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FORSCHUNG/207: Wenn Berge Wetter machen (Portal - Uni Potsdam)


Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung 7-9/2008

Wenn Berge Wetter machen
Wissenschaftler des Leibniz-Zentrums für Erdoberflächen- und Klimaforschung beschäftigen sich mit dem Verhältnis zwischen Klima und Tektonik

Von Petra Görlich


Welchen Einfluss hat das Klima auf den Aufbau von Gebirgen? Wie wirken sich veränderte Niederschlagsverhältnisse auf die Bedingungen an der Erdoberfläche aus? Wie beeinflussen sie die Erosionsprozesse? Um diese und andere Fragen geht es im DFG-Leibniz-Zentrum für Erdoberflächen- und Klimaforschung der Universität Potsdam. Die beiden Professoren und Leibniz-Preisträger Manfred Strecker und Gerald Haug haben es 2007 als Bestandteil des Profilbereiches Erdwissenschaften gegründet. Thematisch sind es vor allem die Beziehung zwischen Klima und Tektonik, aber auch die Klimavariabilität und ihre Auswirkungen auf oberflächennahe Prozesse, die dessen wissenschaftlichen Hintergrund bilden. Das Zentrum ist von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert und stellt eine Plattform insbesondere für die Förderung talentierter Nachwuchswissenschaftler und damit verbundene neue Projekte dar.


"Wenn wir beispielsweise die Auswirkungen von Änderungen in den Niederschlagsverhältnissen auf Erosionsprozesse studieren, tun wir dies auf verschiedenen Zeitskalen, mit verschiedenen Archiven und Möglichkeiten der Datierung", erklärt Strecker. Das umfasst zunächst die Messung von Niederschlagsmengen und die Auswertung digitaler Satellitendaten, aber auch das Nutzen von Sedimentarchiven, um mehr über ehemalige Niederschlagsmengen und Klimate zu erfahren. Er und seine Kollegen interessieren sich insbesondere dafür, was auf langen Zeitskalen durch veränderte klimatische Bedingungen hinsichtlich des Aufbaus von Gebirgen passiert. So untersuchen die Wissenschaftler letztlich ein ganzes Prozessgefüge, bei dem sie einerseits die Klimavariabilität rekonstruieren, andererseits nach Ursachen klimainduzierter und tektonisch kontrollierter Prozesse schauen.

Strecker selbst ist zum Teil in die derzeit laufenden Projekte involviert. Vor allem in das Vorhaben "Plateau Evolution und Paläoklima in den südlichen Zentral-Anden", das er zusammen mit jungen Nachwuchswissenschaftlern realisiert. "Die Anden sind eines der faszinierendsten Gebiete überhaupt auf der Erde", sagt er. "Hier kann man die Beziehungen der erdtektonischen Heraushebungen von Gebirgen und damit den Aufbau von Klimabarrieren sehr gut sehen und zurückverfolgen." In kleinen Teams wird mehrmals im Jahr nach Argentinien gefahren. Aufgrund der guten Infrastruktur vor Ort sind die Wissenschaftler schnell im Gelände. "Wir bewegen uns in großen Höhen von 2000 bis 5000 Metern und suchen dort nach solchen Lokalitäten, die Sedimentablagerungen aufweisen, in denen wir Zeugen ehemaliger Klimabedingungen finden", erzählt der Geologie-Professor. Das Klima rekonstruieren können die Wissenschaftler zum Beispiel anhand sogenannter Paläoböden, Böden, die vor langer Zeit entstanden und inzwischen durch andere Schichten überlagert wurden. Die Teams, häufig von argentinischen und auch amerikanischen Kollegen unterstützt, halten unter anderem Ausschau nach alten Wurzelhorizonten. Diese verraten ihnen viel über die einstige Pflanzenbedeckung. Auf die Spur kommen sie ihr mithilfe der stabilen Kohlenstoff- und Sauerstoff-Isotope und anderer Indikatoren. Liegt die Rekonstruktion der Pflanzenbedeckung vor, lässt sie Rückschlüsse auf das jeweils vorherrschende Klima zu und darauf, in welchem Zusammenhang es mit der Entwicklung des Gebirges steht. Die Anden wachsen, so eine Erkenntnis, durch ihre tektonische Deformation mehr und mehr nach Osten in das Vorland hinein. Dabei wird die Feuchte, die vom Osten kommt, abgeschirmt. Und das hat Folgen. Es kommt zu einer zunehmenden Trockenlegung ganzer Landschaftsregionen. "Wir wollen versuchen zu verstehen", so Strecker, "wie schnell das geht und welche Schwellenwerte die Gebirgshebung überschreitet, bevor sich die paläoökologischen Änderungen spürbar etablieren".

Die Forschungen der Geologen werden übrigens in den Gebieten der Vorländer gern gesehen. Auch die Erdölindustrie hat sich inzwischen eingeklinkt und unterstützt die Arbeiten mit eigenen Daten. Für sie ist es interessant zu wissen, wie schnell sich sogenannte Vorlandbecken bilden, wie schnell die Sedimentierung erfolgt, welche Prozesse bei der Ablagerung eine Rolle spielen.

Klar ist inzwischen, dass die Andenkette eine bestimmte Mindesthöhe gehabt haben muss, um überhaupt einen Regenschatteneffekt zu bilden. Die Experten gehen davon aus, dass das Gebirge vor etwa neun Millionen Jahren mindestens einmal 2000 Meter hoch gewesen sein muss, um einen Effekt auf die Umwelt zu erzeugen. "Das wissen wir", unterstreicht der Professor. "Jetzt geht es darum zu verstehen, welche Folge es für das Gesamtsystem hat, wenn in den zentralen Hochplateaus arides - also trockenes - Klima herrscht, das zwar Erosionsprozesse zulässt, die Sedimente aber nicht vom Plateau abgetragen werden und sich akkumulieren." Wie ändern sich dadurch beispielsweise die tektonischen Spannungsverteilungen im Gebirge, welche Auswirkungen gibt es auf die Aktivität von Störungssystemen, die sowohl in seinem Inneren als auch am Rand existieren - diesen und ähnlichen Fragen werden sich die Wissenschaftler weiter stellen.


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Quelle:
Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung Nr. 7-9/2008, Seite 28-29
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. August 2008