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INTERNATIONAL/007: Nahost - Innovative Wege für die Integration von Kriegsversehrten im Gazastreifen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. Januar 2015

Nahost: Smartphone-App für Sehbehinderte - Innovative Wege für die Integration von Kriegsversehrten im Gazastreifen

von Khaled Alashqar


Bild: © Khaled Alashqar/IPS

Die Palästinenserin Samah Shaheen ist trotz aller körperlichen Einschränkungen in der Lage, einer Arbeit nachzugehen
Bild: © Khaled Alashqar/IPS

Gaza-Stadt, 22. Januar (IPS) - An der Islamischen Universität von Gaza-Stadt haben drei IT-Studentinnen die erste Smartphone-App für die arabische Sprache entwickelt, die die Blindenschrift Braille verwendet. Solche Innovationen sind im Gazastreifen sehr willkommen, wo die Zahl der Kriegsversehrten in den letzten Jahren beträchtlich in die Höhe geschnellt ist.

Die jungen Entwicklerinnen hätten ihrer Gemeinschaft einen großen Dienst erwiesen, meint dazu Tawfiq Barhom, Dekan der Fakultät für Informationstechnologie. Die App habe es zudem bei einem globalen Wettbewerb unter die ersten fünf von insgesamt 2.500 Plätzen geschafft. Die Anwendung soll nun weiterentwickelt und weltweit vermarktet werden.

Wie die Studentin Israa Al Ashqar, die dem Projektteam angehört, berichtet, wurde die App aus der Erkenntnis geboren, dass sehbehinderte Menschen in der Gesellschaft noch stärker ausgegrenzt werden, wenn sie die sozialen Netzwerke und Smartphones nicht bedienen können.

Die neue App stellt den Smartphone-Nutzern ein alternatives Touch-Screen-Braille-Keyboard zur Verfügung. Das Projekt entstand innerhalb des von der Universität initiierten Programms 'Irada' (auf Arabisch 'Willen'), das jungen Kriegsversehrten berufliche Perspektiven erschließen will.

Im Gazastreifen ist die gesellschaftliche Integration körperbehinderter Menschen zu einer großen Herausforderung geworden. Bei Angriffen der israelischen Armee auf den Gazastreifen wurden dort in den vergangenen Jahren zahlreiche junge Palästinenser so schwer verletzt, dass sie eine Behinderung davontrugen.

Die Behörden in dem von der Außenwelt isolierten Gebiet sind somit gefordert, geeignete Rehabilitierungsprogramme zu entwickeln, damit diese Jugendlichen dem Leben in einem harschen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umfeld gewachsen sind.


Inklusion das Ziel

Irada will sie nicht nur finanziell und sozial unterstützen, sondern auch gegen ihre gesellschaftliche Ausgrenzung angehen. Mehr als 400 Personen mit unterschiedlichen Behinderungsmerkmalen und -graden haben bereits an den Rehabilitierungs- und Ausbildungsmaßnahmen teilgenommen.

Projektleiter Emad Al Masri berichtet, dass Irada ursprünglich für die zahlreichen Jugendlichen gedacht war, die während der israelischen Angriffe im Gazastreifen 2008 verletzt worden waren. Die türkische Regierung finanzierte damals den Bau der Räumlichkeiten, in denen Irada seine Kurse abhält. "Die Idee ist, behinderten Menschen zu einem produktiven Leben zu verhelfen, damit sie von anderen nicht mehr als Bürde betrachtet werden", sagt Al Masri.

Samah Shaheen, eine 33-jährige Palästinenserin, die im Flüchtlingslager Al-Bureij lebt, ist körperlich so stark beeinträchtigt, dass sie kaum an Gemeinschaftsaktivitäten teilnehmen kann. In einem halbjährigen Irada-Kurs wurde sie mit computergestützten Holzverarbeitungsverfahren vertraut gemacht. "Viele Jahres meines Lebens war ich aufgrund meiner Behinderung und fehlender Berufspraxis arbeitslos", berichtet sie. "Dank der Ausbildung habe ich jetzt einen Beruf und verdiene gut. Die Resonanz ist so überwältigend, dass ich ernsthaft darüber nachdenke, ob ich nicht eine eigene Werkstatt aufmachen soll."

Zentraler Bestandteil der Rehabilitierungsprogramme ist auch, die Behinderten während der Integration in den Arbeitsmarkt zu begleiten. Die Fortschritte, die die Betroffenen in Werkstätten und Fabriken machen, werden genau dokumentiert.


UNDP fördert Existenzgründer

Da sich Irada als besonders effizient erwiesen hat, wird es vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) finanziell gefördert. Die Zuschüsse erlauben den Absolventen der Kurse, kleine Geschäftsprojekte auf die Beine zu stellen und wirtschaftlich unabhängig zu werden.

Laut dem UNDP-Projektkoordinator Tariq Sha'at hat seine Organisation für die Einrichtung von Möbelproduktionsstätten im Gazastreifen 150.000 US-Dollar vorgesehen. 90 Menschen mit Behinderungen seien zudem zu Geschäftsführern ausgebildet worden. (Ende/IPS/ck/2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/01/escape-route-towards-social-inclusion-for-war-disabled-gazan-youth/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Januar 2015


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