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LAIRE/062: Lösung des Hungerproblems - Überlebenswille getilgt (SB)


Siechtum ohne Klagen

Forscher haben Versuchstieren den Appetit genommen


Weltweit suchen Wissenschaftler nach Mitteln und Wegen, um den globalen Nahrungsmittelmangel zu beheben. Ein fast schon buddhistisch anmutender Ansatz besteht darin, das Bedürfnis zum Versiegen zu bringen, und zwar gewissermaßen an derQuelle: US-Forscher haben Mäuse dazu gebracht, daß sie weniger essen und an Körpersubstanz verlieren. Mit Blick auf den Menschen wurde dieses Siechtum als Schlank-Werden bezeichnet.

Ideologisch ist man dem Ziel, die Bevölkerung an Zeiten des Nahrungmangels zu gewöhnen, indem man sie zum Abnehmen verleitet, schon ein gutes Stück nähergekommen. Denn heute wird der schlanke, fast schon ausgemergelte Menschentyp favorisiert, der sich aus gesundheitsideologischen Gründen Leckereien wie Fettgebackenes, Schokolade und andere Süßwaren oder auch deftige Fleischgerichte mit sämigen Soßen versagt und statt dessen geschmacksneutrale Joghurts, Magerquark, rohes, allenfalls gedünstetes Gemüse und andere vegetarische Kost bevorzugt.

Wenn es aber gelänge, bei Menschen sogar den Appetit auszuschalten, so könnte die Bedürftigkeit noch weiter reduziert werden. Sicherlich soll sie nicht bis unterhalb des Existenzminimums fallen, wie es in den letzten Jahren einige Models, die bekanntlich als Speerspitze der Schönheitskultur dienen, getrieben haben. Sie benötigten keine Hormoninjektionen ins Hirn, so wie jene Labormäuse, die gegen ihren natürlichen Überlebensinstinkt dahinvegetierten, abmagerten und nun als Vorbild für Menschen dienen sollen.

"Wir glauben, daß wir ein bedeutendes Ziel für Medikamente ausfindig gemacht haben, das potentiell eine metabolisch dreifache Rolle spielen könnte: Appetitkontrolle, Gewichtsverlust und Blutzuckermanagement", sagte Forschungsleiter Tony Means vom Duke University Medical Center in Durham, North Carolina, laut einer Reuters-Meldung (6. Mai 2008).

Nicht Mäuse, sondern Menschen haben er und seine Kollegen ins Visier genommen. Die Forscher wollen in das hormonelle Zusammenspiel des Körpers eingreifen, indem sie dem Enzym CaMKK2, das den Appetit bei Mäusen gleichermaßen wie bei Menschen anregt, einen Dämpfer verpassen. CaMKK2 befindet sich im Hypothalamus und wird seinerseits durch das Hormon Ghrelin aus dem Magen angeregt. Zu dessen Ausschüttung kommt es, wenn der Magen leer ist.

In einer weiteren Studie, die von Forschern des Neurologischen Instituts der McGill-Universität in Montreal durchgeführt und ebenso wie die obige Arbeit im Fachjournal "Cell Metabolism" veröffentlicht wurde, war mit Hilfe bildgebender Verfahren dargestellt worden, daß Ghrelin nicht nur den Appetit anregt, sondern auch Nahrung schmackhaft aussehen läßt, indem es Signale aussendet, die mit Wohlbefinden assoziiert werden.

Die Idee der Forscher lautet nun, die Antwort des Enzyms CaMKK2 auf das Hungersignal durch das Ghrelin-Hormon zu unterbinden. Mäuse, denen ein Mangel an CaMKK2 mittels gentechnischer Verfahren angezüchtet wurde, blieben tatsächlich mager, egal, ob sie fettarme oder fetthaltige Nahrung erhielten. Darüber hinaus fraßen diese Mäuse weniger und hungerten ihr Gewicht noch weiter herunter, wenn die Forscher ihnen über eine direkte Gehirninfusion ein Mittel einflößten, von dem bekannt ist, daß es CaMKK2 blockiert. Als nächstes wollen die Forscher ein Verfahren entwickeln, bei dem dieser Enzymblocker durch die Blut-Hirnschranke befördert wird und somit an den gewünschten Einsatzort im Hypothalamus gelangt.

Selbstverständlich wird der globale Nahrungsmangel nicht mit Hilfe dieses Verfahrens, so es denn auf den Menschen übertragbar ist, aus der Welt geschafft, und ebenso selbstverständlich sollte man nicht davon ausgehen, daß die Forscher ihre Arbeit in diesem Geiste verrichten. Dem widerspricht jedoch nicht, daß sie an der Durchsetzung des oben beschriebenen Menschenbilds mitwirken und daß sie grundsätzlich gesellschaftlichen und politischen Zwängen unterliegen, die andere als die gewünschten Forschungsansätze, -ergebnisse und Ergebnisinterpretationen gar nicht erst zulassen.

Der Mensch der Zukunft verzichtet, und er findet das gut so. Damit paßt er hervorragend in eine Zeit des auf allen Erdteilen um sich greifenden Mangels an Wasser und Nahrung und des Rufs nach einer übergreifenden Verwaltung, die in Fortsetzung der heutigen Mangelwirtschaft die knappen Überlebensressourcen nach utilitaristischen Kriterien zuteilt.

8. Mai 2008