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BERICHT/112: Die Zukunft des Supercomputing in Jülich (Forschen in Jülich)


FORSCHEN in Jülich - 2/2008
Das Magazin aus dem Forschungszentrum

Die Zukunft des Supercomputing in Jülich

Prof. Thomas Lippert im Gespräch mit Frank Frick


Der Direktor am Institute for Advanced Simulation (IAS) und Leiter des Jülicher Supercomputing Centre (JSC) erläutert, wie die Höchstleistungsrechner der nächsten Generation beschaffen sind und welche Rolle das Forschungszentrum Jülich im Jahr 2012 spielen wird.


Frage: Herr Prof. Lippert, gestern verließ einer Ihrer Mitarbeiter vorzeitig ein Gespräch über den Jülicher Supercomputer JUGENE, der seit wenigen Monaten in Betrieb ist. Seine entschuldigenden Worte: "Ich muss zum nächsten Termin. Es geht um einen neuen Superrechner." Verraten Sie uns mehr?

Lippert: Eigentlich stecken wir sogar in den Planungen zweier Supercomputer. Wir verfolgen in Jülich ein duales Konzept. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass die Supercomputer in zwei Klassen einteilbar sind, wenn man das Anwendungsspektrum der Nutzer des JSC betrachtet. Da sind einerseits die Rechner für wenige besonders große, rechenintensive und hoch skalierbare Simulationen, also Rechner wie JUGENE, mit denen wir die großen gesellschaftlichen Herausforderungen, etwa im Bereich Energie und Umwelt oder Gesundheit, angehen können. Und da sind andererseits die flexiblen Systeme für die etwas kleineren Simulationen, die aber hohe Anforderungen an den Arbeitsspeicher und das Kommunikationsnetzwerk haben - das werden in Zukunft Clustercomputer aus Standardkomponenten sein. Wir brauchen beide Computerarchitekturen, um kostenoptimiert den Bedarf aller Wissenschaftler zu decken, die hier bei uns in Jülich rechnen wollen.

Frage: Aber eigentlich strebt doch jeder Wissenschaftler danach, seine Fragestellung auf dem jeweils leistungsstärksten Supercomputer zu bearbeiten. Wozu genau braucht man dann das Clustercomputer-System?

Lippert: Um den High-End-Supercomputer ausdrücklich für vergleichsweise wenige ausgewählte, extrem herausfordernde und interessante Forschungsprojekte - rund 30 pro Jahr - mit höchstem Rechenzeitbedarf einsetzen zu können. Auf dem Clustercomputer-System werden demgegenüber - um eine Zahl zu nennen - jedes Jahr etwa 200 Projekte Rechenzeit erhalten. Man muss dazu auch wissen, dass längst nicht jede Simulation hoch skalierbar ist, also umso schneller läuft, je mehr Prozessoren zur Verfügung stehen. Übrigens hat sich das duale Konzept bereits außerordentlich gut bewährt. Auch bislang hatten wir mit JUMP neben JUGENE einen Rechner sozusagen für die Brot-und-Butter-Arbeit zur Verfügung. Wobei sich die Ergebnisse dieser Arbeit sehen lassen können, wie viele Veröffentlichungen in angesehenen Fachzeitschriften belegen.

Frage: Was verstehen Sie unter dem Begriff "Clustercomputer-System", und wie sehen die konkreten Planungen dazu aus?

Lippert: Ein Clustercomputer-System besteht im Prinzip aus Computern, die mit einem vollständigen Betriebssystem ausgestattet sind und aus leistungsstarken Standardkomponenten bestehen - zusammengeschaltet über ein sehr schnelles Kommunikationsnetz, das über Standard-Interfaces mit den Rechenknoten verbunden ist. Nicht jeder Computer wird dabei ein eigenes Gehäuse haben. An solchen Systemen forschen wir seit 2004, weil wir überzeugt sind, dass sie ein überlegenes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Nun wollen wir ein solches System aufbauen, das JuRoPA (Jülich Research of Petaflop Architectures) heißen und auf Quad-Core-Prozessoren von Intel beruhen wird. Mit im Boot haben wir unter anderem die europäischen Unternehmen ParTec und Bull sowie SUN und Intel aus den USA.

Frage: Sie sprachen eingangs davon, dass Sie derzeit noch bei einem zweiten Supercomputer in der Planungsphase stecken. Handelt es sich dabei um einen Nachfolger für JUGENE?

Lippert: Tatsächlich planen wir, JUGENE auszubauen, ihn von derzeit 16 auf mindestens 72 Racks zu erweitern und damit auf die Leistung von einem Petaflop/s zu bringen, also von einer Billiarde Rechenoperationen pro Sekunde. Parallel wollen wir natürlich die Benutzer auf dem Weg zu mehr Rechenleistung stets mitnehmen. Denn man muss schließlich am Ende auch in der Lage sein, das System effizient zu nutzen.

Frage: Im Supercomputing zählt also nicht nur die Rechenleistung und Rechenkapazität, sondern auch das Know-how der Betreiber und der Benutzer?

Lippert: Die Kompetenz am Standort ist das, was wirklich zählt. Wenn ich heute junge Menschen am Supercomputer ausbilde, so werden sie die nächsten 35 Jahre als Experten den Fortschritt auf diesem Gebiet mitgestalten - die Supercomputer dagegen lösen sich alle vier, fünf Jahre ab. Und künftig braucht man aufgrund der Parallelisierung in der Computerwelt noch mehr Kompetenz - das geht hin bis zu der Frage, wie wissenschaftliche Theorien zu formulieren sind, um sie computertechnisch behandeln zu können.

Frage: Zum Schluss bitte Ihre Vision: Welche Rolle spielt das Forschungszentrum Jülich im Jahr 2012 beim Supercomputing?

Lippert: Jülich ist dann die erste Adresse für 'Computational Science and Engineering' in Europa und betreibt das Supercomputerzentrum als ein Element der neuen europäischen Supercomputer-Infrastruktur. Wir werden den Vergleich mit den Zentren in den USA nicht scheuen müssen. Bei uns wird ein Computer mit einer Leistung von etwa 10 Petaflop/s installiert, auf dem die führenden europäischen Simulationsteams rechnen wollen. Wir arbeiten eng mit der Industrie zusammen und entwickeln gemeinsam mit ihr die Computersysteme der Zukunft.


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Quelle:
Forschen in Jülich - Magazin des Forschungszentrums Jülich 2/2008, Seite 24-25
Herausgeber: Forschungszentrum Jülich GmbH
Kontakt: Stabsstelle Unternehmenskommunikation, 52425 Jülich
Telefon: 02461 / 61 - 4661, Fax: 02461 / 61 - 4666
E-Mail: info@juelich.de
Internet: http://www.fz-juelich.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2009