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MELDUNG/041: Zwangssterilisierung für Transsexuelle ... In Schweden? (www.allout.org)


www.allout.org - 23. Januar 2012

Zwangssterilisierung für Transsexuelle ... In Schweden?


Wenn Sie Transsexueller in Schweden sind und ihr rechtsgültiges Geschlecht ändern wollen, sind Sie gezwungen, sich einem chirurgischen Eingriff zu unterziehen, der Sie auf immer unfruchtbar macht und Sorge trägt, daß Sie in Zukunft keine Kinder werden haben können. Richtig: Im Jahr 2012 fordert schwedisches Recht noch immer Ihre Zwangssterilisierung für etwas so Simples, wie die Änderung des Geschlechtsvermerks auf Ihrem Führerschein.

Trotz massiven Drucks, das Gesetz zu ändern, und auch der Unterstützung von 90% der schwedischen Parlamentsabgeordneten, hat Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt bislang zum Thema geschwiegen und erlaubt einer kleinen konservativen Partei, die Änderung zu blockieren.

Im Moment wird in Schweden über eine Reform des Gesetzes diskutiert. Wir brauchen eine massive Demonstration der Unterstützung in Schweden und in Europa, die schließlich Ministerpräsident Reinfeldt davon überzeugt, einzuschreiten und die Blockade zu beenden.

Zwangssterilisierung hat eine lange und furchtbare Geschichte in Schweden. Angefangen mit den Programmen der 1930er Jahre, mit denen man versuchte, bestimmte "unerwünschte" Züge der Gesellschaft dadurch zu beseitigen, daß man Menschen zwangsweise sterilisierte, hat Schweden schon lange mit seiner schmerzlichen Geschichte zu kämpfen, in der man Menschen etwas raubte, das heute als ein grundlegendes Menschenrecht angesehen wird. Sogar Ministerpräsident Reinfeldt hat das Sterilisierungsgesetz öffentlich als "dunkles Kapitel der schwedischen Geschichte" bezeichnet.

Jetzt hat er die Gelegenheit, das Kapitel ein für alle Mal zu schließen. Eine Gesetzesnovelle zur Vorlage im Parlament ist vorbereitet - in dem 90% der Abgeordneten dafür sind, Zwangssterilisierung zu verbieten - aber ohne einen Vorstoß des Ministerpräsidenten, wird die konservative christdemokratische Partei (Kristdemokraterna) ihre Regierungsbeteiligung dazu nutzen, die Reform zu blockieren.

Love Georg Elfvelin, ein 21jähriger Filialleiter aus Schweden, erklärt:
"Die schwedische Regierung zwingt Tausende Menschen wie mich, eine unmögliche Wahl zu treffen. Um das "F" auf meinem Ausweis in ein "M" zu verwandeln, zwingt mich mein Land dazu, das Recht auf eigene Kinder aufzugeben. Das ist nicht gerecht und diese Praxis muß ein Ende haben.
Tausende Menschen in ganz Europa unterstützen diesen Ausruf bereits, und der Druck auf Ministerpräsident Reinfeldt wächst, Stellung zu nehmen und dem ein Ende zu machen. Gerade gestern war ich bei einer Demonstration hier in Stockholm mit über 400 Teilnehmern. Die Sache gewinnt an Fahrt, aber wir brauchen Ihre Unterstützung."

Er hat auf youtube ein Video mit seinem Aufruf veröffentlicht:

Video Link: http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=N5BItMiWM60&noredirect=1


Wir wissen, daß Ministerpräsident Reinfeldt auf unserer Seite steht: Ob hetero, schwul, lesbisch, bi oder trans, nehmen Sie sich einen Moment lang Zeit, Ihre Stimme zu erheben und Ministerpräsident Reinfeldt zu bitten, sich für die Menschenrechte einzusetzen?

RFSL, die schwedische LSBT-Vereinigung, leitet Ihre Unterschrift an das Büro des Ministerpräsidenten weiter.

Link zur Petition: www.allout.org/stop_forced_sterilization


weitere Informationen:

Schweden: Transsexuelle Schauspielerin beklagt ihre "Zwangssterilisierung" - Viele Länder, die eigentlich als fortschrittlich in Sachen LSBT-Rechte angesehen werden, verfolgen nach wie vor diese Praxis.
www.globalpost.com/dispatch/news/culture-lifestyle/111101/sweden-transgender-LGBT-gay-lesbian-bisexual-sterilization

Schweden behält Geschlechtsumwandlungssterilisationsgesetz bei
www.thelocal.se/38466/20120112/

Brief von Human Rights Watch an den schwedischen Ministerpräsidenten
www.hrw.org/node/104368

AllOut.org bringt Menschen aus allen Ecken der Erde und jeder Identität zusammen - lesbisch, schwul, hetero, bisexuell, transsexuell und alles dazwischen und darüber hinaus - um eine Welt aufzubauen, in der jede/r frei leben und so akzeptiert werden kann wie er/sie ist.


Anmerkung der SB-Redaktion:

Im Januar 2011 erklärte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die im deutschen Transsexuellengesetz [1] vorgesehene Zwangssterilisation für die sogenannte "große Lösung" (operative Geschlechtsumwandlung) für verfassungswidrig [2]. Im September beschied das Oberlandesgericht Karlsruhe, daß bis zu einer entsprechenden Änderung des Gesetzes - eine Frist war vom BVerfG nicht gesetzt worden - eine gewünschte Geschlechtsumwandlung nicht vertagt, sondern in Anlehnung an die Regelung der "kleinen Lösung" (Namensänderung) ohne die vom BVerfG beanstandeten Bedingungen zu erfolgen hat [3].

[1] http://www.gesetze-im-internet.de/tsg/BJNR016540980.html
[2] http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg11-007.html
[3] http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&nr=14747


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Quelle:
Pressemitteilung, 23.01.2012
www.allout.org
mit freundlicher Genehmigung in einer Übersetzung
des Schattenblick aus dem Englischen


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2012