Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → CHEMIE

PHARMAZIE/065: Chemoprophylaxe heißt therapeutische Verfügung über Gesunde (SB)


Chemoprophylaxe und ein Mittel beim Geschäft mit der Angst

- Granatapfelsaft


Ein neues Naturprodukt soll den Markt für chemoprophylaktische Naturstoffe eröffnen. Diese neue Wortschöpfung unter den Pharmazeutika klingt nach drastisch wirksamen Mitteln, erinnert sie doch an Begriffe wie chemotherapeutisch und Chemotherapie. Gleichzeitig soll mit dem Begriff "Naturstoff" die Furcht vor den Nebenwirkungen abgemildert werden. Schließlich wird Chemotherapie mit Haarausfall und anderen Schrecken verbunden. Das Ganze ist reines Marketing, um Mittel und Therapieform an den Patienten zu bringen, doch nicht nur das.

An die Wortschöpfung bindet sich neben dem Geschäft mit der Angst auch eine äußerst subtile Vorgehensweise der heutigen Medizin. Die Vertreter der Chemoprophylaxe haben zu ihrem Ziel erklärt, besonders Menschen mit einem hohen Risiko an Krebs zu erkranken, quasi im Voraus mit Naturstoffen aber auch mit "hochwirksamen" pharmazeutischen bzw. chemischen Mitteln behandeln und so eine Krebsentstehung von vornherein "gezielt" unterdrücken zu wollen.

Das mag sich für manche gut anhören, die Furcht vor einer drohenden Krebserkrankung verspüren und auf diese Weise glauben, daran vorbeizukommen. Tatsächlich geht damit eine Verfügung über den noch Gesunden einher, die kein Beispiel kennt. Denn um sogenannte Hochrisikopatienten ausfindig zu machen, d.h. gesunde Leute, die vielleicht in der eigenen Verwandschaft die Häufung einer bestimmten Krebsart aufweisen, oder auch nur eine gewisse Übereinstimmung des eigenen Genmaterials mit einem "Kranken", muß sich jeder Gesunde eine Überprüfung seiner familieren Verhältnisse bis in seine genetische Struktur hinein gefallen lassen.

Verweigert er dies und damit auch die möglicherweise "notwendige" Prophylaxe, gilt er nach dem heutigen Medizinverständnis schon bald als jemand, der ähnlich wie beim Raucher, verantwortungslos mit seiner Gesundheit umgeht. In der Logik des Systems und von manchen skrupelosen Politikern schon vorgeschlagen (z.B. im Falle des Rauchens), liegen für solches Verhalten entsprechende Sanktionen bereit. Kurz gesagt: Wer nicht aktiv dafür sorgt, daß sein Risiko an einer chronischen Krankheit zu erkranken möglichst klein gehalten wird, soll in Zukunft seine Behandlung nicht mehr von der Krankenkasse ersetzt bekommen.

Durch die Werbung für die sogenannte Chemoprophylaxe und die damit gewonnene Einsicht in der Öffentlichkeit wird solche bisher unpopuläre Gesundheitspolitik tatsächlich immer durchsetzbarer.

In diesem Sinne läßt sich dann auch das Trinken von Fruchtsäften, die angeblich im Tierversuch das Wachstum von Prostatakrebs verhindern konnten, was natürlich genaugenommen überhaupt nichts über den Krebs beim Menschen aussagt, als Antikrebsprophylaxe verkaufen. Zum einen weil die Menschen bei einer Todesrate von jährlich 30.000 allein in Amerika und mehr als 230.000 betroffenen an Prostatakrebs erkrankten US-Amerikanern jährlich, sich vor der Krankheit fürchten, zum anderen aber aus Sorge vor möglichen Sanktionen, sollte man nicht alles menschenmögliche für die eigene Gesundheit tun.

In der jüngsten Studie geht es um Granatäpfel, die US-Forschern zufolge nicht nur Prostata-, Brust- und möglicherweise auch Hautkrebs verhindern könnten (nachweislich haben sie allerdings nur das Wachstum von Mäuseprostatakrebszellen gehemmt), sondern auch noch wesentlich mehr antioxidative Wirkstoffe wie Tannine und Anthocyane als etwa grüner Tee oder Rotwein enthalten. Das berichtete das Team um Hasan Mukhtar von der Universität von Wisconsin in Madison in den "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften.

Laut einer dpa-Meldung vom 26. September haben die Forscher Prostatakrebszellen im Labor mit unterschiedlich viel Granatapfelextrakt behandelt:

Das Wachstum der Tumorzellen sank dabei, je mehr Extrakt die Forscher verwendeten. Zudem verpflanzten die Wissenschaftler aggressive menschliche Prostatakrebszellen in Mäuse und fütterten die Tiere mit Granatapfelextrakt.

Auch hier verringerte sich das Tumorwachstum, und die Konzentration des prostataspezifischen Antigens (PSA) sank. Die verwendete Dosis des Extrakts entsprach bei Menschen etwa einem bis zwei Granatäpfeln pro Tag.
(dpa, 26. September 2005)

Damit wird gerade Granatapfelsaft zur Chemoprophylaxe 1. Wahl für die Prostatabeschwerden vorbeugende gesamte männliche Bevölkerung. Weniger als das zu tun, nämlich zwei Granatäpfel pro Tag zu verzehren, könnte gemeinhin schon als leichtfertiger Umgang mit der eigenen Gesundheit gewertet werden. Fraglich ist nur, wie man die gesamte männliche Weltbevölkerung täglich mit zwei Granatäpfeln pro Tag versorgen will. Zumal diese auch noch als Prophylaxe gegen Haut- und Brustkrebs im Gespräch sind und die Granatapfelerträge nicht einmal an die von Grapefruits oder Ananas heranreichen.

Oder soll auf diese Weise wohl endlich jene Toleranz für leichter verfügbare synthetische Mittel erreicht werden, die nicht mehr ganz so harmlos wie Granatapfelsaft sind, dafür aber garantiert jede Krebsentstehung verhindern (Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen)?

Erstveröffentlichung 29. September 2005

16. März 2007