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RAUMFAHRT/945: Physikalische Forschung im Weltall, vorbereitet in Bayreuth (idw)


Universität Bayreuth - 02.08.2016

Physikalische Forschung im Weltall, vorbereitet in Bayreuth


Für seine Beiträge zur physikalischen Forschung auf der Internationalen Raumstation ISS ist Dipl.-Phys. Thomas Triller, Doktorand am Physikalischen Institut der Universität Bayreuth, mit der Zeldovich-Medaille ausgezeichnet worden. Die von ihm vorbereiteten Materialproben wurden vor kurzem mit einem unbemannten Versorgungsflug zur ISS gebracht. Die Experimente, die hier im September 2016 beginnen, finden im Rahmen des multinationalen Forschungsprogramms DCMIX statt. Die neue Messkampagne, DCMIX3, wird von Prof. Dr. Werner Köhler und seiner Arbeitsgruppe am Physikalischen Institut der Universität Bayreuth koordiniert.

Für seine hervorragenden Beiträge zu wissenschaftlichen Experimenten auf der Internationalen Raumstation ISS ist Dipl.-Phys. Thomas Triller, Doktorand am Physikalischen Institut der Universität Bayreuth bei Prof. Dr. Werner Köhler, mit der Zeldovich-Medaille ausgezeichnet worden. Der internationale Dachverband für Weltraumforschung COSPAR (Committee on Space Research) und die Russische Akademie der Wissenschaften würdigen mit dieser Auszeichnung die Leistungen von Nachwuchswissenschaftlern, die wichtige Beiträge in ihren jeweiligen Forschungsgebieten geleistet haben.

Die Medaille wird alle zwei Jahre im Gedenken an den Astrophysiker Jakow B. Seldowitsch (engl. Schreibweise: Yakov B. Zeldovich) verliehen. Thomas Triller erhielt sie jetzt in der Kategorie 'Materialwissenschaften' für seine Vorbereitung grundlegender Experimente, die in Kürze auf der ISS durchgeführt werden. Die von ihm - auf der Basis eigener Forschungsarbeiten - vorbereiteten Materialproben wurden vor kurzem mit einem unbemannten Versorgungsflug zur ISS gebracht.


Das Forschungsziel im Weltall:
Unverfälschte Messdaten zum Verhalten von Flüssigkeiten

Die Experimente, an deren Vorbereitung der Bayreuther Nachwuchswissenschaftler wesentlich mitgewirkt hat, beziehen sich auf die Diffusion von Flüssigkeiten. Eine solche Diffusion liegt immer dann vor, wenn sich die Teilchen verschiedener Flüssigkeiten im Laufe der Zeit miteinander vermischen. Will man solche grundlegenden molekularen Prozesse in Laboratorien auf der Erde untersuchen, können die Messungen durch die Schwerkraft gestört und die Ergebnisse verfälscht werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn an der Diffusion mehr als zwei verschiedene Flüssigkeiten und Temperaturunterschiede beteiligt sind. In der Raumstation herrscht jedoch Schwerelosigkeit, so dass die Untersuchungen zu verlässlichen Analysen führen können.

"Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sind insbesondere für die physikalische Grundlagenforschung von großem Interesse. Sie sind aber auch für vielfältige andere wissenschaftliche Fragestellungen von Bedeutung - gerade auch in Bereichen, bei denen man dies nicht von vornherein erwarten würde", erklärt Prof. Dr. Werner Köhler. "Beispiele sind die Analytik von Kunststoffen, Solarteiche als alternative Wärmespeicher, die Ausdifferenzierung von Erdöllagerstätten, wichtige Prozesse in der frühen Evolution des Lebens, neuartige Mikromaschinen oder auch Mikroschwimmer, die als künstliche Modelle für die Fortbewegung von lebenden Zellen dienen."


Von Bayreuth aus koordiniert:
Der neue Abschnitt des multinationalen Forschungsprogramms DCMIX

Vor diesem Hintergrund haben die europäische Weltraumorganisation ESA und die russische Weltraumorganisation ROSCOSMOS das multinationale Forschungsprogramm DCMIX ins Leben gerufen. Im Rahmen dieses Programms finden auf der ISS Messungen statt, die für definierte Flüssigkeitskombinationen - die als Modellsysteme ausgewählt wurden - zuverlässige Messdaten liefern. Diese Ergebnisse bilden wichtige Anhaltspunkte für Forschungsarbeiten, die später an weiteren Flüssigkeitskombinationen auf der Erde durchgeführt werden. Sie fungieren als Referenzdaten, die es ermöglichen, störende Einflüsse der Gravitation aus den am Boden erzielten Messdaten herauszurechnen. Um die Messungen auf der ISS vorzubereiten und ihre Ergebnisse am Boden auszuwerten, sind über viele Jahre hinweg intensive internationale Forschungskooperationen erforderlich.

Vor kurzem hat an Bord der ISS der dritte Abschnitt der Messungen begonnen, die im DCMIX-Programm durchgeführt werden. Diese neue Messkampagne, DCMIX3, wird von Prof. Dr. Werner Köhler und seiner Arbeitsgruppe am Physikalischen Institut der Universität Bayreuth koordiniert. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) fördert die Forschungsarbeiten über einen Zeitraum von fünf Jahren mit rund 300.000 Euro.


Ausgezeichnet: Die Forschungsbeiträge von Dipl.-Phys. Thomas Triller

Dipl.-Phys. Thomas Triller ist Mitglied dieser Bayreuther Arbeitsgruppe. Im Rahmen seiner von Prof. Köhler betreuten Doktorarbeit untersucht er Transportvorgänge in Flüssigkeiten, in der verschiedene Bestandteile miteinander vermischt sind. Ein wesentlicher Aspekt seiner Forschungsarbeiten sind die Prozesse, die dadurch ausgelöst werden, dass sich die Temperatur an bestimmten Stellen einer solchen mehrkomponentigen Flüssigkeit ändert. Diese Prozesse spielen für das grundsätzliche Verständnis von Flüssigkeiten eine wichtige Rolle.

In den letzten drei Jahren hat der Bayreuther Physiker zahlreiche Daten zur Diffusion von Flüssigkeiten analysiert, die aus früheren Messungen auf der ISS hervorgegangen sind. Hinzu kamen umfangreiche eigene Experimente. Die Forschungsergebnisse bildeten die Grundlagen für die Proben, die Thomas Triller für die jetzt anstehenden neuen Messungen im Rahmen von DCMIX3 hergestellt hat.

Im Juli 2016 startete in Cape Canaveral in Florida eine unbemannte Rakete, um diese Proben zur ISS zu bringen. Nach zweitägigem Flug dockte sie an die Raumstation an. Wenn im September die ersten Experimente beginnen, wird das Bayreuther Forschungsteam die Ereignisse von der Bodenkontrollstation in Madrid aus live verfolgen.


Hintergrund:

Der internationale Dachverband für Weltraumforschung COSPAR wurde bereits 1958 gegründet. Weil er sich ausschließlich auf die wissenschaftliche Forschung fokussierte, bildete er in den Zeiten des Kalten Kriegs eine wichtige Brücke zwischen der Sowjetunion und dem Westen. Die seit 1990 verliehene Zeldovich-Medaille ist eine Auszeichnung für hervorragende Nachwuchswissenschaftler, deren Forschungsarbeiten einen engen thematischen Bezug zur Raumfahrt und zur Forschung im All haben. In diesem Jahr sollte die Zeldovich-Medaille im Rahmen der diesjährigen COSPAR-Generalversammlung in Istanbul verliehen werden. Aufgrund der aktuellen politischen Entwicklung in der Türkei musste die Veranstaltung jedoch kurzfristig abgesagt werden. So wurde die Medaille für Thomas Triller per Post nach Bayreuth übersandt.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution4

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Bayreuth, Christian Wißler, 02.08.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. August 2016

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