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PHARMAZIE/073: Honig wirkt besser als Chemie - Hintergrundstudie (SB)


Neue Studie bestätigt, was Großmütter schon immer propagierten:

Honig wirkt besser als jede Medizin


In Zeiten, in denen frei verkäufliche, rezeptfreie Erkältungsmittel meistens ohne ärztliche Empfehlung selbst besorgt werden, weil sie die Krankenkassen ohnehin nicht mehr bezahlen, erweist sich, was tatsächlich sinnvoll ist. Eine Erkältung dauert sieben Tage ohne Behandlung, und mit Medikamenten ist man davon in einer Woche geheilt, sagt der Volksmund. Eine amerikanische Studie, die von dem Internetmagazin LiveScience.com am 3. Dezember 2007 kommentiert wurde, will das nun zumindest für kleine Kinder bestätigen:

Honey is a better and safer treatment for children than over-the- counter cough syrup, a new study finds.
(LiveScience, 3. Dezember 2007)

Honig sei eine bessere und sicherere Therapie für Kinder als ein freiverkäuflicher Hustensaft, habe die neue Studie bestätigt.

Forscher des Penn State College of Medicine hatten darin herausgefunden, daß eine kleine Dosis Buchweizenhonig, die man Kindern vor dem Schlafengehen in den Mund spritze, sowohl allgemein beruhigender als auch hustenstillender wirkte als ein Hustensaft auf Dextromethorphan (DM)-Basis. Die Kinder schliefen besser und husteten weniger als bei einer herkömmlichen Therapie.

Dextromethorphan ist in Amerika ein typischer Bestandteil von freiverkäuflichen Hustensäften. Hierzulande ist der Hustenblocker nur noch in zwei bekannten Hustenmitteln vertreten: NeoTussan und Wick Formel 44.

Dextromethorphan ist chemisch ähnlich aufgebaut wie das bekannte aus dem Schlafmohn stammende, starke Analgetikum (Schmerzmittel) Morphin, das unter anderen Nebenwirkungen auch auf das Hustenzentrum dämpfend wirkt. Dextromethorphan soll nur den Hustenreiz hemmen. Weil es angeblich aber nicht über Bindestellen für Opiode im Gewebe verfügt, d.h. nicht an sogenannten Opioidrezeptoren andocken kann, beeinträchtigt es das Reaktionsvermögen nicht so stark und läßt die Betroffenden davon nicht abhängig werden (zumindest, wenn es nicht oft angewendet wird).

Dennoch kann seine Verwandtschaft zum Morphin und zu anderen opioden Hustenblockern schon von seiner chemischen Struktur her nicht geleugnet werden, was möglicherweise auch erklärt, warum seine Wirkungen wie Nebenwirkungen bei verschiedenen Menschen recht individuell ausfallen können.

D.h. Dextromethorphan kann u.U. auch auf das Atemzentrum wirken. Wenn die Atmung langsamer wird oder wenn dem Betreffenden beim Aufstehen schwindelig oder schwarz vor Augen wird, muß die Dosis sofort herabgesetzt werden.

Ein weiterer Nachteil der bekannten Rezepturen von Dextromethorphan ist die Verwendung eines Konservierungsmittels (Parabene), das bekannt dafür ist, eine Allergieentwicklung zu fördern.

Trotz dieser unübersehbaren Nachteile werden hierzulande Hustensäfte mit DM für Kinder ab einem Jahr empfohlen, mit der Einschränkung, daß man sie ihnen nur zur Nacht und nur über einen sehr kurzen Zeitraum verabreicht. Längere Anwendung kann nämlich auch bei diesem freiverkäuflichen Medikament zur Gewöhnung führen.

Vernünftigerweise und weil es darüber hinaus vielleicht sogar noch preiswerter ist, greifen viele heutzutage zu alten Hausmitteln wie "Warme Milch mit Honig".

Daß man nun aber sogar eine bessere Wirksamkeit durch eine Vergleichsstudie nachgewiesen haben will, in der sowohl die Härte des Hustens, die Häufigkeit der Hustenanfälle und somit die lästigen Störungen in der Nacht bei einer Infektion der oberen Atemwege wesentlich stärker durch Buchweizenhonig als durch Hustensaft mit Dextormethorphan reduziert werden konnten, sollte einen wieder skeptisch machen, abgesehen davon, daß Honig mit warmer Milch garantiert für einen guten Schlaf sorgt, bei den jungen Patienten wie auch bei ihren Eltern gleichermaßen. Für das ruhige Gewissen, Kinder ohne Medikamente und nur mit Honig zu behandeln, sorgen dann die wissenschaftlichen Studien.

Anhand einer Vergleichsstudie ohne jede Medikation konnte nun nicht geleugnet werden, daß auch Dextromethorphan eine gewisse Wirkung hat, und somit der Hustensaft immer noch besser war als gar keine Therapie.

In the latest study, the researchers enrolled 105 children between the ages of 2 and 18 at a university-affiliated physician practice site. On the first night of the study, children received no treatment. Parents answered five questions about their child's cough and sleep quality as well as about their own sleep quality. On the second night, children received either honey, artificial honey-flavored DM or no treatment about a half hour prior to going to bed. Parents answered the same five questions the following morning.
(LiveScience, 3. Dezember 2007)

Eine Gruppe von jeweils ungefähr 30 Kindern ist streng genommen nicht einmal aussagekräftig genug, um das Ergebnis der Studie allzu hoch zu bewerten, selbst wenn es sich dabei um eine sogenannte partielle Doppelblindstudie handelte. Das heißt, das medizinische Personal wußte nicht, welche Therapie die einzelnen Kinder bekamen. Jede beteiligte Familie erhielt einen neutralen versiegelten Umschlag, der eine Spritze enthielt. Darin befand sich Honig oder synthetisches Dextromethorphan mit Honiggeschmack. Nur die Eltern der Kinder, die keine Therapie erhielten, empfingen eine leere Spritze und wußten daher, daß ihr Kind ohne Medikamente auskommen mußte. Diese Art der Studie soll für eine relativ objektive Bewertung sorgen.

Die Eltern selbst bewerteten die Behandlung, die nur Honig enthielt, danach jeweils sehr viel besser als die Eltern, deren Hustensaft nur mit Dextromethorphan versetzt war. Allgemein wurde eine Entspannung der Gesamtlage mit deutlich verringerten Erkältungs-Symptomen, weniger Husten und weniger Schlafproblemen dokumentiert. Und das war ja denn auch das Wunsch-Ergebnis. In wenigen Fällen stellten die Eltern bei der Honig-Therapie Nebenwirkungen wie "Hyperaktivität" fest, was vermutlich daran lag, daß sie hier doch eine "echte" Medikamentation befürchteten.

Die Studie kommt gewissermaßen gerade zur rechten Zeit, um eine Maßnahme der amerikanischen Gesundheitsbehörde zu rechtfertigen, die seit kurzem empfiehlt, freiverkäufliche Hustenmittel nicht mehr für Kinder unter 6 Jahren abzugeben. Sie erklärt dies aufgrund mangelnder Wirksamkeit und potentieller Nebenwirkungen. Eine Entwicklung, die mit Sicherheit auch hierzulande Schule machen wird, zumal dann, wenn der Gebrauch von nichtopioiden Hustenblockern zunehmend wissenschaftlich in Frage gestellt wird.

"Our study adds to the growing literature questioning the use of DM in children, but it also offers a legitimate and safe alternative for physicians and parents," said Paul, a pediatrician, researcher and associate professor of pediatrics at Penn State College of Medicine and Penn State Children's Hospital. "Additional studies should certainly be considered, but we hope that medical professionals will consider the positive potential of honey as a treatment given the lack of proven efficacy, expense and potential for adverse effects associated with the use of DM."
(LiveScience, 3. Dezember 2007)

Die Tendenz, Kinder zunehmend ohne Behandlung zu lassen, weil ein junger Körper mit einer Erkältung auch ohne kostspielige pharmazeutische Hilfe fertig werden kann, ist jedoch mindestens ebenso kritisch zu bewerten, zumal, wie jeder am eigenen Leibe beobachten kann, die Infektionen selbst immer aggressiver und vielschichtiger werden. Statt dessen werden Dystonien (Störungen des normalen Spannungszustandes der Muskeln und Gefäße) bis hin zu schweren unfreiwilligen Kontraktionen und Spasmen als unvertretbare Nebenwirkungen vorgeschoben, die jedoch nur sehr vereinzelt aufgetreten sind und die in dem bekanntlich recht kritischen Medikamente-Ratgeber von Stiftung Warentest beispielsweise überhaupt nicht erwähnt werden.

Generell wirkt DM danach derart entspannend, daß es die Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigen und müde machen kann. Diese Nebenwirkungen, die jedoch bei Bett- und Nachtruhe kaum wahrgenommen werden, wurden in dem fraglichen Artikel nicht weiter erwähnt. Statt dessen wurde auf einen möglichen Drogenmißbrauch dieser Medikamente bei Kindern im Jugendalter hingewiesen, für die jedoch die obigen Bestimmungen gar nicht gelten, weil Jugendliche die fraglichen Medikamente auch weiterhin beziehen dürfen.

Drei Prozent aller Hausbesuche gelten in den Staaten Hustenpatienten, wobei viele US-Bürger dem LiveScience Artikel nach darüber klagten, daß es keine wirklich wirksamen Medikamente gebe, die bei diesen Beschwerden Erleichterung bringen. Daß dies aber auch ein Hinweis darauf sein könnte, daß neben Infektionen auch viele andere veränderte Lebensumstände wie armutbedingte schlechte Ernährung oder auch zunehmend lebensfeindliche Umwelteinflüsse die Menschen zum Husten bringen, wurde hier ebenfalls nicht erwähnt. Krupp- oder Feinstaub- Husten läßt sich mit normalen Hustensäften kaum beseitigen. Daher plädieren die amerikanischen Gesundheitsämter nun offenbar dafür, von einer Medikation insgesamt abzusehen, die nur teuer ist und nicht hilft. Wobei die Autoren der Studie nicht davor zurückschrecken z.B. sogar ein in diesem Zusammenhang völlig unübliches Antihistaminikum (Diphenhydramin), das bestenfalls schleimhautabschwellend wirkt und ansonsten nur müde macht, in seiner Wirkung auf Erkältungen hin zu überprüfen:

The results, described by lead author Ian Paul, are detailed in the December issue of the journal Archives of Pediatrics and Adolescent Medicine.

Paul and colleagues showed in 2004 that neither DM nor diphenhydramine, another common component of cold medications, performed better than a placebo at reducing nighttime cough or improving sleep quality.
(LiveScience, 3. Dezember 2007)

Kein Wunder also, daß zumindest von dem einen Mittel keinerlei Unterschied zum Placebo registriert werden konnte, was den Anlaß zu allen Folgestudien, auch der jetzt unlängst veröffentlichten, gegeben hat.

Bei einer derart wissenschaftlich konfus unterlegten Gesundheitspolitik, die letztlich Versuche an Kindern mit brisanten Mitteln zuläßt, aber keine wirkliche Hilfe oder wirksame Medikamente bietet, darf man noch froh sein, wenn alten Hausmitteln wie Honig überhaupt noch ein wissenschaftlich fundierter Platz eingeräumt wird. Honig ist kein Allheilmittel und es wirkt nur deshalb besser als jede Medizin, weil es einfach keine wirksame Medizin gibt.

10. Dezember 2007