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BERICHT/353: Studie - Diskriminierung und Gewalt an Frauen mit Behinderung (BEB)


BeB - Informationen, Bundesverband evangelische Behindertenhilfe
Nr. 46, April 2012

Studie der Universität Bielefeld mit besorgniserregenden Ergebnissen

Diskriminierung und Gewalt an Frauen mit Behinderung

Von Brigitte Huber



Dass Frauen mit Behinderung häufiger als Frauen ohne Behinderung von Gewalt und sexuellem Missbrauch bedroht sind, ist seit langem bekannt. Es gibt und gab auch immer wieder Vorstöße seitens der Politik, diesen unerträglichen Zustand zu ändern. Jetzt hat die Universität Bielefeld im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine wissenschaftliche Studie mit Zahlen und Fakten vorgelegt, die aufhorchen lassen muss.

In einer repräsentativen Untersuchung wurden insgesamt 1.561 Frauen zwischen 16 und 65 Jahren mit und ohne Behindertenausweis in Familien und in Einrichtungen nach ihren Erfahrungen befragt. 318 Frauen mit "geistiger Behinderung" wurden von spezifisch geschulten Interviewerinnen mit einem Fragebogen in vereinfachter Sprache befragt.

Wesentliche Ergebnisse sind: Frauen mit Behinderungen haben ein stark erhöhtes Risiko Opfer von Gewalt zu werden: Mit 58 bis 75 Prozent haben fast doppelt so viele Frauen im Erwachsenenalter körperliche Gewalt erlebt als Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt (mit 35 Prozent).

Von sexueller Gewalt im Erwachsenenleben waren die Frauen der Befragung etwa zwei- bis dreimal häufiger betroffen als der weibliche Bevölkerungsdurchschnitt (21 bis 44 Prozent versus 13 Prozent). Gewalterfahrungen in Kindheit und Jugend tragen maßgeblich zu späteren gesundheitlichen und psychischen Belastungen im Lebensverlauf bei: Sexuelle Übergriffe in Kindheit und Jugend durch Erwachsene gaben 20 bis 34 Prozent der befragten Frauen an. Sie waren damit etwa zwei- bis dreimal häufiger davon betroffen als Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt (zehn Prozent). Psychische Gewalt und psychisch verletzende Handlungen in Kindheit und Jugend durch Eltern haben etwa 50 bis 60 Prozent der befragten Frauen erlebt (im Vergleich zu 36 Prozent der Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt).

Die Studie hat gezeigt, dass zwar die Mehrheit der Übergriffe außerhalb von Institutionen erfolgt, dass aber eben auch in Einrichtungen lebende Frauen mit geistiger Behinderung sowohl sexuelle Gewalt als auch andere Formen der Menschenrechtsverletzungen erlitten haben. Wie ist darauf zu reagieren? Soll man eine Meldepflicht fordern? Einige Einrichtungen der Behindertenhilfe haben bereits seit langem interne Verfahren, die deutlich machen, wer anzusprechen ist, falls ein Fall bekannt wird. Es gibt Übergriffe durch Personal sowie unter den Bewohnern von Wohnheimen. Die Implementierung von Ethikberatung in der Behindertenhilfe kann dazu beitragen, das Konfliktpotenzial zu analysieren und mit geeigneten Maßnahmen abzumildern oder zu unterbinden. Die Ergebnisse sind äußerst besorgniserregend, da sie eklatante Verstöße gegen die UN-Behindertenrechtskonvention enthalten. Die Studie wird für Einrichtungen der Behindertenhilfe Anlass sein, gründlich nach Ursachen und Lösungen zu suchen.


Brigitte Huber
b. huber-beb@gmx. de

Die Studie ist abrufbar unter:
www.uni-bielefeld.de/IFF/for/zentrale_ergebnisse_kurzfassung.pdf

Bisher liegt nur eine Kurzfassung vor, die ausführliche Studie soll bei einer Fachtagung am 26. April von 10 bis 17.30 Uhr im Bielefelder Rathaussaal vorgestellt werden.

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Quelle:
Verbands-Informationen, Nr. 46, April 2012, S. 8
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers:
Bundesverband Evangelische Behindertenhilfe e.V. (BEB)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. April 2012