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GESCHICHTE/021: Die Influenzmaschine von August Toepler (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 14 vom 18. September 2007

Die Influenzmaschine von August Toepler
Wissenschaftler als Namensgeber in der Geschichte der TU Dresden (6)

Von Frank Dittmann
(Deutsches Museum, München)


Influenzmaschinen sind heute kaum noch bekannt, waren aber zu Lebzeiten von August Toepler - und auch später - wichtige Geräte in der Forschungspraxis. Sie können sehr hohe Spannungen bis zu 100.000 V bereitstellen - Toepler spricht von der Erzeugung "von starker Spannung vermittelst eines einfachen Apparates durch zweckmäßigen Kraftverbrauch".

Die Urform der Influenzmaschine ist der Elektrophor, der 1762 vom schwedischen Physiker Johannes Wilcke (1732-1796) beschrieben und um 1775 vom italienischen Physiker Alessandro Volta (1745-1827) weiterentwickelt wurde. Er besteht aus einem Metallteller sowie einer Platte aus Isolierstoff wie Glas, Harz oder Hartgummi, dem sogenannten Harzkuchen. Wird Letzterer mit einem Stück Katzenfell, Wolle oder Seide gerieben, lädt er sich negativ auf. Bringt man nun den elektrisch neutralen Metallteller in die Nähe des Kuchens, bewirkt die Influenz im Teller eine Ladungstrennung. Auf der dem Kuchen zugewandten Seite sammeln sich positive und auf der abgewandten Seite negative Ladungen. Wird die Metallplatte kurz geerdet, so fließen die negativen Ladungen ab und es verbleibt ein positiver Ladungsüberschuss. Hebt man nun die Platte am isolierten Griff vom Kuchen ab, werden die positiven und negativen Ladungen räumlich getrennt. Je weiter die Ladungen voneinander entfernt werden, umso höher wird die elektrische Spannung.

Die Influenzmaschine mechanisiert gleichsam den beschriebenen Ablauf. Einer rotierenden Scheibe aus Glas steht in geringem Abstand eine feste Scheibe gegenüber. Beide Scheiben sind an den Außenseiten mit sogenannten Elektrizitätsträgern, z. B. Stanniolstreifen, beklebt. Über die Stanniolstreifen der drehbaren Scheibe schleifen zwei miteinander verbundene Metallpinsel. Ist ein Elektrizitätsträger zufällig elektrisch geladen - und es befinden sich stets Ladungsspuren auf der Maschine -, sammelt sich auf dem gegenüberstehenden Stanniolstreifen der festen Scheibe durch Influenz die entgegengesetzte Ladung. Diese verstärkt wiederum die Ladung auf der rotierenden Scheibe. Von dort werden die positive und die negative Ladung durch jeweils ein Saugbüschel abgenommen und in Leidener Flaschen (Kondensator) gespeichert.

Die erste Influenzmaschine wurde 1865 von Wilhelm Holtz (1836-1913) in Berlin vorgestellt. Praktische Bedeutung erlangte jedoch erst die Weiterentwicklung des Engländers James Wimshurst (1832-1903). Zu dieser Zeit war zwar bereits der Rühmkorffsche Funkeninduktor bekannt, aber dieser erzeugte keine Gleichspannung, sondern Spannungsimpulse. August Toepler erfand nun 1865 - zeitgleich und unabhängig von Holtz - ebenfalls eine Influenzmaschine. Dabei wandte er das Prinzip der Selbsterregung, auf das Werner Siemens 1866 bei Entwicklung der Dynamomaschine zurückgriff, sowie das der Steigerung der Spannung durch eine Reihenschaltung von mehreren Scheiben an. In den Folgejahren verbesserte Toepler diese Apparatur. Seine 1881 auf der Pariser Elektrizitätsausstellung gezeigten Modelle mit 20 und 60 Scheiben fanden so großes Interesse, dass ihnen die renommierte Fachzeitschrift La Lumière Électrique einen mehrseitigen Beitrag widmete. Noch heute kann im Toepler-Bau der TU die Maschine mit 20 drehbaren Scheiben besichtigt werden. 1945 wurde sie aus dem zerstörten Physikalischen Institut geborgen und restauriert, mit der 60-Platten-Maschine gelang dies nicht.

August Joseph Ignaz Toepler wird heute als Physiker angesehen, hatte aber eine Ausbildung als Chemiker absolviert und arbeitete auch als solcher. Dies zeigt, dass Mitte des 19. Jhs. die Abgrenzung der Disziplinen viel weniger eindeutig war als heute. Toepler wurde am 7. September 1836 in Brühl bei Bonn geboren.

Diplom in Chemie

Von 1855 bis 1858 studierte er an den Gewerbeschulen in Köln und Berlin und erhielt ein Diplom in praktischer Chemie. Nach 1859 war er an der Landwirtschaftlichen Akademie in Bonn-Poppelsdorf tätig und wurde ein Jahr später in Jena mit einer Arbeit über die gleichzeitige Übertragung mehrerer Nachrichten über eine Telegraphenleitung promoviert. 1864 trat er eine Professur für Chemie am Polytechnikum Riga an. Von 1869 bis 1875 lehrte unser Protagonist an der Universität Graz und kam 1876 schließlich als Professor für Experimentalphysik an das Polytechnikum in Dresden, wo er bis 1900 wirkte. Toepler widmete sich in seiner wissenschaftlichen Arbeit vor allem der theoretischen und experimentellen Physik. Dabei entwickelte er seine Versuchsapparaturen oft selbst. So baute Toepler seine Influenzmaschinen, um damit Hochspannungsexperimente ausführen zu können. Er untersuchte u. a. die Erscheinungen an elektrischen Funkenstrecken, leistete aber auch Beiträge zu praktisch relevanten Fragen, wie der Erdung von Blitzableitern. 1862 verbesserte er die damals gebräuchliche Quecksilber-Luftpumpe, so dass er in den Höchstvakuumbereich vordringen konnte. 1864 entwickelte Toepler das Schlierenverfahren zur Abbildung der Dichteunterschiede in einem durchsichtigen Medium und 1883 konstruierte er eine magnetische Waage. Auch die später in fast allen Messgeräten verwendete Schwingungsdämpfung durch Luftreibung geht auf ihn zurück. August Toepler starb am 6. März 1912 hoch geehrt in Dresden. Ein Gebäude der TU Dresden ist heute nach ihm und seinem Sohn Maximilian, der ebenfalls in Dresden als Professor für Theoretische Physik wirkte, benannt.

Literatur:

Toepler, Maximilian: Leistung vielplattiger Influenzmaschinen, Historische. In: Wiss. Zeitschr. Techn. Hochsch. Dresden 2 (1952/53) H. 1, S. 11-12

Toepler, Maximilian: Zu August Toeplers 100. Geburtstag. Dresden 1936


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Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 18. Jg., Nr. 14 vom 18.09.2007, S. 8
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. September 2007