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UMWELTLABOR/277: Unbarmherzig, unbedacht - Werbe- und PR-Chemie (SB)


Die brennendsten Fragen zur Fracking Chemie bleiben offen

Von Verharmlosungs- bis Transparenz-Strategie



Bad Busiasch, Westrumänien. Im Vergleich zu deutschen Kurbädern findet der Besucher eine eher bescheidene, ein wenig verschlafen wirkende Ortschaft vor, die ihre Glanzzeit als Kurort [1], zu dem Busiasch im Jahr 1839 amtlich erklärt wurde, längst hinter sich zu haben scheint. Die letzte Volkszählung im Jahr 2007 kam gerade mal auf 7712 Köpfe. Die Kurbrunnen und Wandelhallen im großen Park sind von Kurgästen und Urlaubern verwaist.

Dreigeteiltes Wappen mit Symbolen eines Springbrunnens, eines Burgturms und einer Weinrebe - Foto: 2006 by Radufan, freigegeben via Wikimedia Commons als Public Domain

Das Wappen von Busiasch zeigt die drei Dinge, die für die Ortschaft kennzeichnend und wichtig sind: die Silascher Weinhügel, die römische Festung Ahihis und das Busiascher Mineralwasser, das bis heute eines der gefragtesten Heil- und Tafelwasser des Banats ist.
Foto: 2006 by Radufan, freigegeben via Wikimedia Commons als Public Domain

Ein stillgelegter Brunnens zwischen kahlen Bäumen - Foto: by Orvo, freigegeben via Panoramio als CC-BY-NC-ND-3.0 Unported

Die Zukunft wirft ihre Schatten voraus - der herbstlich verwaiste Kurpark von Busiasch - im Hintergrund der noch aus Glanzzeiten des Kurorts stammende Pavillion der berühmten Josef-Quelle
Foto: by Orvo, freigegeben via Panoramio als CC-BY-NC-ND-3.0 Unported

Der Schein trügt: Noch werden die Brunnen immer wieder von Menschen frequentiert, die sich das köstliche Quellwasser kostenlos in Plastikflaschen abfüllen. Das Busiascher Mineralwasser ist eines der gefragtesten Heil- und Tafelwasser des Banats [2]. Bereits die Römer sollen seine belebende Wirkung genutzt haben. Die Heilkraft des Mineralwassers wurde Anfang des 19. Jahrhunderts offiziell erkannt. Seit kurzem fragen sich die Einwohner des Ortes allerdings, wie lange ihre großen Mineralwasservorräte noch für den menschlichen Verzehr geeignet sein werden. Denn wenn es nach Wunsch der rumänischen Regierung geht, die im vergangenen Jahr grünes Licht für mehrere Schiefergas-Vorerkundungen im Land gegeben hat, sollen auch die Schiefergasvorkommen in den Gesteinsschichten des Gemeindegebiets exploriert (erkundet) und anschließend mit großen Mengen an Wasser und Chemikalien aus dem Gestein gepreßt, kurzum: "gefrackt" werden. Bei dem auch als Hydraulic Fracturing bezeichnetem Verfahren, das im Mittelpunkt der Förderung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten steht, wird das Speichergestein aufgebrochen und Millionen Liter von mit Chemikalien versetztem Wasser hineingepreßt, damit das darin gefangene Erdgas entweichen kann. Was dabei mit den Mineralwasserreservoires geschehen wird, ist völlig ungeklärt. Manche Fracking-Kritiker fürchten allgemein, daß die beim Fracken künstlich erzeugten Risse auf bereits bestehende Risse und Klüfte im natürlichen Gestein treffen könnten, so daß Wegbarkeiten für die beim Fracking erzeugten toxischen Begleitstoffe in unterirdische Wasseradern (sogenannte Aquifer) erzeugt würden. Die Förderindustrie sieht hier keine Gefahr, wenn bestimmte Bedingungen eingehalten werden. Die praktischen Erfahrungen mit ähnlichen Projekten in Amerika, das derzeit einen beispiellosen Wirtschaftsaufschwung aus der unkonventionellen Schiefergasförderung erfährt, oder bei der Geothermie [3] lehren jedoch, daß gerade die technische Umsetzung dieser vermeintlichen Schutzvorkehrungen riskant und keine Garantie für den Wasserschutz sind. Vor allem das Abdichten der Bohrlöcher gelingt nicht immer.

Natürlich verspricht man sich vom Schwarzen Meer bis zur Grenze zu Ungarn wie auch anderswo im Fahrwasser des aktuellen, amerikanischen Fracking-Booms ein vergleichbar einträgliches Geschäft durch die Schiefergasförderung. Im Kreis Temesch soll laut Radio Temeswar am 4. April 2013 [4] Schiefergas in den Ortschaften Busiasch, Perjamosch, Billed, Partza und Crai Nou gefördert werden. Auch weiter nördlich im rumänischen Verwaltungskreis Bihor, und zwar in den Gemeinden Tria, Tulca, Popesti und Sanmartin, will man nach unkonventionellen Gasvorkommen suchen. Bürgermeister Viorel Alger Ilas erklärte gegenüber dem Deutschlandfunk [4], man habe von den Plänen der Regierung erst in letzter Minute erfahren. Die Genehmigungen seien erteilt worden, ohne die beteiligten Gemeindevertreter, geschweige denn die Bürger anzuhören und zu informieren. Der Gemeinderat habe inzwischen klar Stellung bezogen - mit einem Beschluß gegen die Erforschung der Schiefergas-Vorkommen:

Wir haben keine Ahnung, wie diese Erkundungsbohrungen ablaufen sollen. Und wir haben da gleich in zweifacher Hinsicht große Sorgen: einmal um unser normales Trinkwasser an sich, vor allem aber um unsere Mineralwasservorkommen. Und das ist die Basis unserer wirtschaftlichen Entwicklung. [5]

Die Erkundungsvorhaben in den nächsten fünf Jahren sollen zwar auch in Rumänien nur unter strengen Umweltauflagen möglich sein, das hätten der Umweltminister und der Ministerpräsident im Fernsehen versprochen. Fraglich ist nur, was man darunter versteht und ob nicht schon das erste Anstechen des Bodens bzw. die erste Probebohrung oder Aufsuchung von unkonventionellem Erdgas mit einem unkontrollierbaren Fracking-Versuch in großer Tiefe gleichzusetzen ist, bei dem bereits die Umwelt der Kontamination mit belastetem Förderwasser und Fracking-Chemie ausgesetzt wird. Vor dieser Frage steht man auch bei anderen potentiellen Förderstellen für nicht-konventionelles Erdgas.

Der gängigen Definition zufolge versteht man unter nicht-konventionellen Erdgasvorkommen solche Vorkommen, bei denen das Gas nicht ohne weitere technische Maßnahmen (d.h. Fracking) in ausreichender Menge frei einer Förderbohrung zuströmt. [6] Dies ist darauf zurückzuführen, daß das Speichergestein nicht ausreichend durchlässig ist oder das Erdgas nicht in freier Gasphase (genauer: einer Blase) im Gestein vorliegt.

Bei unkonventionellen Erdgasvorkommen unterscheidet man in Schiefergas (shale gas), Gas in dichtem Sand- oder Kalkstein (tight gas) und Kohleflözgas (coalbed methane). Dabei handelt es sich immer um das gleiche Gas, nämlich Methan (CH4), das allerdings in verschiedenen Gesteinsschichten und somit auch unterschiedlichen Tiefenbereichen in der Erdkruste vorkommt. Methan ist im übrigen ein 25 mal stärkeres Treibhausgas als Kohlenstoffdioxid (CO2).

Schiefergas wie das in Rumänien gehört zu den am tiefsten gelegenen Erdgasvorkommen. Hier muß man oft doppelt so tief bohren wie bei konventionellen Gasblasen, um überhaupt mit dem Aufbrechen des Gesteins zu beginnen. Daher sind die brachialen, technischen Maßnahmen für ihre Erschließung auch am aufwendigsten und naheliegenderweise mit der größten Zerstörung verbunden. In diesem Zusammenhang von "Umweltverträglichkeit" zu sprechen, scheint von vornherein ein unauflöslicher Widerspruch zu sein.

Flammen schlagen aus einer Rohrleitung auf einer Bohrstelle im Scott Township, Pennsylvania, USA - Foto: 2012 by WCN 247, via Flickr freigegeben als CC-BY-NC-2.0 Lizens

Bei der Bohrung können Teile des Schiefergases entweichen, während des sogenannten "Flarings" (dt. Abfackeln) wird ein Teil davon verbrannt.
Foto: 2012 by WCN 247, via Flickr freigegeben als CC-BY-NC-2.0 Lizens

Tatsächlich stößt man bei dem Versuch, die "Umweltverträglichkeit" für Fracking-Projekte genauer zu fassen, von der ersten Bohrung und Perforationssprengung über die meist nicht erwähnten verwendeten, möglicherweise hochbrisanten Sprengstoffe bis zu den üblichen toxischen Chemikalien auf unzählige offene Fragen, was, wann, wo, wie verbleiben oder hingeraten bzw. mit welchen Risiken der energetische Ertragsgewinn durch die Nutzung solcher Rohstoffreserven verbunden sein könnte. Auch der Sachverständigenrat der Bundesregierung in Umweltfragen (SRU) bestätigt "noch bestehende, gravierende Wissenslücken über die Umweltauswirkungen" und spricht sich deshalb dafür aus, die Technik in Deutschland vorerst nicht kommerziell zu nutzen [7]. Er impliziert allerdings, daß diese Lücken durch entsprechende Forschung zu schließen wären und nur ein akutes Wissensdefizit zwischen den offenen Fragen und einer späteren Nutzung der Gasressourcen steht. Und das scheint doch angesichts der unüberschaubaren Ausgangsbedingungen in jedem Fall sehr fraglich, selbst wenn man sich nur auf ein Detail konzentriert.


Toxische Stimulation und ausweichende Darstellungen

Neben den ganz offensichtlichen Umweltauswirkungen durch Luftemissionen, Lärm, Veränderungen des Landschaftsbilds durch technische Bauten, der Besetzung großer Flächen und dem enormen Wasserverbrauch sowie den weniger offensichtlichen, aber bekannten Einschnitten in der Biodiversität und der Entsorgung des Brauchwassers oder Flowbacks, sind es immer zuallererst die offenen Fragen zu den toxischen Fracking-Substanzen, die in großer Tiefe unkontrolliert in das Gestein verpreßt und wieder herausgespült werden, welche die Menschen so wie jetzt in Busiasch nervös werden lassen. In der öffentlichen Diskussion in den Medien immer wieder an erste Stelle gestellt, können sie weder von der Förderindustrie, die es ganz genau wissen müßte, noch von ihren Kritikern zufriedenstellend beantwortet werden und bilden somit ein Detail der gravierenden Wissenslücken ab:

1. Was enthalten Fracking Fluide und sind diese Stoffe gesundheitsgefährlich?

2. Welche Umweltgefährdung geht davon aus und können damit Trinkwasser oder Fließgewässer kontaminiert werden?

Selbst in umfangreichen Studien der Landes- und Bundesumweltämter finden sich letztlich nur ausweichende, wenig zufriedenstellende Antworten, die weitere Fragen nach sich ziehen. Welche Erkenntnisse zu den chemischen Hilfsstoffen des Frackings lassen sich daraus zusammenfassen?

Sicher ist, daß beim Fracking entgegen anderslautender Behauptung der Förderindustrie nie auf chemische Hilfen (Additive) in den sogenannten Frack-Fluiden verzichtet werden kann.

Obgleich man irreführenderweise von einer "hydraulischen Stimulation" (hydraulic fracturing) spricht, was ein Verfahren nahelegt, in dem die zur Fraktionierung nötige Kraft durch eine Flüssigkeit übertragen wird, werden jeweils verschiedene Chemikalien, zum Beispiel Tonstabilisatoren maßgeblich benötigt, um den Untergrund vorzubereiten (zu härten), damit andere Chemikalien, d.h. Säuren, gemeinsam mit dem Wasserdruck das vorbereitete Gestein "fraktionieren", zerlegen können. Damit Gase fließen können, braucht es weitere Chemie, sogenannte Stützmittel (Proppants, meist Sand), um die entstehenden Risse offen und andere, Biozide oder Desinfektionsmittel, um sie frei von mikrobiellem Bewuchs zu halten. Für einen leichteren Stützmitteltransport, bei dem die einzelnen Sandkörner nicht verklumpen, sondern eine flutschig-cremige Suspension bilden sollen, werden Gelbildner (Andickungsmittel) und Schaumbildner verwendet, die wiederum zur weiteren Verbesserung Quervernetzer (um die Viskosität bzw. Ziehigkeit zu erhöhen), Reibungsminderer, aber auch wieder Kettenbrecher oder Breaker (damit die Viskosität nicht zu hoch bzw. kein fester Pudding daraus wird) und Hochtemperaturstabilisatoren (damit das Gel am Zielort durch die vorherrschende Hitze nicht vorzeitig zersetzt wird) in der Anwendung nach sich ziehen, die aus Mitteln bestehen, die wiederum die Anwesenheit weiterer Chemie erfordern, um letztere Mittel stabil, löslich und verfügbar halten usw.

Bei diesen letzten Mitteln handelt es sich um Ablagerungshemmer, die das Ausfällen schwerlöslicher Verbindungen verhindern, aber auch andere Ausfällungsverhinderer zum Beispiel für Eisenoxid, Schwefelwasserstoff-Fänger, schließlich Korrosionsschutzmittel zum Schutz der Rohre und Anlagen vor der ganzen aggressiven Chemie und wiederum Tenside und Lösungsmittel, die die ganzen Chemikalien in dem Wassermedium beweglich halten ...

All das wird aber nur nötig, weil der unnatürliche Chemieeintrag neben seiner Funktion auch Nebenwirkungen und -reaktionen mit der Umgebung und den Begleitstoffen zeigt!

Ist in diesem Zusammenhang auch noch irreführenderweise von einer "chemischen Stimulation" die Rede, handelt es sich nicht etwa um eine plastischere Beschreibung dieses Cocktails, sondern um einen Sonderfall. Das Auflösen von Carbonat-Gestein mittels starker mineralischer Säuren - ätzende Salzsäure (HCl) zum Beispiel, um die gewünschten Wegsamkeiten für das Gas gewissermaßen herauszulösen - wird so bezeichnet. Das funktioniert nur in Schiefergas-Lagerstätten, in denen auch Carbonat-Gestein vorhanden ist. Ideal sind Adern aus Carbonat-Gestein, die auf diese Weise einfach aufgelöst werden und das weitere Aufbrechen erleichtern, so daß möglicherweise bei einer chemischen Stimulation am Ende weniger Frack-Flüssigkeit und somit auch weniger Chemie gebraucht wird, als beim hydraulischen Fracking. Das alles ist für Laien kaum zu überschauen.

Eins aber ist völlig klar: Für das immer wieder von Förderunternehmen in Aussicht gestellte "gute" oder auch gerne als "Clean-Frac" bezeichnete, umweltfreundliche Fracking ohne Chemie gibt es bislang kein Beispiel [3]. Und die benötigte Zusammensetzung hängt von den geologischen Gegebenheiten und den Anforderungen der verwendeten technischen Bauten ab.

Das Bild zeigt den Anhänger eines Lastwagens mit drei riesigen Kunststoffcontainern für flüssige Chemikalien - Foto: Bill Cunningham, USGS

Fayeteville Shale Arkansas, USA - Wie wenig ist wenig Chemie? Der Frackingprozeß erfordert einen ganzen Cocktail von Chemikalien neben Sand und Wasser. Darüber hinaus eine weitere Batterie von Chemikalien, um die Nebenwirkungen und Wechselwirkungen in Grenzen zu halten.
Foto: Bill Cunningham, USGS

Nicht sicher ist hingegen fast alles andere, zum Beispiel auch, aus welchen Chemikalien sich die Rezeptur der Frack-Lösung im Einzelfall bei einem geplanten Projekt zusammensetzen wird.

Ohne Probebohrung sind die Erfordernisse an die Chemie noch nicht absehbar, behaupten zumindest die Vertreter der Fracking-Technologie. Andere sagen, daß die Stoffe zwar im Einzelnen bekannt wären, verweisen dann aber auf die große und somit komplexe, für Laien nicht zu durchschauende Variationsvielfalt und darauf, daß die Zusammensetzung der Rezepturen gewissermaßen als jeweils passende minimale chemische Antwort auf technische oder geologische Anforderungen zusammengesetzt werden müßten, wie man das früher bei ökologischen Waschmitteln im Baukastensystem praktiziert hat. Das klingt logisch und technisch durchdacht.

Man fragt sich aber doch, ob die "Einsatzmischungen" in der Praxis erst vor Ort fertiggestellt werden und sich gewissermaßen als "Learning by doing" bei den Probebohrungen auf diese Weise ganz willkürliche Mischungen ergeben, deren endgültige Zusammensetzung auch nicht unbedingt erprobt sein muß. Solche Gedanken scheinen nicht abwegig zu sein, wenn man einmal die Mengen der bereits in Frackingprojekte "investierte" Chemie betrachtet.

Abgesehen von Salzsäure, die häufig auch in anderen Lagerstätten zum Einsatz kommt, enthält die jeweilige Chemikalienmischung bis über fünfzehn verschiedene Komponentengruppen, die jeweils unterschiedliche technische Aufgaben erfüllen. Bei 600 oder 750 möglichen Chemikalien, die diesen Gruppen zugeordnet werden, sind allerlei Kombinationsmöglichkeiten gegeben.

Zu geplanten Unternehmungen lassen sich gewöhnlich keine Angaben finden. Das ist nicht ungewöhnlich, gilt so etwas doch gemeinhin als Firmengeheimnis, über das es keine Auskunftspflicht gibt. Letztere ist außerdem in der in Deutschland noch geltenden "Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben (UVP-V Bergbau)" von 1990 begründet, wonach Umweltverträglichkeitsprüfungen, die auch die Bekanntgabe der potentiellen Chemikalien und ihre Verträglichkeit einschließen würden, erst ab Gewinnungsvorhaben mit einem Fördervolumen von täglich mehr als 500.000 Kubikmeter (500 Millionen Liter) notwendig sind. [8] Paradoxerweise werden diese Mengen gewöhnlich nur bei der konventionellen Gasförderung erreicht, welche die fragliche Chemie gar nicht braucht, nicht aber beim Fracking.

So können einem die von der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA im Anhang einer Studie aufgeführten 600 unterschiedlichen Additive (eine Veröffentlichung des Energie- und Wirtschaftsausschusses des US-Repräsentantenhauses geht sogar von 750 Fracking-Additiven aus), die bereits in Frack-Fluids gefunden worden sind bzw. in amerikanischen Schiefergas-Förderstellen versenkt wurden, um das Gestein erfolgreich zu fracken, bestenfalls Anhaltspunkte geben, wenn sich ein Laie ohne Führer oder chemische Dechiffrierhilfe überhaupt in dem Dschungel aus Formeln, chemischen Latein und Begrifflichkeiten zurechtfindet. [9] Da ist man um jede Deutung dankbar.


Einige Vorgaben gibt es schon

Laut dem von der nordrhein-westfälischen Regierung in Auftrag gegebenen Gutachten über "Fracking in unkonventionellen Lagerstätten in Nordrhein-Westfalen" ergab die Auswertung einer Auswahl dieser Additive bereits, daß einige dieser unverzichtbaren Verbindungen bedenkliche Eigenschaften (u.a. sehr giftig, canzerogen, mutagen, reproduktionstoxisch) aufweisen. In den amerikanischen Listen [z.B. [9] b)] werden allein 29 gefährliche Luft- bzw. Wasserschadstoffe aufgelistet, die bereits Bestandteile von 652 verschiedenen, bereits verwendeten Frack-Fluiden sind. Das humantoxische Methanol (Methylalkohol), das im Körper in die nervenschädigenden, toxischen Abbauprodukte Ameisensäure und Formaldehyd abgebaut wird und dessen Einnahme zu Erblindung und Atemlähmung führen kann, war in den USA Bestandteil von 342 Frack-Fluids [[9] b)]. Es wird in der vergleichbar kritischen Studie allerdings nur als gefährlicher Luftschadstoff geführt. Eine neue umfangreiche Studie der amerikanischen Umweltbehörde EPA mit genaueren Angaben bezüglich der Toxizität dieser Stoffe soll sich immer noch in Vorbereitung befinden, während wiederum nicht auszuschließen ist, daß an vielen Förderstellen in den USA nach wie vor mit diesen Stoffen gefrackt wird.

Ebenso ungeklärt bleibt die Frage, inwieweit man auf die gängige Chemie verzichten bzw. auf andere, weniger toxische Substanzen umrüsten kann.

In dem verwirrenden Zuleitungs- und Ableitungssystem der Förderbohrung und Injektionsbohrung werden die eigentlichen Gasquellen (6 und 7) durch eine farbliche Kennzeichnung deutlich gemacht. - Foto: Bill Cunningham, USGS

Auch die Instanthaltung des gesamten Systems, sein Schutz vor der aggressiven Chemie, erfordert weitere Chemie.
Foto: Bill Cunningham, USGS


Chemie ja, aber nur ganz wenig!

Die Befürworter des Frackings weichen dieser mit einer Gegenfrage aus, ob die verwendeten Konzentrationen für die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt überhaupt relevant sind. Sie verharmlosen die potentielle Gefährdung, indem sie betonen, es würde a) im Verhältnis zum Wasserverbrauch nur sehr wenig (je nach Quelle etwa 1 bis 3 Prozent, 0,5 bis 5 Prozent, zusammengefaßt letztlich irgendetwas zwischen 0,2 bis 10 Prozent) von den chemischen Substanzen (reine Additive ohne sogenannte Stützmittel oder Proppants [10]) eingesetzt und diese wären b) mit gewöhnlichen und harmlosen Haushaltschemikalien vergleichbar.

Greifen wir aus dem verwirrenden Angebot eines der kleinsten heraus: 0,5 Prozent klingt nach sehr wenig Chemie, heißt aber übersetzt ein halbes Teil "Chemie" auf 100 Teile Wasser. Das wäre bei einem gewöhnlichen Einsatz von Haushaltschemikalien schon sehr viel.

Ein Beispiel: Bei einem vergleichsweise harmlosen "Meister-Sauber-Putzmichnichttot"-Haushaltsreiniger werden gemeinhin eine Verschlußkappe Mittel auf einen 10 Liter Eimer Wasser empfohlen, um "mit einem Wisch alles sauber und glänzend" zu bekommen. Eine Verschlußkappe kann etwa 5 ml fassen. In 10 Liter Wasser kommt man dann bestenfalls auf 0,05 Prozent und dennoch würde ein Gartenbesitzer weder dieses noch das vom Putzen mit gewöhnlichem Hausschmutz verdreckte "Brauchwasser" bzw. den Reinigungs-"Flowback" auf dem Erdbeerbeet "verklappen". Bei einem entsprechend höheren Anteil von 0,5 oder sogar 10 Prozent würden der Boden des besagten Erdbeerbeets noch monatelang bei jedem Regenguß aufschäumen.

Dazu kommt, daß in Fracking-Termini nicht von einem 10 Liter Wassereimer die Rede ist, sondern pro Fracking-Einsatz werden je nach Bohrstelle für das Zubereiten der Fracking-Flüssigkeit im Durchschnitt 20 Millionen Liter, also 20.000 Kubikmeter bzw. 20.000 Tonnen oder 666 gewöhnliche Tanklastwagen Wasser benötigt, was summa summarum einen Chemikalieneinsatz (bei einer Konzentration von 0,5 Prozent reine Additive ohne Proppants) von 100 Tonnen ergäbe. Bei den höheren Prozenten 1 bis 3 Prozent, die beispielsweise ExxonMobil von bereits abgeschlossenen Fracking-Projekten angibt, kommt man auf 200 bis 600 Tonnen.

Allerdings sind die Angaben des Wasserverbrauchs und der darin gelösten Chemikalien, die dazu bisher veröffentlicht wurden, sehr widersprüchlich [9, 11], was von den Förderfirmen und Befürwortern situationsbedingt begründet wird. Das trägt nicht gerade zur Verständlichkeit bei, läßt sich aber dadurch erklären, daß manche schwerer aufzubrechenden oder tiefer liegenden Gesteinsformationen einen wesentlich stärkeren Wassereinsatz erfordern und dieser wiederum größere Mengen an Chemikalien. So sind die teilweise wesentlich geringeren Angaben der Hersteller für den Wasserbedarf als Mittelwerte zu verstehen, die bestenfalls einen Anhaltspunkt liefern, aber keine Wahrheiten. Da man aber davon ausgehen kann, daß in Zukunft in immer schwerer zugänglichen Bereichen gefrackt werden muß, ist aber eher mit einer Zunahme, denn mit einer Abnahme des Wasser- und Chemikalieneinsatzes zu rechnen.


Falsche Angaben?

Dazu kommt, daß Wunschdenken und werbewirksame Pseudo-Transparenz der Förderfirmen bei der Herausgabe solcher Daten offenbar Hand in Hand gehen. So machte bereits vor zwei Jahren die Fracking-kritische Internet-Seite: "Unkonventionelle Gasförderung - Berichte, Informationen und Nachrichten zur unkonventionellen Gasförderung und Erdgassuche in Deutschland, Europa und der restlichen Welt" [12] auf eine im Landtag von Niedersachsen veröffentlichte Drucksache aufmerksam, in der in einem Fallbeispiel verschiedener von ExxonMobil durchgeführter Bohrungen in Söhlingen deutlich wird, wie sehr die real verwendeten Chemikalienmengen von den oben behaupteten idealen Mittelwerten abweichen können.

Im Diagramm aufbereitet, lässt sich gut erkennen, daß bei 12 von 21 Bohrlöchern der Anteil der Chemikalien bei über 5 Prozent an der Gesamtmenge liegt. Bei 7 von 21 Bohrlöchern liegt der Anteil sogar bei über 10 Prozent. Spitzenreiter ist die Bohrung Söhlingen Ost Z1 mit 20,06 Prozent Anteil Chemikalien. [...] Die Angaben für die Bohrung Söhlingen Z15 zeigen darüber hinaus, daß mehr als 5 Tonnen Diesel beim Fracking eingesetzt wurden. [12]

Nun könnte man besagter Förderfirma vielleicht in diesem Beispiel zugute halten, daß sie mit ihrem Wasserverbrauch bei allen 21 Förderstellen in einer Zehnerpotenz unter den oben angegebenen Werten bleibt, da der höchste Wasserverbrauch der Söhlingen Z14 nicht einmal 3.679.000 Liter übersteigt. 1 bis 4 Millionen Liter mit 20 Prozent Chemikalienanteil verseuchtes Wasser pro Bohrloch lassen sich allerdings nicht so einfach relativieren. In den USA kommen einige Förderstellen sogar auf 35 Millionen Liter pro Bohrloch, zumal dort die Hälfte aller Bohrlöcher in Gebieten liegen, in denen Wassermangel vorherrscht [13]. Mit der Veränderung klimatischer Verhältnisse könnte aber selbst ein geringerer Wasserbedarf zum Problem werden.

Unterschiedliche Haushaltschemikalien mit Gefahrensymbolen für 'umweltgefährdend', 'reizend', 'ätzend', sowie neue Gefahrensymbole für 'entzündlich' und 'C-M-R Sensibilisierend TOST' (für krebserzeugender, erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Stoffe) - Foto: © 2013 by Schattenblick

Harmlose Chemie ist ein Widerspruch in sich, wie sollte sie sonst ihre Funktion erfüllen - ein willkürlich zusammengemischter Cocktail kann verheerend wirken.
Foto: © 2013 by Schattenblick


Nur Chemikalien, wie man sie aus dem Haushalt kennt

Im Gegensatz zu 0,05 Prozent Fußbodenreiniger im Wischwasser sind die in Fracking-Zubereitungen verwendeten, sogenannten Haushaltschemikalien keineswegs harmlos. Frei nach dem für Heilmittel geltenden Grundsatz "keine Wirkung ohne Nebenwirkung" gibt es auch keine wirksame und gleichzeitig harmlose umweltneutrale Alltags-Chemie. Eine willkürliche Mischung von manchen Haushaltschemikalien mit Wasser kann von exotermen Reaktionen (Hitzebildung) bis zur Explosion manche toxischen Produkte erst hervorbringen [14]. In dem Fall spricht man von falscher Handhabung.

Hatten wir bereits die Entsorgung von Putzmitteln im Erdbeerbeet in Frage gestellt, so würde man dies sicher bei den möglicherweise noch geringeren Konzentrationen an vermeintlich gängiger Alltags-Chemie wie Schwimmbadreinigern (= Salzsäure), Sterilisationsmitteln für medizinische Instrumente (= Glutaraldehyd), Tafelsalz (NaCl, Natriumchlorid, stabilisiert das Gel), Lösungsmitteln für viele Kunststoffe, hier: Korrosionsschutz (= N,N-Dimethylformamid), Hilfsmitteln in Handseifen, Kosmetika und Waschmitteln (= Borate, sorgen für gleichbleibende Viskosität auch bei ansteigenden Temperaturen) tun, um bei den ersten Beispielen einer Liste zu bleiben, welche die Fracking-Chemie entteufeln will.


Das Gegenteil ist wohl eher der Fall:

- Glutaraldehyd ist für Landbewohner und Wasserorganismen stark giftig, verursacht schwerwiegende Augen-, Nasen-, Hals- und Lungenreizungen, die mit Kopfschmerzen, Benommenheit und Schwindel einhergehen und gilt als ökotoxisch.
- N,N-Dimethylformamid ist giftig, lebertoxisch und fortpflanzungsgefährdend
- Borate sind Salze der Borsäure, die seit 2010 durch die ECHA auf die Kandidatenliste für SVHC (substance of very high concern) aufgenommen wurden und keineswegs harmlos, sondern u.a. reproduktionstoxisch sind.

Bei genauerer Betrachtung dieser Liste erweist sich nur, daß die Stoffe, die sowohl in Frack-Fluids als auch in Bodenstrukturverbesserern (= Polyacrylamid), Make-Up-Entfernern und Abführmitteln (Petroleumderivate, letztlich Dieselöl), Kosmetika, Gummibärchen und Eiscreme (Andickungsmittel, Strukturbildner = Guargummi), Lebensmittelnzusatzstoffen (= Zitronensäure), natriumarmem Kochsalz (Kaliumchlorid), Cola und Getränkefärbung (= Ammoniumsulfit-Zuckercoleur), in Wasserenthärtern, bei der Glas und Keramikherstellung (Natriumcarbonat und Kaliumcarbonat), Enteisern, Frostschutzmitteln und Haushaltsreinigern (= Ethylenglycol) und Fensterreinigern (= Isopropanol) enthalten sind, eben gerade nicht besonders harmlos sind und einige davon wurden sogar in den letzten Jahren aus dem Verkehr gezogen.

So sind Petroleumderivate als Abführmittel wegen ihres Gehalts an giftigen und teils krebserregenden Bestandteilen wie Benzol, Toluol, Ethylbenzol und Xylol (kurz BTEX) längst obsolet. Formaldehyd, früher ebenfalls in vielen Kosmetika enthalten und ein gängiges Biozid in Fracking-Rezepturen, gilt als cancerogen (krebserregend) und wurde deshalb durch das Bedarfsgegenständegesetz von Produkten, die auf der Haut oder im Körper Anwendung finden, gestrichen.

Eine Vergiftung mit Ethylenglycol kommt zwar selten vor, ist aber potentiell (mit 1,4 g/kg) möglich. Ethylenglycol kann bereits durch die Haut aufgenommen werden, wirkt reizend und in höheren Dosierungen nerventoxisch. Eine Einnahme hat Herz-Kreislauf- und Stoffwechselstörungen und lebensbedrohliche Nierenschädigungen zur Folge. Ethylenglycolmonobutylether, ein Derivat davon und ein vielbenutztes Gleitmittel in Frack-Fluids (damit die darin enthaltenen Sandkörner an ihren Bestimmungsort rutschen), soll nicht nur rote Blutkörperchen zerstören, sondern auch Milz, Leber und Knochenmark schädigen.

Beinahe jede der hier in vermeintlich harmlosen, alltagschemischen Anwendungen vorkommenden Substanzen ist auf irgendeine Weise umwelttoxisch und gesundheitsschädlich. Selbst Kochsalz (NaCl) oder das ebenfalls salzig schmeckende Kaliumchlorid (KCl), das hier als Zusatzstoff für natriumarmes Salz erwähnt wurde, kann sich ab einer bestimmten Dosierung negativ auf die Gesundheit auswirken. Kochsalz erhöht den Blutdruck. Kaliumchlorid kann bei einer intravenösen Applikation zum Herzstillstand durch Hyperkaliämie führen. Dies wird beim Einschläfern von Tieren, bei der Hinrichtung durch die Giftspritze und zur Verhinderung von Lebendgeburten bei späten Schwangerschaftsabbrüchen ausgenutzt. Die tödliche Dosis bei normaler, oraler Einnahme liegt bei Ratten bei 2,6 g/kg (LD 50).

In der bereits erwähnten Fallstudie Söhlingen [12] wurden außer den hier erwähnten Substanzen wie Kaliumchlorid (in Söhlingen Z-15: 46,6 Tonnen, in Söhlingen Z-14: 211 Tonnen), Diesel (in Söhlingen Z-15: 5,3 Tonnen) und Methanol (in Söhlingen Z-15: 29.5 Tonnen, in Söhlingen Z-14: 1 Tonne) auch weitere brisante Stoffe wie das stark toxische 2-Butoxylethanol (0,8 Tonnen) oder Nonylphenolethoxylat (1,6 Tonnen) verwendet.

Letzteres war 1984 als Nonylphenole in Verruf geraten, weil bedeutende Mengen davon aus Reinigungsmitteln in die Fließgewässer gelangten, wo sie nicht nur toxisch, sondern auch eine östrogene hormonaktive Wirkung auf Wasserorganismen zeigten. Dies hatte zunehmend zu einer unnatürlichen Geschlechtspräferenz bei Amphibien geführt.

Man könnte die Liste endlos fortsetzen, denn unter den 150 bis 750 verschiedenen Stoffen (auch hier variieren die Angaben je nach Quelle) gibt es kaum einen Stoff, der in den eingesetzten gewaltigen Mengen tatsächlich für Mensch und Umwelt verträglich wäre.

Selbst der hier bisher nicht erwähnte Sand, der momentan das beliebteste Stützmittel (Proppant) darstellt, weil er noch kostengünstig zu haben ist, stellt bei einer fortgesetzten Handhabung in diesem Stil ein Problem dar, denn die beim Verschütten erzeugten Quarzhaltigen-Feinstäube sind ähnlich wie Asbest lungengängig und können dort zu Verletzungen und Entzündungen führen. Allein in den USA wurden nur 2011 28,7 Millionen Tonnen Sand beim Fracking in den Boden verpreßt, um die erzeugten Risse begehbar zu halten. Auch diese quantitative Beschaffung wird zunehmend kompliziert. Wo soll das alles herkommen, fragen sich die Kritiker. Welche gewaltigen Bodenbewegungen ein Abbau von einer Stelle und Verpressen an anderer mit sich bringt, fragen sich allerdings die wenigsten.

Eines läßt sich allerdings angesichts dieser losen Reihe der in Fracking-Zubereitungen zu findenden, "ganz gebräuchlichen, herkömmlichen und deshalb harmlosen" Alltags-Chemie klar erkennen. Für den Laien klingen schon die Einzelstoffe wie Siliciumoxid (Quarzsand) oder auch "Dihydrogenmonoxid" (H2O, Wasser) furchterregend. Was sollte ein Nichtchemiker also mit den dezidierten Listen anfangen, in denen Betreiber und Förderer die von ihnen verwendeten Chemikalien genauestens auflisten, ohne Angaben darüber, was daraus entstehen kann und wo diese Stoffe verbleiben, geben Aufzählungen, die mit 1-(1-Naphthylmethyl)quinolinium chlorid und 1-(Phenylmethyl)-ethyl pyridinium, methyl-Derivat anfangen und mit Zirconium,tetrakis[2-[bis(2-hydroxyethyl)amino-kN]ethanolato-kO]- und α-[3.5-Dimethyl-1-(2-methylpropyl)hexyl]-w-hydroxy-poly(oxy-1,2-ethandiyl) aufhören, wenig her. [9] Die immer wieder geforderte Transparenz kann also gleichermaßen dazu genutzt werden, überhaupt keine Antwort auf die brennenden Fragen zu geben, wie die vermeintlich gut gemeinte, verharmlosende Übersetzung dieser Hieroglyphen in die aus dem Alltag bekannte Chemie, vor deren Anwendungen wie Mineralwasser, Sanduhren oder Nagellackentfernern, Shampoos, Putzmitteln, Fleckensalz, Abflußreinigern, Desinfektionsmitteln u.ä. man sich nur nicht graust, weil man sie darin für beherrschbar hält. Und weil niemand auf die Idee kommen würde, alles zusammen in einen Bottich zu kippen und miteinander reagieren zu lassen.

Vermeintlich vorbildliche Transparenzlisten, in denen man Angaben zur humantoxischen oder ökotoxischen Wirkung der verwendeten Chemie nachschlagen könnte [15], geben nur die mittels Gefahrensymbol und entsprechend chiffrierten Codes für reizende, ätzende, gesundheitsschädliche und sonstwie toxische Substanzen an. Wird ein Stoff normalerweise als Einzelsubstanz "harmlos eingeschätzt" (was in Kombination mit anderen bekanntlich nichts zu bedeuten hat) steht statt des chemischen Namens nur "Das Produkt ist nach der Richtlinie 1999/45/BG als nicht gefährlich eingestuft" und sonst nichts.

Für Laien wie Chemiker sind Wirkungen und Nebenwirkungen der Fracking- Chemie kaum absehbar, zumal nicht nur die Einzelstoffe der nicht geklärten Mischungen untereinander reagieren können, wie sich bereits aus den bekannten oder erwünschten Reaktionen (s.o.) ablesen läßt, sondern auch die daraus entstehenden, nicht weiter definierten und unbekannten Produkte. Dazu kommt, daß Fracking-Chemie gewöhnlich in 2.000 bis 5.000 Meter Tiefe zur Anwendung kommt. Auch damit will man gemeinhin Gemüter beruhigen: Was so tief unter der Erdkruste geschieht, kann doch Mensch und Natur auf seiner Oberfläche nicht kratzen. Vergessen wird, daß in solchen Tiefen wesentlich höhere Temperaturen vorherrschen, die [siehe [3]] u.a. zur Gewinnung von Erdwärme kommerziell genutzt werden und die zum Teil aus der Entstehungsgeschichte der Erde und zum anderen aus dem radioaktiven Zerfall der dort lagernden uran- und radonhaltigen Erze stammt. Je höher die Temperatur, sagt eine alte Chemikerweisheit, um so schneller laufen die Reaktionsprozesse ab (deshalb gärt der Fruchtsaft in der Sonne und bleibt im Kühlschrank länger frisch). Die hier herrschenden Reaktionsbedingungen (Druck und Temperatur) könnten alle erdenklichen Reaktionen zulassen, die im Reagenzglas so nicht vorstellbar sind.

Vergessen ist auch, daß diese Bereiche der Erdkruste noch zu den unerforschtesten Gebieten überhaupt zählen. Wie künstlich induzierte Prozesse hier an der Oberfläche spürbar werden können, gehört ebenfalls zu den "Unbekannten" in der Rechnung bzw. den Wissensdefiziten in einer Umweltverträglichkeitsabschätzung. Untersuchungen zur Flüssigmüllverklappung oder der Verpressung von flüssigem Kohlenstoffdioxid in der Erde (CCS) [16] zeigen bereits, daß chemische Flüssigkeiten nicht nur geplante Mini-Erdbeben (Fracking) auslösen können, sondern unter bestimmten Bedingungen die seismischen Risiken erhöht. Auch kleine Lebewesen (Mikroorganismen) können in dieser Tiefe nicht ausgeschlossen werden, was der Einsatz von Bioziden in allen Frack-Flüssigkeiten beweist. Mit welchen natürlichen Mineralien die Chemikalien der Frack-Zubereitung reagieren, ob und in welchen Mengen sich radioaktive Elemente darin lösen, all das läßt sich in Laborexperimenten nicht abschätzen, auch nicht, was mit dem sogenannten Flowback ans Tageslicht gefördert wird, der - wenn alles nach Plan läuft - als Sondermüll entsorgt werden muß.

So wie in Rumänien befürchtet wird, daß nur ein Fingerzeig der Regierung das Anrücken der Bohrtürme ermöglichen könnte - die Firmen, die hier unlängst die Schürfungsrechte erwerben konnten [17], haben vor, mit allen verfügbaren Mitteln den größtmöglichen Profit aus dem Gestein zu holen -, scheinen nun nach dem gescheiterten Versuch in Deutschland, eine Rechtsgrundlage für solche Anliegen zu schaffen, die Wege dafür auch hierzulande vorerst wieder offen zu sein. Zwar gingen die darin enthaltenen Einschränkungen den Kritikern des Verfahrens noch lange nicht weit genug. Der Sachverständigenrat der Bundesregierung in Umweltfragen (SRU) hält eine praktische oder kommerzielle Annäherung an das Thema wegen der noch bestehenden Wissenslücken für unvernünftig [7]. Doch ohne gültiges Moratorium bleibt alles beim Alten und damit auch das Risiko für deutsche Lagerstätten, aufgrund des geltenden Bergrechts mit entsprechender Genehmigung vom Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) in Clausthal-Zellerfeld - und damit von der Wirtschaftsbehörde als vorgesetzte Fachbehörde - von Förderfirmen erkundet und gefrackt zu werden. Zwischen der Erlaubnis und der Durchführung solcher Vorhaben stehen derzeit nur die Aufmerksamkeit und der Widerstand der besorgten Bevölkerung. Proteste wenden sich derzeit gegen ExxonMobil, die bereits offiziell in Hamburg und Umgebung prüfen dürfen, ob in den Bezirken Bergedorf und Harburg eine Förderung möglich und sinnvoll ist.

Die gewaltsamen Anstrengungen, die unternommen werden, um in einem relativ schiefergasarmen Land wie Deutschland gegen alle Proteste und gegen die gegebene Vernunft Frackingvorhaben durchzusetzen, deuten allerdings weitere Wissensdefizite bezüglich der Energiesituation an, die möglicherweise bewußt nicht an die Öffentlichkeit geraten sollen. Sie werfen die Frage auf, welche weiteren Risiken noch mit den schwindenden fossilen Ressourcen gerechtfertigt werden?

(Fortsetzung folgt)


Anmerkungen:

[1] Einige historische Bilder aus der Glanzzeit von Bad Busiasch findet man hier:
http://www.dampflokomotiven.net/Galerie1/Galerie1.html

[2] Banat (Banschaft, ungarisch Bánság, auch Banat von Temesvar) ist eine historische Region in Mitteleuropa, die heute in den Staaten Rumänien, Serbien und Ungarn liegt. Der Begriff Banat leitet sich vom Herrschaftsbereich eines Ban (eine Art Markgrafen) ab.

[3] Mehr dazu siehe:
https://www.schattenblick.de/infopool/natur/chemie/chula275.html
https://www.schattenblick.de/infopool/natur/chemie/chula276.html

[4] http://www.funkforum.net/print.php?page=ARTICLE&particleid=1852
http://www.adz.ro/artikel/artikel/banater-protestierten-gegen-schiefergasgewinnung/

[5] http://www.dradio.de/dlf/sendungen/umwelt/2121218/

[6] Technische Maßnahmen - Fracking: Gemeint ist das durch den weiterentwickelten, direkt angetriebenen Bohrkopf neu konzipierte Verfahren, erst vertikal und dann horizontal in vielen Strängen gleichzeitig und parallel zu bohren, und dadurch mit einer um ein Vielfaches höheren Menge an Wasser und Chemikalien und 100fach stärkerem Druck in 1000 bis 5000 Metern Tiefe eine Kettenreaktion auszulösen - eine Art unterirdisches Mini-Erdbeben -, welche das gashaltige Gestein aufbricht, so daß aus den erzeugten Rissen und Wegbarkeiten von bis zu hundert Metern Länge Gas freigesetzt werden kann. Entsprechend hoch müssen auch die Risiken und Gefährdungen eingeschätzt werden, die sich daraus für Umwelt und Wasser ergeben.

[7] "Fracking sei energiepolitisch nicht notwendig, leiste keinen maßgeblichen Beitrag zur Energiewende und sei wegen gravierender Wissenslücken riskant." So argumentiert der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) gegen kommerzielles Fracking, aber für Pilotprojekte zur Schiefergasgewinnung. Der SRU sieht seine Empfehlungen auch als Beitrag zur europäischen Fracking-Debatte. Unter "Gutem Fracking" versteht der SRU ausschließlich Pilotprojekte, die an eine verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung gebunden sind und wissenschaftlich begleitet werden sollen, wobei nur wenige harmlose bzw. keine Chemikalien zum Einsatz kommen sollen. Solche Demonstrationsvorhaben sollten transparent unter Beteiligung der Öffentlichkeit geplant und umgesetzt werden. Alle Kosten sollten dabei "im Sinne des Verursacherprinzips" von fördernden Unternehmen getragen werden. Würden diese Forderungen hinsichtlich der bestehenden Unsicherheiten wirklich ernst genommen, käme das einem Moratorium gleich.
http://www.euractiv.de/energie-und-klimaschutz/artikel/sru-experten-zum-fracking-enbehrlich-und-riskant-007595

[8] http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/uvpbergbv/gesamt.pdf

[9] Eine Liste davon findet sich im Anhang E1, einer 190 Seiten lange Studie der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA, Seite 119
a) http://water.epa.gov/type/groundwater/uic/class2/hydraulicfracturing/upload/hf_study_plan_110211_final_508.pdf
weitere Informationen:
b) http://democrats.energycommerce.house.gov/sites/default/files/documents/Hydraulic-Fracturing-Chemicals-2011-4-18.pdf
c) http://www.epa.gov/safewater/uic/pdfs/cbmstudy_attach_uic_ch04_hyd_frac_fluids.pdf

Die nach Verwendungszweck sortierte Liste des Nordrhein-Westfälischen Gutachtens liefert weitere Anhaltspunkte:
d) http://www.umwelt.nrw.de/umwelt/pdf/gutachten_fracking_nrw_2012_lang_04.pdf

[10] Die Prozentangaben der eingesetzten Chemikalien variieren in den einzelnen Studien. 0,5 Prozent ist dabei eine der geringsten. In dem Gutachten von ExxonMobil geht man von generell 1 bis 3 Prozent Additiven aus, die hier ebenfalls als "geringe Menge" eingestuft werden. Im Gutachten von NRW wird die Spannbreite auf von 0,2 bis 10 Prozent eingeschätzt. Bei dieser Rechnung werden die sogenannten Stützmittel oder Proppants (weitere 20 Prozent), bei denen feiner Sand, aber auch synthetisch erzeugte Keramikkügelchen oder Kunststoffe in Frage kommen, ausgeschlossen. Siehe auch
http://frackingfrei.wordpress.com/studien-und-gutachten/

[11] wie diese scheinbar kritische Veröffentlichung, die rechnerisch bestenfalls von einer Chemikalienkonzentration von etwa 0,15 Prozent ausgeht:
http://www.kiefermedia.de/news/article/oelkonzerne-erkunden-europas-schiefergas-reserven-bis-20-mio-liter-wasser-und-35-t-chemikalien-pr.html

[12] http://www.unkonventionelle-gasfoerderung.de/2011/05/29/bis-zu-20-prozent-chemikalien-im-frackwasser-bei-soehlingen/
und dazu:
http://www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_16_5000/3501-4000/16-3591.pdf

[13] siehe auch:
https://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/redakt/umre-143.html

[14] So wird auf Verpackungen von (natriumhypochloridhaltigen) Abflußreinigern gewöhnlich davor gewarnt, das Mittel mit säurehaltigen Reinigungsmitteln in Berührung zu bringen. Die Säure setzt aus dem Hypochlorit extrem toxisches und ätzendes Chlorgas frei.

[15] http://www.erdgassuche-in-deutschland.de/files/damme_3_materialverbrauch.pdf

[16] https://www.schattenblick.de/infopool/natur/chemie/chula272.html

[17] Laut ADZ vom 15. März 2013 handelt es sich um die Firma "Prospectiuni SA" des bekannten Temeswarer Magnaten und Multimillionärs Ovidiu Tender, die derzeit Schürfungen und Ausbeutung von Erdöl, Erdgas, Schiefergas und anderen wertvollen Mineralen im Land, aber auch in Afrika durchführt. Diese habe es Ende Februar geschafft, die Schürfungsrechte für Schiefergasvorkommen in der Zone dieser Ortschaft zu erlangen.
http://www.adz.ro/artikel/artikel/das-dorf-gegen-die-millionaersfirma

Laut einem kürzlich erschienenen ADZ-Bericht vom 2. Juni 2013, mußten Lokalbehörden der Gemeinde Sanmihaiu Roman im Kreis Temesch die bereits an ein Unternehmen erteilten Schürfrechte auf Druck der Bevölkerung wieder zurückziehen.
http://www.adz.ro/artikel/artikel/schiefergas-fracking-in-europa-traum-oder-albtraum/


19. Juni 2013