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FORSCHUNG/545: Teilchenbeschleuniger LHC gestartet (UniSpiegel Heidelberg)


UniSpiegel Universität Heidelberg - 4/2008, Oktober-November 2008

Teilchenbeschleuniger LHC gestartet

Heidelberger Wissenschaftler führend beteiligt
Schaden am Ablenkmagneten soll bald behoben sein


Als "größtes physikalisches Experiment der Menschheit" wird mancherorts die Arbeit am Teilchenbeschleuniger LHC (Large Hadron Collider) in Genf bezeichnet, der am 10. September erfolgreich in Betrieb genommen wurde. Heidelberger Wissenschaftler sind daran führend beteiligt. Und auch wenn derzeit aufgrund eines Schadens am Ablenkmagneten des Beschleunigerrings der Betrieb bis Anfang 2009 ruhen muss, blicken alle Beteiligten zuversichtlich in die Zukunft.


Was den Heidelberger Anteil am Teilchenbeschleuniger LHC angeht, so gibt es eine vergleichbar umfassende Beteiligung an diesem Projekt an keiner anderen Universität weltweit. Die Elementarteilchenphysik ist ein zentraler Forschungsschwerpunkt der Fakultät für Physik und Astronomie der Universität Heidelberg mit einer großen Tradition, die bis in die Gründerjahre des europäischen Teilchenforschungs-Zentrums CERN zurückreicht. Neben den experimentellen Fakultätsinstituten gibt es Teilchenphysiker im Institut für theoretische Physik und am Max-Planck-Institut für Kernphysik. Heidelberger Gruppen arbeiten an den in Genf durchgeführten Experimenten ALICE (Kirchhoff-Institut, KIP, und Physikalisches Institut, P1), ATLAS (KIP und Institut für Technische Informatik) sowie LHC-b (PI und Max-Planck-Institut für Kernphysik) mit.

Die drei genannten Experimente sind komplementär, nutzen aber alle den Beschleunigerring des LHC. ALICE - Sprecherin dieses Forschungsschwerpunkts ist Professor Johanna Stachel vom PI - wird die Eigenschaften eines neuen Aggregatzustandes, des Quark-Gluon-Plasmas, untersuchen. ATLAS stößt in den Bereich höchster Energie und kleinster Abstände vor, bei denen das Higgs-Teilchen, möglicher Verursacher der dunklen Materie im Universum, und die Frage nach der Dimensionalität des Raumes untersucht werden. LHC-b (das "b" steht für "beauty") schließlich widmet sich einer speziellen Kategorie von Quarks, deren Zerfälle eine fundamentale Symmetrie der Physik verletzen und damit eine Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie hervorrufen. Allen drei Experimenten ist gemein, dass ihre Messergebnisse grundlegend neue Einblicke in die ersten Momente nach der Entstehung unseres Universums liefern.

Von großer Wichtigkeit für die wissenschaftliche Nutzung der LHC-Experimente ist die Exzellenzinitiative. So bildet die bereits in der ersten Runde dieses Wettbewerbs 2006 bewilligte Heidelberger Graduiertenschule "Fundamental Physics" viele Doktoranden der Teilchenphysik aus und baut gleichzeitig die wichtige Brücke zur Astrophysik, Kosmologie sowie zur fundamentalen Quantenphysik.

Gegenüber dem Unispiegel bestätigte Professor Karlheinz Meier vom Kirchhoff-Institut für Physik, dass der jetzt aufgetretene Schaden "zweifellos zu Enttäuschung bei den Experimentatoren - insbesondere auch bei den jüngeren Diplomanden und Doktoranden - geführt" habe.


"Unsere Erwartungen an den LHC sind so hoch wie eh und je"

Nachvollziehen kann der Physiker allerdings schon, "dass bei einem Projekt dieser Komplexität unerwartete Probleme auftauchen können. Uns allen ist es bei der Detektorenentwicklung immer wieder ähnlich ergangen." An der Euphorie ändert das aber nichts: "Unsere Erwartungen an den LHC sind so hoch wie eh und je. Auch unsere Studenten werden aus dieser (auf der Zeitskala des Projekts eher kleinen) Verzögerung etwas lernen. Was jetzt zählt, sind Beharrlichkeit, sorgfältige Analyse der Probleme sowie deren kompetente Beseitigung. Zu tun haben wir bis zur Wiederaufnahme des Betriebs jedenfalls genug." Geplant ist die erneute Inbetriebnahme für Anfang 2009.


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Quelle:
UniSpiegel - Universität Heidelberg 4/2008
40. Jahrgang, Oktober-November 2008, Seite 5
Herausgeber:
Der Rektor der Ruprecht-Karls-Universität
Redaktion: Pressestelle
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2008