dem Methan zu Kohlendioxid, wobei Wasserstoff (H2) frei wird). Das "Einatmen" funktioniert bei Temperaturen von 375 Grad Celsius (Wasserdampf wird zu Wasserstoff und Sauerstoff reduziert, der sich wieder in das Kristallgitter der Oxidverbindung einbaut). Ungeklärt bleibt bisher, mit welcher "grünen" Technologie man in diese hohen Temperaturbereiche quasi wechselweise umschalten will, um die "Atmung" in Gang zu halten, ohne dabei CO2 zu produzieren.


Kein bißchen toxisch!?

Neben den inzwischen jedoch unverzichtbaren hochtechnologischen Anwendungsbereichen für Seltene Erden gewinnen die Elemente in China zunehmend eine fragwürdige Bedeutung in der Tiermast.

Seit etwa 40 Jahren betreiben chinesische Wissenschaftler systematische Forschung zum Zusatz Seltener Erden im Schweinefutter. Gleichzeitig wird die Verwendung als Düngemittelzusatz in der Landwirtschaft geprüft. Seit 2003 sind Seltene Erden im Tierfutter auch in der Schweiz zugelassen. Ertragssteigerungen in der Größenordnung von zehn Prozent bei Nutzpflanzen sowie schnellerem Wachstum und besserer Futterverwertung bei Nutztieren sind dabei die lockenden Versprechen, mit denen man Tier und Mensch genau genommen "Schwermetallen" mit unerforschten gesundheitlichen Nebenwirkungen aussetzt.

Auch an der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) wurde die leistungsfördernde Wirkung des angeblich überhaupt "nicht toxischen" Wundermittels mit Seltenerd-Konzentraten aus China, die Lanthan und Cer enthalten, überprüft. Die Dosierung im Futter (Zusammensetzung nach DLG-Empfehlungen) beträgt 100 mg SE/kg, womit eine Steigerung der Mastendmasse bei männlichen Broilern (Brathähnchen) um 7 Prozent erreicht wurde. Dabei kommt es angeblich nicht zu einer Anreicherung der Seltenen Erden im Fleisch und den Organen.

Bisher ist den Forschern jedoch nicht klar, worauf dann die positive Wirkung zurückzuführen ist. Man vermutet eine entzündungshemmende und immunstimulierende Wirkung, die Tiere können augenscheinlich das Futter besser verwerten. Jüngere Studien zeigen auch deutlich keimtötende Eigenschaften ab bestimmten höheren Dosierungen (unter dieser Dosierungsgrenze fördern Seltene Erden paradoxerweise das Bakterienwachstum). Dies erklärt vielleicht, warum Seltene Erden bereits als Alternative für antibiotische Leistungsförderer diskutiert werden, die in der EU seit 2005 verboten sind. [8]

Abgesehen von dem zur Zulassung in der EU vorgeschriebenen und der EFSA (European Food Safety Agency) bereits vorgelegten "Unbedenklichkeitsnachweis" [10], in dem behauptet wird, daß Seltene Erden überhaupt nicht toxisch seien, gibt es jedoch frühere Studien, die sich mit der chemischen Verwandtschaft von geladenen Ionen der Seltenen Erden (also Salzen dieser Substanzklasse) befassen, die sich wie Calcium-Ionen verhalten und auch bei bestimmten Stoffwechselfunktionen damit verwechselt werden. In einem solchen Zusammenhang wären aber toxische Wirkungen durchaus vorstellbar [11].

Auch der in der Dissertation der Tierärztin Isabel Schöne als nicht besorgniserregend bewertete Befund, "erhöhte Absorptionsraten konnten bei Jungtieren und Tieren, die einen diätetischen Mangel an Calcium, Phosphor oder Vitamin A hatten, ermittelt werden (Venugopal und Luckey, 1978)" [10], bekommt dann für den Verzehr der mit Seltenen Erden gemästeten Tiere eine andere Bedeutung.

Dies bestätigt auch das Fazit der polnischen Kurzstudie "Minireview - Toxicological and cytophysiological aspects of lanthanide action", das eine Wirkung von Lanthanoiden auf sämtliche Stoffwechselfunktionen zumindest für sehr wahrscheinlich hält, die sich auch auf physiologische Prozesse in den Zellen von Menschen, Tieren und Pflanzen ausweiten könne [11]. Die Wirkungsmechanismen, die dies zwischen Seltenen Erden und Zellfunktionen vermitteln, seien allerdings noch nicht bekannt und erforderten weitere Forschung.

Daß über die "erforderliche" weiterführende Forschung auf diesem Gebiet offenbar nichts zu finden ist, spricht für sich, scheint es doch um ganz andere Interessen zu gehen, wenn man die Ausfuhrbeschränkung der Förderländer z.B. mit den Funden in polymetallischen Krusten, die Yasuhiro Kato von der Universität Tokio und seine Kollegen entdeckt haben, umgehen könnte.

Spricht man mit Ausrüstern für Meerestechnik, scheint es nur noch um Detailfragen zu gehen, wie man die Erzvorkommen am Meeresboden fördert. Die Gewinnung aus Vorkommen in 3.500 bis 6.000 Meter Tiefe ist allerdings technisch höchst komplex und sehr teuer, so daß ein Abbau dieser Quellen eigentlich in den Sternen stehen sollte. Trotzdem wird das Thema so behandelt, als wäre es längst keine Frage mehr.

Ökosysteme sind selbstverständlich nicht betroffen

Welche Gefahren für das Ökosystem damit verbunden sind, scheint - ähnlich wie bei den Erdölbohrungen in der Tiefsee - auch kein Thema zu sein, mit dem man dem zukünftigen Abbau ein Hindernis bauen möchte. Die Juli-Ausgabe der Technology Review stellt den folgenden Vergleich an:

Vor allem bei den Manganknollen im Pazifik lauern aber immense ökologische Probleme, gegen die sich die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko noch als überschaubar erweisen könnte. [7]

Beim Absaugen der Seltenen Erden werden die Sedimente des Meeresgrunds aufgewirbelt, die sich aufgrund der Bodenströmung im Pazifik in den gesamten Nordpazifik ausbreiten könnten, wie Peter Herzig, Direktor des IFM-Geomar in Kiel, für den Fokus "Meerestechnik" in der Juli-Ausgabe der Technology Review erklärte. Solch eine Ausbreitung von Sedimenten könnte die kleinsten Meeresbewohner, die am Anfang der marinen Nahrungsketten stehen, empfindlich schädigen.

Auch bei manchen Sulfiderz- und Methanhydratvorkommen sind unterseeische Ökosysteme gefährdet. Den Sedimenten kommt darüber hinaus eine nicht unwesentliche Filterfunktion zu, die durch ihren Abbau entfällt. So adsorbiert das feinporige Sediment eine Vielzahl toxischer Substanzen, darunter auch die im Meerwasser vorkommenden giftigen Arsenate [12]. Damit hat man noch nicht einmal die möglicherweise nicht ganz auszuschließenden Funktionen, welche die seltenen Erden am Meeresgrund besitzen, bedacht, deren "leistungssteigernde" Wirkung man sich in der Landwirtschaft bereits ohne Rücksicht auf Nebenwirkungen zunutze machen will (Pflanzen können gemeinsam mit Seltenen Erden Düngemittel besser aufnehmen). Der Fragenkatalog, was ein künstlich erzeugter Mangel an diesen Stoffen für die Meereswelt bedeuten könnte, ließe sich endlos fortführen. Spektrumdirekt faßte dies vielleicht noch am deutlichsten zusammen:

Schwarze Raucher gehören zu den artenreichsten und empfindlichsten Ökosystemen der Tiefsee, die sich nur langsam regenerieren. Das Absaugen von Sedimenten würde sie verwüsten. [4]

Die Forschung hat sich zwar darauf verständigt, daß eine Förderung nur dort stattfinden soll, wo keine Lebensgemeinschaften beeinträchtigt werden sollen. Doch die Definition, was Beeinträchtigung bedeutet, bleibt sie schuldig. Wenn aber beim Schlußverkaufsgerangel um seltene Bodenschätze und Seltene Erden mit etwa der gleichen Rücksichtslosigkeit zu rechnen ist, mit der schon heute Ölkonzerne wie BP bei ihren Tiefseeaktivitäten vorgehen, kann man nicht damit rechnen, daß solche vagen Vereinbarungen zwingend als Grenze erachtet werden.

Auch scheint sich nicht mehr die Frage zu stellen, wie weit die industrielle Erschließung der Tiefsee vorangetrieben werden soll. Zwar warnen Umweltorganisationen wie der WWF, der die Forderung nach einem Moratorium für die Tiefseeförderung erarbeitet. Doch obwohl die Tiefsee kein rechtsfreier Raum jenseits der Hoheitsgebiete mehr ist (seit 1994 wacht darüber die Internationale Meeresbodenbehörde ISA, Sitz: Kingston, Jamaika), werden wohl mögliche Gegenargumente und Gefahrenhinweise als renitente Fortschrittshemmer abgeschlagen werden. Der Ressourcenhunger der Industrie hat mit seiner ausgiebigen PR für vermeintlich nachhaltige Technologien (sprich: CleanTech) den Boden für den Ausverkauf der Erde bereitet, dem Gesundheits- und Umweltschutzfragen im Zusammenhang mit Rohstoffabbau, -verarbeitung sowie den Endprodukten von vornherein untergeordnet werden.


Anmerkungen:

[1] siehe SPIEGEL ONLINE 3. April 2011, "Golf von Mexiko - BP will wieder nach Öl bohren" URL:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,754778,00.html

[2] J. Geophys. Res. 116, A06319, 2011

[3] Das Tauchboot "Jiaolong" (Meerdrache) feierte mit 5.057 Metern dieser Tage eine neue chinesische Rekordtiefe, in der Bodenproben entnommen wurden. Die Mission wird weltweit als ein Schachzug in der internationalen Rohstoffpolitik gewertet.

[4] spektrumdirekt - DIE WOCHE, 8. Juli 2011, Seite 17, "Rohstoffe - Meeresgrund steckt voller Seltener Erden"

[5] RGB-Farbraum nennt man das System, aus dessen drei Grundfarben (Rot, Grün und Blau) sich die Graphikprogramme in Digitalkameras, Computerbildschirme, Displays und Scannern Farbbilder zusammensetzen.

[6] Thorium wirkt auf den menschlichen Körper nicht so toxisch wie Uran oder andere radioaktive Elemente. Allerdings erhöht es als radioaktives Element die Wahrscheinlichkeit, an Lungenkrebs zu erkranken, wenn man Stäube einatmet, ebenso Tumore in Leber-, Knochen- oder Milz zu entwickeln, in denen in den Organismus gelangtes Thorium gespeichert wird.

[7] Technology Review 23. Juni 2010, Niels Boeing, "Jenseits von Deepwater Horizon" siehe auch URL: http://www.heise.de/tr/blog/artikel/Jenseits-von-Deepwater-Horizon- 1026596.html

[8] Metalle - Von der Lagerstätte bis zur Verwendung, Geochemisches Seminar (Wintersemester 2003/04), Daniel Mehl, Matrikelnummer:1074502 Seminarleitung: Dr. Stefan Norra

[9] Deutschlandfunk, Forschung aktuell, 2. September 2011

[10] aus Inaugural-Dissertation von Isabel Schöne, unter der Leitung von Prof. Dr. W. A. Rambeck, "Untersuchungen zur Wirksamkeit von Seltenen Erden beim Ferkel und Darstellung der gesetzlichen Grundlagen hinsichtlich der Zulassung von Futtermittelzusatzstoffen"

[11] Artur Palasz, Piotr Czeka, "Minireview - Toxicological and cytophysiological aspects of lanthanide action" II Department of Histology and Embryology, Silesian Medical Academy, Katowice, Poland, 10. November 2000

[12] Wainipee et al. "The effect of crude oil on arsenate adsorption on goethite", Water Research, 2010; DOI: 10.1016/j.watres.2010.05.056

[13] Übersicht Nutzung der Lanthanoiden:

Scandium (Sc) Verwendung: Stadionbeleuchtung, Brennstoffzellen, Rennräder, Röntgentechnik, Laser

Yttrium (Y) Verwendung: Energiesparlampen, LCD- und Plasmabildschirme, LEDs, Brennstoffzelle

Lanthan (La) Verwendung: Nickel-Metallhydrid-Akkus (z.B. in Elektro- und Hybridautos, Laptops), Katalysatoren, Rußpartikelfilter, Brennstoffzellen, Gläser mit hohem Brechungsindex

Cer (Ce) Verwendung: Auto-Katalysatoren, Rußpartikelfilter, Ultraviolettstrahlung-Schutzgläser, Poliermittel, Wasserstoffspeicherung. [Legierungen der Zusammensetzung (La, Ce)Ni5 sowie fein verteiltes Erbium können große Mengen an H2 aufnehmen und auf diese Weise auf bedeutend kleinerem Raum mehr Wasserstoff speichern als eine Druckgasflasche. Cerdioxid wird zum Polieren von Glas und zur Behandlung der Innenwände selbstreinigender Öfen eingesetzt. Dabei verhindert es die Ablagerung teerartiger Verbrennungsprodukte.[8]]

Praseodym (Pr) Verwendung: Dauermagnete, Flugzeugmotoren, Elektromotoren, Glas- und Emaillefärbung.

Neodym (Nd) Verwendung: Dauermagnete (z.B. in Windkraftanlagen, Kernspintomografen, Festplatten), Laser, CD-Player, Glasfärbung, Schutzgläser [Die Verbindungen des Neodyms besitzen eine Absorptionsbande im gelben und erscheinen daher violett. Sie sind Bestandteil des als Sonnenschutzbrille im Handel befindlichen Neophanglases - Anm. d. SB-Red.]

Promethium (Pm) Verwendung: Leuchtziffern, Wärmequellen in Raumsonden und Satelliten (Promethium ist ein radioaktives Element)

Samarium Verwendung: Dauermagnete (in Diktiergeräten, Kopfhörern, Festplattenlaufwerken), Raumfahrt, Gläser, Laser, Medizin. Bei den Magnetwerkstoffen ist die Curie-Temperatur von Bedeutung. Ab dieser Temperatur verändert ein Stoff seine magnetischen Eigenschaften. Die Samarium-Cobaltlegierungen SmCo5 und Sm2Co17 haben die außergewöhnlich hohe Curie-Temperatur von ca. 700 °C (nach www.tu- dresden.de/presse/wz/archiv/100.htm).

Europium (Eu) Verwendung: LEDs, Energiesparlampen, Plasmafernseher (roter Leuchtstoff), Reaktortechnik. Einige seltene Erdelemente, wie zum Beispiel Europium haben einen sehr hohen Neutroneneinfangquerschnitt. Deshalb werden sie häufig als Bestandteil von Steuerstäben in Kernreaktoren eingesetzt. Die Steuerstäbe sind für die Steuerung des Neutronenhaushaltes in der Spaltzone verantwortlich.

Gadolinium (Gd) Verwendung: Kontrastmittel (Kernspintomographie), Radar-Bildschirme (grüner Leuchtstoff), AKW-Brennelemente

Terbium (Tb) Verwendung: Leuchtstoffe, Dauermagnete, spezielle Speichermedien z.B. eine Terbium-Eisen-Cobaltlegierung Verwendung als Speichermedium in der Minidisc-Technologie

Dysprosium (Dy) Verwendung: Dauermagnete (z.B. Windkraftanlagen), Leuchtstoffe, Laser, Atomreaktoren

Holmium (Ho) Verwendung: Hochleistungsmagnete, Medizintechnik, Laser, Atomreaktoren

Erbium (Er) Verwendung: Laser (Medizin), Glasfaserkabel, Sicherheitsbehälter für radioaktives Material

Thulium (Tm) Verwendung: Energiesparlampen, Röntgentechnik, Fernsehgeräte

Ytterbium (Yb) Verwendung: Energiesparlampen, Röntgentechnik, Fernsehgeräte

Lutetium (Lu) Verwendung: Positronen-Emissions-Tomografen

15. September 2011