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SEISMIK/057: Wenn die Erde bebt - Grundlagen zur Abschätzung der Gefährung verbessert (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 05.03.2009

Wenn die Erde bebt

Nachwuchswissenschaftler der Uni Jena verbessert Grundlagen zur Abschätzung seismischer Gefährdung


Jena (05.03.09) Es war eines der schwersten Erdbeben in der Geschichte, das im September 1985 Mexiko-Stadt erschütterte. Neben unzähligen Menschenleben, die das Unglück forderte, wurden auch über 2.800 Gebäude beschädigt, 880 von ihnen brachen während des Bebens oder danach zusammen. Das Erdbeben von Mexiko-Stadt war zweifelsohne eine erschütternde Katastrophe, doch mehr als hundertmal pro Jahr kommt es zu schwereren Erdbeben. Wann und wo die Erde bebt, ist auch heute noch nicht vorhersagbar. Die Vorgänge im Erdinneren sind zu komplex für exakte Prognosen. Umso wichtiger ist es, Standorte auf ihre seismische Gefährdung hin untersuchen zu können. Mit der sogenannten H/V-Methode - ein populäres und kostengünstiges Verfahren zur Abschätzung der seismischen Gefährdung von Standorten und der Bewertung von Standortbedingungen - beschäftigte sich Dr. Tran Thanh Tuan von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Im Rahmen seiner Dissertation zur "Elliptizität von Rayleigh-Oberflächenwellen" forschte der Wissenschaftler aus Vietnam die letzten drei Jahre am Jenaer Institut für Geowissenschaften - nun liegen die Ergebnisse vor.

"Die H/V-Methode basiert auf der spektralen Analyse des Verhältnisses von horizontaler zu vertikaler Bodenverrückung und zeigt die natürliche Bodenunruhe an", weiß Dr. Tran Thanh Tuan. Die Methode macht es möglich, lokale Bedingungen zu analysieren, wonach Aussagen getroffen werden können, ob am bestimmten Ort Erdbebenwellen verstärkt werden oder nicht. "Die Methode kommt insbesondere dort zum Einsatz, wo Hochhäuser entstehen sollen", erklärt Prof. Dr. Peter G. Malischewsky vom Jenaer Lehrstuhl für Angewandte Geophysik, der die Dissertation gemeinsam mit Prof. Dr. Frank Scherbaum von der Universität Potsdam betreute. "Eines der prädestinierten Einsatzgebiete ist die 'Megacity' Mexiko-Stadt", berichtet Malischewsky und verweist auf die langjährige enge Zusammenarbeit des Jenaer Instituts mit der dortigen Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM).

Ungeachtet der Popularität der H/V-Methode werden ihre theoretischen Grundlagen weltweit kontrovers diskutiert. Eine entscheidende Fragestellung dabei ist, inwieweit das Maximum der H/V-Kurve - der sogenannte Peak - die Bodenresonanzfrequenz widerspiegelt. "Fällt die Bodenresonanzfrequenz mit der Gebäudeeigenfrequenz zusammen", so Tran, "kann es bei Erdbeben für Gebäude gefährlich werden." Der Nachwuchswissenschaftler ermittelte nun ein bisher unbekanntes kritisches Poissonverhältnis für das Verhalten der Elliptizität von Rayleighwellen, also seismische Wellen, die den Boden sowohl auf und ab als auch hin und her in Ausbreitungsrichtung der Welle bewegen. "Das Poissonverhältnis ist ein wichtiger Parameter dafür, wie elastische Materialen - also auch Baustoffe - auf Erdbeben reagieren", berichtet Tran und verweist auf die Bedeutung der Ergebnisse auch für andere Disziplinen wie die Materialwissenschaft. "Bei dem bisher unbekannten kritischen Verhältnis ändert die H/V-Kurve ihr Verhalten grundlegend und es gibt keine herausragenden Peaks mehr, sondern nur noch schwache Maxima. Dies erlaubt festzustellen, wo sich Bodenunruhe für die Untersuchung von Eigenfrequenzen des Untergrundes verwenden lässt", so Tran, der bereits die Gelegenheit hatte, seine Ergebnisse auf nationalen und internationalen Kongressen vorzustellen.

Dr. Tran Thanh Tuan, der "hervorragende Arbeitsbedingungen und ein hochmotiviertes Forschungsteam" in Jena kennenlernte, kehrt nun an die Universität Hanoi zurück. "Seine Dissertation ist ein wesentlicher Schritt bei der Klärung der Grundlagen und zu einem effektiven Einsatz der H/V-Methode", ist sich Prof. Dr. Peter G. Malischewsky sicher. Dass in Mexiko-Stadt infolge des Bebens so viele Hochhäuser einstürzten, sei auch ein Resultat fehlerhafter Berechnungen, ist sich Malischewsky sicher. "Trans neue theoretische Grundlagen könnten in Zukunft die Prognosen genauer gelingen lassen."

Weitere Informationen unter:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Katrin Czerwinka, 05.03.2009
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2009