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RAUMFAHRT/952: Getrennte Wege bei ExoMars - Landesonde Schiaparelli wird von seiner Raumsonde gelöst (DLR)


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) - 14.10.2016

Getrennte Wege bei ExoMars - Landesonde Schiaparelli wird am 16. Oktober 2016 von seiner Raumsonde gelöst


Seit dem 14. März 2016 flogen der Orbiter TGO (Trace Gas Orbiter) und der Lander Schiaparelli für die ESA-Mission ExoMars gemeinsam in Richtung Mars - nun, am 16. Oktober 2016, beginnt für den Lander der ereignisreiche Weg zur Marsoberfläche, während der Orbiter in eine Umlaufbahn um den Mars gesteuert wird. Um 16.42 Uhr deutscher Zeit wird Schiaparelli mit einer Relativgeschwindigkeit von 30 Zentimetern in der Sekunde ins All gestoßen. Drei Tage später, am 19. Oktober 2016, wird der Lander dann in die Marsatmosphäre eintreten - mit einer Geschwindigkeit von 21.000 Kilometern in der Stunde. In diesem Moment werden für Dr. Ali Gülhan vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) wohl die aufregendsten fünf Minuten seiner wissenschaftlichen Arbeit beginnen: An der Oberseite der Landekapsel wird sein Experiment COMARS+ (Combined Aerothermal and Radiometer Sensors Instrument Package) während der Landung durch die staubige Atmosphäre Druck, Temperatur und Wärmefluss messen. Die Landestelle in der Region Meridiani Planum wurde mit dreidimensionalen Geländemodellen ausgewählt, die die DLR-Planetenforscher erstellten. Das DLR-Raumfahrtmanagement koordiniert die deutschen Beiträge der Mission.

Messungen im Flug durch die Atmosphäre

Heiß und wohl auch etwas ruppig wird der Abstieg, den der Lander noch vor sich hat: Innerhalb von knapp sechs Minuten soll Schiaparelli von 21.000 auf rund zehn Kilometern in der Stunde abgebremst werden und dabei möglichst lange durch eine zweiteilige Kapsel vor der Hitzeentwicklung geschützt werden. Zehn Kilometer wird er an einem Fallschirm nach unten sinken, dann - nach dem Abtrennen von Fallschirm und Schutzschild - 29 Sekunden lang mit Bremsraketen entschleunigen und die letzten beiden Meter auf die Marsoberfläche fallen. "Wie sich dabei die Hitze auf der Rückseite der Landekapsel entwickelt - das hat bisher noch niemand im Flug detailliert gemessen", erläutert DLR-Ingenieur Ali Gülhan. Drei kombinierte Sensoren und ein Radiometer werden an der Oberfläche messen, wie groß die aerothermalen Lasten sind, die ein Hitzeschild aushalten muss. "Da man diese Daten noch nicht kennt, sind die Kapseln aus Sicherheitsgründen immer mit dickem und kostenintensivem Schutzmaterial gebaut. Wäre die genaue Belastung bekannt, könnte man bei zukünftigen Missionen an Gewicht beim Hitzeschutz sparen und dadurch mehr wissenschaftliche Instrumente einplanen."

Auch die Atmosphäre rund um die Landekapsel kann mit den gewonnenen Messdaten des DLR sowie Druckdaten auf der Frontseite rekonstruiert werden. "Zurzeit gibt es starken Wind und viel Staub auf dem Mars, und die Staubpartikel werden mit hoher Geschwindigkeit auf den Hitzeschutz prasseln." Dass das einen Effekt haben wird, ist klar - aber wie sich Wind und Staubpartikel beim Eintritt in die Atmosphäre genau auswirken, ist bisher nicht ausreichend erforscht. Für die Messungen während des Fluges muss das COMARS+-Instrument einiges aushalten: "Die Herausforderungen waren groß: Die Elektronikbox und die empfindlichen Sensoren müssen die Kälte während der Reise zum Mars, aber auch die Hitze während der Landung aushalten", betont Ali Gülhan, Abteilungsleiter Über- und Hyperschalltechnologien am DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik.

Anreise im Schlafmodus

Doch bevor die Sensoren von COMARS+ messen können, wie die aufgeheizten Gasmoleküle um die Landekapsel mit ihrem Durchmesser von 2,40 Meter strömen, muss die Abtrennung des Landers vom Orbiter funktionieren. Sollte das zuvor hochgeladene Kommando nicht autonom erfolgen, wird automatisch 32 Stunden, am 17. Oktober 2016, ein erneuter Versuch durchgeführt. Um Energie zu sparen, wird Schiaparelli während der dreitägigen Reise zum Mars nicht eingeschaltet sein - er wird 75 Minuten vor dem Eintritt in die Marsatmosphäre aufwachen.

Die Landung mit Landedemonstrator Schiaparelli - oder auch dem EDL, dem "Entry, Descent and Landing Demonstrator" - in 175 Millionen Kilometern Entfernung von der Erde ist eine Art Generalprobe für zukünftige Missionen. Auf dem Lander selbst sitzen neben COMARS+ noch vier weitere Instrumente, die unter anderem wie eine Art Wetterstation auf dem Mars Windgeschwindigkeit, Feuchtigkeit, Druck, Strahlung oder auch Temperatur messen. Die Kamera DECA wird während des Abstiegs 15 Fotos im Abstand von jeweils 1,5 Sekunden aufnehmen. Insgesamt soll mit der Energie, die nach der Landung noch zur Verfügung steht, einige Tage lang gemessen und Daten zur Erde übermittelt werden.

Landestelle ohne Hindernisse

Landen wird Schiaparelli in der Ebene Meridiani Planum. Eine Region, die vor allem eines ist: großflächig flach ohne Hindernisse, denn der Lander könnte diesen bei seinem Fall auf die Marsoberfläche nicht ausweichen. "Dort auf dem Mars haben wir über mehrere Quadratkilometer eine ebene Region", sagt DLR-Planetenforscher Prof. Ralf Jaumann, dessen Mitarbeiter Ernst Hauber auch die Daten der Stereokamera CaSSIS (Colour and Stereo Surface Imaging System) auf dem TGO-Orbiter mit auswerten wird. Außerdem befindet sich die Landestelle nahe eines Gebietes, in dem der NASA-Rover Opportunity eine besondere Art von Hämatit, also Eisenoxid, entdeckt hat. "Diese Form des Eisenoxids bildet sich eigentlich nur in stehenden Gewässern - in der Meridiani Planum könnte es in der Vergangenheit also einmal größere Wassermengen gegeben haben."

Suche nach Leben auf dem Mars

Die wissenschaftliche Arbeit mit den vier Instrumenten auf dem "Trace Gas Orbiter" TGO fängt hingegen erst im Dezember 2017 an, wenn die Sonde vorsichtig und Schritt für Schritt abgebremst und in einen Orbit in 400 Kilometern Entfernung vom Mars gebracht wurde. Dann soll die Sonde eine Bestandsaufnahme machen, welche Spurengase in der Marsatmosphäre zu finden sind. Vor allem soll nach Methan gesucht werden, denn dieses Gas entsteht neben vulkanischer Aktivität auch durch biologische Prozesse und könnte ein Nachweis für Organismen auf dem Mars sein. Stellt der Orbiter Methan fest, soll beispielsweise mit der CaSSIS-Kamera die entsprechende Region aufgenommen werden. "Auf den hochauflösenden Bildern können wir dann analysieren, welche Quelle das Methan haben könnte", erläutert DLR-Planetenforscher Ralf Jaumann.

Die Mission

ExoMars ist eine gemeinsame Mission der europäischen Weltraumorganisation ESA und der russischen Weltraumbehörde Roscosmos. Sie umfasst den "Trace Gas Orbiter" TGO sowie den Schiaparelli "Entry, Descent and Landing Demonstrator" (EDL). Das DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungsforschung hat umfangreiche Experimente in verschiedenen Windkanälen am DLR Köln und Göttingen durchgeführt und steuert das Instrument COMARS+ bei. Das DLR-Institut für Planetenforschung hat das dreidimensionale Geländemodell für die Landestelle berechnet und arbeitet im internationalen Team der Stereokamera CaSSIS mit. Das DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin war für die Kontrollmessungen der "Planetary Protection" verantwortlich, die ausschließen sollen, dass mit der Mission Mikroorganismen von der Erde zum Mars gelangen. Das DLR-Raumfahrtmanagement unterstützt die ExoMars-Mission durch die Koordination der deutschen Beiträge. An ExoMars sind zahlreiche deutsche Firmen beteiligt.


Vollständiger Artikel mit Bildern unter:
http://www.dlr.de/dlr/presse/desktopdefault.aspx/tabid-10172/213_read-19721/year-all/#/gallery/24689

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Quelle:
Pressemitteilung vom 14.10.2016
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Unternehmenskommunikation, Linder Höhe, 51147 Köln
http://www.dlr.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2016

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