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MELDUNG/011: Neues Meßverfahren für Gehgeräusche (idw)


Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) - 16.02.2010

Neues Messverfahren für Gehgeräusche

PTB schlägt einfache Differenzmessung mit Trittschall-Normhammerwerk vor


"Achtung, der Chef kommt!" Im normalen Büroalltag mag ein "hellhöriger" Bodenbelag in den Fluren sogar hilfreich sein. Anders sieht es bei großen Räumen aus, in denen viele Menschen herumlaufen. Da kann die Frage nach dem nervenschonendsten Bodenbelag sehr wichtig werden. Daher hat die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ein Messverfahren entwickelt, das auf einem herkömmlichen Trittschall-Normhammerwerk beruht. Mit Hilfe einer einfachen Messung und ohne die Eigengeräusche des Hammerwerkes jedes Mal ermitteln zu müssen, lässt sich feststellen, wie groß der Lärm bei unterschiedlichen Bodenbelägen ist. Das Verfahren ist inzwischen der europäischen Normungsorganisation CEN als Normentwurf vorgeschlagen worden.

Der Fall ist ein Paradebeispiel für europaweite Zusammenarbeit im Messwesen: In Österreich glaubte ein Tüftler, einen besonders "leisen" Laminatboden entwickelt zu haben. Er wandte sich an die europäische Normungsorganisation CEN mit der Bitte, ein passendes Messverfahren zu entwickeln. Der Vorsitzende der entsprechenden Arbeitsgruppe ist Werner Scholl von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). Er machte sich an die Arbeit und fand schließlich ein Messverfahren, das zunächst vor allem in Frankreich auf Interesse stoßen wird - denn dort gibt es bereits jetzt entsprechende Lärmschutzvorschriften.

Scholl nahm ein herkömmliches Norm-Hammerwerk, das in praktisch allen bauakustisch tätigen Laboratorien vorhanden ist. Damit wird gemessen, wieviel Lärm bei welchem Bodenbelag nach unten dringt. Jetzt ging es aber um die Frage, wie laut es in demselben Raum wird. Die Lösung ist überzeugend einfach: Auf eine Rohdecke wird zunächst ein ganz kleines Stückchen Bodenbelag gelegt und mit dem Hammerwerk bearbeitet, danach ein wesentlich größeres. Nur in diesem zweiten Fall kann der Bodenbelag Luftschall abstrahlen, also "eigenen" Lärm verursachen. Alles andere bleibt jeweils gleich: einerseits der Beitrag der Rohdecke, andererseits die stets auftretenden, teilweise erheblichen und bodenbelagsabhängigen Eigengeräusche des Hammerwerkes. Statt diese Eigengeräusche jedes Mal aufwendig messen zu müssen, genügt nun also eine einfache Differenzmessung. Eine für dieses Verfahren obligatorische Unsicherheitsberechnung zeigt schließlich an, inwieweit das Hammerwerk hinsichtlich seiner Eigengeräusche für die vorgenommene Messung brauchbar war.

"Dass hier bei einer Norm eine individuelle Messunsicherheitsberechnung vorgeschrieben wird, ist richtungweisend," sagt Scholl. Zu messen ist in beiden Räumen eines Deckenprüftstandes nach ISO 140-1. Auch solche Prüfstände sind bereits in großer Zahl für Standard-Trittschallmessungen nach ISO 140 vorhanden. "Mit dieser Art Messung kann dann 'nebenbei' der laborspezifische Beitrag der Rohdecke zum Gehgeräusch durch einheitliche Werte einer Bezugsdecke ersetzt werden", ergänzt Scholl.

Erste Messungen mit drei sehr verschiedenen Bodenbelägen und Hammerwerken verliefen vielversprechend. Das neue Messverfahren wird zur Zeit in der Normungsgruppe diskutiert und soll in einem Ringversuch überprüft werden.

"Wir hätten als Quelle für die Gehgeräusche natürlich auch eine europaweit typische gehende Person mit den passenden Schuhen suchen können", sagt Scholl augenzwinkernd. "Mancher hätte eine Frau in roten Stöckelschuhen, die im Einheitsschritt durch die Labore eilt, vielleicht sympathischer gefunden." Aber die Realität ist halt hammerhart. (es)

Weitere Informationen unter:
http://www.ptb.de/de/aktuelles/archiv/nachrichten/2010/_gehgeraeusche.htm

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution395


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), Dipl.-Journ. Erika Schow,
16.02.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Februar 2010