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PHARMAZIE/085: Bazillen für die Hautcreme - Prä- und Probiotika in der Kosmetik (SB)


Was sollen Keime in der Hautcreme?


Das Ziel, eine schöne und faltenfreie Haut zu besitzen, wird heutzutage zunehmend von Menschen beiderlei Geschlechts verfolgt. Halten immer mehr schon den Gang zum Chirurgen für ein probates Mittel zur Erfüllung ihres Traums, schrecken noch weniger vor kosmetischen Mitteln mit allerlei obskuren Inhaltsstoffen zurück. Daß gesunde Haut mehr als nur die äußere Fassade für die eigene Nabelschau darstellt, sondern ein selbständiges Organ mit lebenswichtigen Filter- und Schutzfunktionen gegen äußere Einflüsse und Schadstoffe ist, gerät dabei allgemein in Vergessenheit. Die mechanische Schutzfunktion hängt unter anderem auch von der sogenannten Hydrolipidschicht ab, die, aus hauteigenen Substanzen aufgebaut, der Haut Geschmeidigkeit, aber auch einen leicht fettigen Überzug verleihen. Deshalb wurde sie in früheren Jahren oft als unästhetisch und unhygienisch betrachtet und mit aggressiven alkoholischen Hautreinigern entfernt. Der berühmte flecklose Wattebausch als Zeichen porentief reiner Haut und gewisse "Clearer" bzw. Gesichtswässer, die auf diese Weise immer noch etwas gründlicher reinigten als andere, machten die Werbespots in den Medien und auch vor allem junge Menschen unsicher, die den Feuchtfilm ihrer Haut als Brutstätte für Bakterien erklärt bekamen. Und diese Bakterien oder Keime sollten die Hauptursache für sprießende Hautunreinheiten bzw. Pickel sein.

Dabei wird schon mit jeder gründlichen "Seifenwäsche" gerade dieser äußere Feuchtigkeitsfilm, der die Haut umgibt, vollständig abgewaschen. Auf dieses aggressive Vorgehen, d.h. des häufigen Waschens mit alkalischen Waschmitteln und alkoholischen Reinigungslösungen, läßt sich heute die Zunahme von Hautkrankheiten und Allergien zurückführen, was zu einem Umdenken und zur Einführung sogenannter pH-neutraler oder leichtsaurer Waschsubstanzen geführt hat. Denn der Hydrolipidfilm wird aufgrund seines relativ niedrigen pH-Werts von etwa 4-5 auch als Säureschutzmantel bezeichnet und inzwischen wieder sorgfältig gehütet.

Denn aufgrund der Erfahrung in den vergangenen Jahren weiß man nun, daß es wohl maßgeblich die leichte Zerstörbarkeit dieser Schutzschicht ist, die das menschliche Außenorgan für reizende und allergieauslösende Stoffe anfällig und durchlässig macht. Fällt die Schutzfunktion aus, sollen Entzündungen und Infektionen durch Fremdstoffe, die in die Haut eindringen, sehr viel leichter entstehen können. Anders gesagt, obwohl es immer noch Gesichtswässer und Reinigungsmittel für einen makellosen Teint gibt, ist man inzwischen eigentlich der Ansicht, daß sich die pathogenen Mikroorganismen nicht durch solche Desinfektionsmittel zurückhalten lassen, sondern die "schutzlose" Haut neben allen anderen schädlichen Einflüssen auch für diese besonders anfällig wird.

Daß Waschlotionen, gleich welchen pH-Werts, deren Funktion darin besteht, fettige Substanzen zu emulgieren und abzuwaschen, den natürlichen, fettigen Hydrolipidfilm der Haut verschonen, ist völlig ausgeschlossen. Selbst Cremes, die mit ihren fettenden Eigenschaften die Haut nach der Reinigung wieder schützen sollen, fördern wie schon in "PHARMAZIE/75: Mängel der Hautcremes als Sprungbrett für gentechnische Produkte (SB)" beschrieben, im Grunde zusätzlich die künstliche Austrocknung der Haut. So konnte die Chemikerin Izabela Buraczewska schon 2008 in ihrer Dissertation wissenschaftlich bestätigen, daß gerade Cremes und Lotionen die Haut austrocknen.

In ihrer Arbeit untersuchte die Wissenschaftlerin die positiven und negativen Wirkungen von Cremes auf der Haut, wobei sie Veränderungen auf der molekularen Ebene beobachtet haben will. Selbst die vielfach angepriesenen und werbewirksam als "natürlicher Schutzmantel der Haut" propagierten Mittel mit saurem pH-Wert machen danach überhaupt keinen Unterschied für die Funktionsfähigkeit der Haut aus. Anders gesagt, die frühere Idee, daß der "natürliche" Lipid- und Schweißfilm der Haut, der die Hautgesundheit gewährleisten und festigen soll, durch künstliche Wasch- und Pflegeprodukte erhalten bleiben sollte, ist somit nicht mehr von Nutzen für die auf Konsum abzielende Kosmetikindustrie.

Statt nun aber einen Schritt zurückzugehen und alkalische Seifen nicht weiter zu verteufeln, geht die Kosmetikindustrie tatsächlich noch einen Schritt weiter und kommt jetzt mit Bakterien und Keimen auf den Markt, die Cremes und Lotionen künstlich zugesetzt werden. Statt von Keimen spricht man jedoch analog zu den von der Lebensmittelindustrie eingeführten "verbesserten" Darmbakterien in Joghurts und dergleichen von sogenannten "Probiotika", mit denen die unästhetische Herkunft dieser Bakterien verschleiert wird.

Was für die Darmschleimhaut gut ist, soll nun auch der Haut nützen.

Laut einem Artikel von Michal Bänfer in der vom Springer Verlag herausgegebenen Medizin News werden Probiotika inzwischen bei Hautkrankheiten eingesetzt.

Sie sollen die Entwicklung der Mikroflora fördern, d.h. die natürlichen und bisher bekämpften hauteigenen Bakterien, die man jetzt als wichtig für das angeborene Immunsystem der Haut versteht. Genaugenommen werden nun aber die natürlichen Mikroorganismen der Haut von fremdeingeführten verdrängt, vorgeblich um mikrobielle Ungleichgewichte zu beheben, die sich in unreiner Haut, Akne, trockener Haut, atopischer Dermatitis u.a. zeigen würden.

Laut Bänfer reichen "die Behandlungskonzepte von der Entwicklung prä- und probiotischer Kosmetik über den Einsatz systemischer Probiotika zur Behandlung entzündlicher Hautkrankheiten bis hin zur Entwicklung probiotischer Externa". Das bedeutet, daß sogenannte nichtpathogene Keime direkt auf die Haut aufgetragen oder innerlich eingenommen werden. Präbiotika sind die bevorzugten Nährstoffe dieser Bakterien, die nach Applikation der Keime gewissermaßen zwingend notwendig als Ernährung für letztere angewendet werden müssen, um ihre Ausbreitung weiter zu fördern.

Erste kommerzielle Produkte mit solchen "präbiotischen" Wirkstoffen, die vermeintlich auch die "Hautmikroflora wieder in ihr natürliches Gleichgewicht bringen" sollen, aber immer in Zusammenhang mit "probiotischen Applikationen" (lebenden Hautkeimen), die bevorzugt aus inaktivierten Präparationen schutzvermittelnder Bakterien bestehen sollen, seien bereits auf dem Markt erhältlich.

Lebensmittel mit Pro- und Präbiotika die nicht für den Darm, sondern speziell für die Haut geeignet sind, sollen sich noch in Vorbereitung befinden. Doch sollte man sich lieber nicht dazu verleiten lassen, mit Darmbakterien angereicherte, probiotische Joghurts als Maske auf die Gesichtshaut aufzutragen. Es handelt sich in beiden Fällen um völlig verschiedene Anwendungsbereiche und verschiedene Bakterienkulturen.

Ob die Haut auf diese Weise den Austausch ihrer Mikrofauna übersteht,
ohne sich in Gramesfalten zu legen, wird sich erst nach längerer
Einführung dieser "Naturprodukte" erweisen. Die naheliegende Idee
angesichts dieser Auswüchse der Körperkultur, daß die eigenen
Körperbakterien am günstigsten ernährt und kultiviert werden, indem
man Waschmittel und Kosmetika gänzlich vermeidet, scheint offenbar für
die Dermatologie keine Option zu sein.

Quellen:
Volz T, Biedermann T (2009) Outside-in. Probiotische Externa. Hautarzt
(60):795-801

Werfel T (2009) Inside-Out. Probiotika und atopische Dermatitis. Hautarzt (60):802-808

Simmering R, Breves R (2009) Prä- und probiotische Kosmetik. Hautarzt (60):809-814

19. November 2009