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LAIRE/057: Kaum Forschungen auf der Internationalen Raumstation ISS


Eine Permanentbaustelle im Orbit

Die Internationalen Raumstation ISS muß laufend gewartet werden und kommt allmählich in die Jahre


Die Internationale Raumstation ISS hat die in sie gesteckten Erwartungen bei weitem übertroffen. Nein, nicht die ihrer Protagonisten, sondern die ihrer Kritiker! Die hatten von Anfang an und im Laufe der vielen, von Verzögerungen geprägten Jahre mit zunehmendem Nachdruck vor einer Kostenexplosion und einem letzten Endes allzu geringen wissenschaftlichen Nutzen gewarnt. Aber daß die ISS in die Jahre kommen könnte, noch bevor sie fertiggestellt ist, das hätten Anfang der neunziger Jahre wohl nur wenige vermutet ...

Am 22. Dezember 2006 war der deutsche ESA-Raumfahrer Thomas Reiter nach sechs Monaten im All wieder sicher zur Erde zurückgekehrt. Vor rund einer Woche hat er seine erste Pressekonferenz abgehalten. Dabei wurde deutlich, daß die ISS nichts anderes ist als ein Potemkinsches Dorf ist. Sie hält nicht hinten und nicht vorne, was sie verspricht.

Es gibt sicherlich zahllose Methoden, Geld aus dem Fenster zu werfen, eine davon besteht darin, etwas zu bauen, das keinen anderen Nutzen abwirft, als ständig gewartet zu werden. "Halt, halt!", werden jetzt die Raumfahrtenthusiasten ausrufen, auf der ISS wird doch wissenschaftliche Forschung zum Nutzen der Menschheit betrieben! Zugegeben, etwas mehr als die Erfindung der unseligen Teflonpfanne hat die Raumfahrt abgeworfen, und wenn Schüler und Studenten Experimente auf der ISS durchführen, dann ist das für die Beteiligten sicherlich wahnsinnig spannend. Aber dafür Milliardensummen ausgeben? 19 Experimente hat Reiter durchgeführt, unter anderem aus den Bereichen Humanphysiologie, Biologie, Strahlendosimetrie und Plasmaphysik.

Wir wollen an dieser Stelle nicht ins Detail gehen und die einzelnen Experimente einer genaueren Beurteilung unterziehen - man könnte nämlich theoretisch auch das Entzünden eines Feuerzeugs zum Zweck entspannenden Zigarettenkonsums als "plasmaphysikalisches Experiment" bezeichnen -, aber wenn Reiter berichtet, daß erstmals nach 2003 wieder ein dritter Raumfahrer auf der ISS weilte und deshalb etwas Zeit für die Forschung abfiel, dann sollte man schon hellhörig werden. In den sechs Monaten auf der ISS hat Reiter 156 Stunden Forschungsarbeiten verrichtet - das ist nicht einmal eine Stunde pro Tag!

Vielleicht ist ja dem ein oder anderen an der Raumfahrt interessierten Leser noch in Erinnerung, was Klaus Berge, Projektleiter beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das am Bau des europäischen ISS-Forschungsmoduls "Columbus", beteiligt ist, am 11. Juli im Deutschlandfunk erklärte. Drei Besatzungsmitglieder auf der ISS - eine Konstellation, die vier Jahre später von Thomas Reiter als Hoffnungsschimmer betrachtet wurde -, war damals für Berge ein Schreckensszenario. Bei einer reduzierten Mannschaft von drei Astronauten, so der DLR-Projektleiter, "würde es 23 Jahre dauern, bis wir unsere Forschung, die wir heute schon vorbereitet haben, dort oben komplementieren könnten. (...) Ich denke, daß wir zumindest die Hälfte unseres vorgesehenen Programms dort erledigen werden können."

Eigentlich benötigen die Europäer 700 Stunden Experimentierzeit pro Jahr, um auf ihre Kosten zu kommen. Es gibt Abmachungen mit der Industrie, die eingehalten werden müssen. Ob aber diese Zahl jemals erreicht wird, steht in den Sternen, und zwischen diesen tummeln sich bekanntlich Schwarze Löcher, die alles verschlucken, was in ihre Nähe gelangt. Anders gesagt: noch befindet sich nicht einmal das Columbus- Modul im All. Darüber hinaus ist die Transportfrage von und zur Station ungewiß. Von den ursprünglich fünf US-Shuttles existieren nur noch drei und deren Nutzung wird voraussichtlich bis Ende des Jahrzehnts eingestellt. Dann könnte eine mehrjährige Beförderungslücke für Raumfahrer entstehen. Die ISS ist dann alt und dürfte ähnliche Verfallserscheinungen zeigen, wie zum Schluß die russische Raumstation Mir.

Auch die im Jahr 2002 vom damaligen NASA-Administrator Sean O'Keefe eingesetzte 23köpfige Expertenkommission, Task Force Remap genannt, die das Forschungsprogramm der ISS einer Prüfung unterziehen sollte, war zu einem niederschmetternden Ergebnis gelangt. Es mangele den Betreibern an einer wissenschaftlichen Strategie, hieß es und man monierte, daß nach den Plänen der US-Regierung die wissenschaftliche Arbeit auf der ISS auf nur 20 Stunden pro Woche reduziert werden sollte. Wie gesagt, ESA-Astronaut Reiter kam auf keine sieben Wochenstunden Forschung.

Angesichts der zig Milliarden bis Billionen, die von den USA in die Kriege gegen Irak und Afghanistan gesteckt werden, wirken die 100 Milliarden Dollar, die der Aufbau der Internationalen Raumstation ISS mindestens kosten wird, gering. Aber bedenkt man, welche sinnfälligen Forschungen mit dem Geld betrieben werden könnten, so hätte man die ISS von Anfang an auf den Mond schießen sollen. Nun aber hängt sie auf dem Weg dorthin fest und bindet Kräfte, die an anderer Stelle nutzbarer eingesetzt werden könnten.

23. Januar 2007