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ASTRO/166: Starke Magnetfelder sind offenbar schon kurz nach dem Urknall entstanden (idw)


Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg - 08.09.2011

Starke Magnetfelder sind offenbar schon kurz nach dem Urknall entstanden

Astrophysiker zeigen Magnetfeldverstärkung anhand dreidimensionaler Computersimulationen


Starke Magnetfelder im Universum sind offenbar schon kurz nach dem Urknall entstanden. Das hat ein internationales Forscherteam mit Hilfe von dreidimensionalen Computersimulationen gezeigt. Danach ist eine Magnetfeldverstärkung durch turbulente Strömungen auch unter extremen physikalischen Bedingungen möglich und kann damit bereits in einer frühen Phase der Entstehung des Universums aufgetreten sein. Die Arbeiten unter Leitung des Heidelberger Astrophysikers Dr. Christoph Federrath wurden an der Ecole Normale Supérieure in Lyon (Frankreich) sowie den Universitäten Heidelberg, Hamburg und Göttingen durchgeführt. Die Forschungsergebnisse werden am 9. September 2011 in den "Physical Review Letters" veröffentlicht.

Sowohl das Gas zwischen den Sternen einer Galaxie als auch die Materie zwischen den Galaxien ist magnetisiert. Wie diese Magnetfelder, die sich mit Teleskopen beobachten lassen, entstanden sind, ist bisher jedoch kaum bekannt. Jetzt liefert das internationale Forscherteam eine Erklärung: Der zugrundeliegende Mechanismus ist die Verstärkung anfänglich schwacher Magnetfelder durch turbulente Strömungen, wie sie auch im Erdinnern und der Sonne oder - wie vorhergehende Studien dokumentieren - bereits im frühen Universum vorhanden sind. "Diese Turbulenzen sorgen dafür, dass magnetische Felder exponentiell anwachsen. Wie unsere computerbasierten Modellrechnungen gezeigt haben, ist dies auch unter vermeintlich ungünstigsten physikalischen Voraussetzungen möglich - also schon unmittelbar nach dem Urknall, als die ersten Sterne im Universum entstanden sind", sagt Dr. Federrath.

Die Astrophysiker nutzen für ihre Arbeit dreidimensionale Computersimulationen, die mit mehr als 32.000 Prozessoren parallel berechnet wurden. Sie demonstrieren, wie Magnetfeldlinien durch turbulente Strömungen gedehnt, verbogen und zusammengefaltet werden. Die dazu erforderliche Energie wird der Turbulenz entzogen und fließt in das Magnetfeld. So wie beispielsweise elektrischer Strom durch die Bewegung von Ladungsträgern ein Magnetfeld erzeugt, wirkt auch auf Ladungen eine Kraft, wenn sie sich in einem Magnetfeld bewegen. "Das Wechselspiel von turbulenter Energie und Magnetfeld führt dazu, dass aus einem anfangs schwachen ein so starkes Magnetfeld wird, dass es die dynamischen Eigenschaften der Materie verändern kann", erläutert Dr. Federrath, der am Institut für Theoretische Astrophysik der Universität Heidelberg forscht. "Dieser physikalische Prozess ähnelt dem Erzeugen von elektro-magnetischer Energie in einem Fahrrad-Dynamo und wird deshalb auch als 'turbulenter Dynamo' bezeichnet."

Die Wissenschaftler wollen nun mehr über die dynamische Bedeutung dieser Magnetfelder und ihre Auswirkungen auf die ersten Sterne und Galaxien herausfinden. "Aufgrund der Existenz von Magnetfeldern ist es insbesondere denkbar, dass es bereits bei den ersten Sternen zu Materie-Ausflüssen, sogenannten Jets, gekommen ist", erläutert Dr. Federrath. Neben Dr. Christoph Federrath waren an den Forschungsarbeiten Prof. Dr. Gilles Chabrier (Lyon), Jennifer Schober (Heidelberg), Prof. Dr. Robi Banerjee (Hamburg), Prof. Dr. Ralf S. Klessen (Heidelberg) und Prof. Dr. Dominik R. G. Schleicher (Göttingen) beteiligt.

Die Abbildung zeigt die turbulenten Magnetfeldstrukturen in vier Computermodellen, die extrem unterschiedliche physikalische Bedingungen repräsentieren. Das Innere der Sonne ist beispielsweise nur wenig komprimierbar und durch Unterschallströmungen bestimmt (oben links), wohingegen das Plasma des frühen Universums vermutlich durch starke Kompressionen und Überschallturbulenz dominiert wurde (unten rechts). - © Abbildung: Dr. Christoph Federrath, Institut für Theoretische Astrophysik

Die Abbildung zeigt die turbulenten Magnetfeldstrukturen in vier Computermodellen, die extrem unterschiedliche physikalische Bedingungen repräsentieren. Das Innere der Sonne ist beispielsweise nur wenig komprimierbar und durch Unterschallströmungen bestimmt (oben links), wohingegen das Plasma des frühen Universums vermutlich durch starke Kompressionen und Überschallturbulenz dominiert wurde (unten rechts)
Abbildung: © Dr. Christoph Federrath, Institut für Theoretische Astrophysik

Informationen im Internet sind abrufbar unter: www.ita.uni-heidelberg.de/~chfeder/pubs/dynamo_prl/dynamo_prl.shtml

Originalveröffentlichung:
C. Federrath, G. Chabrier, J. Schober, R. Banerjee, R. S. Klessen, and D. R. G. Schleicher.
Mach Number Dependence of Turbulent Magnetic Field Amplification: Solenoidal versus Compressive Flows.
Phys. Rev. Lett. 107,
114504 (2011), doi: 10.1103/PhysRevLett.107.114504

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution5


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Marietta Fuhrmann-Koch, 08.09.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. September 2011