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BERICHT/370: Prof. Dr. Luise Reddemann - Engagiertes Plädoyer für das "beidäugige Sehen" (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel - April 2013

Prof. Dr. Luise Reddemann geehrt
Engagiertes Plädoyer für das "beidäugige Sehen"

Von Robert Burg



Mit einem Symposium zur Traumatherapie wurde Anfang März der 70. Geburtstag von Prof. Dr. Luise Reddemann im voll besetzten Assapheum in Bethel begangen. Die renommierte Psychoanalytikerin war von 1985 bis 2003 Leiterin der Klinik für Psychotherapeutische und Psychosomatische Medizin im Ev. Krankenhaus Bielefeld (EvKB).


Unter dem Titel "Mit beiden Augen sehen - Kreativität, Trauma und Resilienz" wurden Themen wie die heilsame Wirkung der Vorstellungskraft und ihr Einsatz in der Traumatherapie diskutiert. Dr. Andrea Möllering, jetzige Leiterin der Klinik für Psychotherapeutische und Psychosomatische Medizin im EvKB, würdigte die Erfolge von Luise Reddemann: "Als ich vor dreieinhalb Jahren nach Bielefeld kam, trat ich in große Fußstapfen." Auch heute noch seien die Erkenntnisse Prof. Dr. Reddemanns wegweisend für die Traumatherapie: Während ihrer Zeit als Leiterin der Bielefelder Klinik entwickelte sie die Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie - kurz PITT -, die bis heute bundesweit als führendes Behandlungskonzept in der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit einem komplexen seelischen Trauma gilt. Engagiert plädierte Prof. Dr. Reddemann für eine auf die Bedürfnisse des jeweiligen Patienten maßgeschneiderte Therapie: "Es kann sein, dass etwas 100 Menschen hilft und dem 101. schadet." Ein therapeutisches Patentrezept, das hätte sie die Erfahrung gelehrt, gebe es nicht. "Wir behandeln keine Krankheiten - wir behandeln Menschen", gab sie zu bedenken.


Selbstheilungskräfte

Ein Vortragsabend ergänzte das Programm des Symposiums. In der Krankenhaus-Kapelle am Standort Johannesstift berichtete Prof. Dr. Reddemann, was sie als Therapeutin während ihrer jahrzehntelangen Tätigkeit von ihren Patientinnen und Patienten lernen konnte. "Das setzt allerdings voraus, dass man auch aus eigenen Erfahrungen lernen kann." Aufgabe der Therapeutinnen und Therapeuten sei es, das kreative Potenzial der Patienten freizusetzen und verborgene oder verschüttete Selbstheilungskräfte zu aktivieren: "Wir müssen den Menschen helfen, zu einem guten Leben zurückzufinden." Kreative Tätigkeiten können dabei unterstützen, doch auch sie müssen mit Bedacht ausgewählt werden: "Beispielsweise tut Singen vielen Menschen gut. Aber bekannte Lieder können auch an schlimme Erfahrungen erinnern. Dann ist das schädlich", warnte die Psychoanalytikerin.

Weil sich Selbstheilungskräfte am besten entfalten können, wenn positive Gedanken präsent sind, sollen Therapeuten nicht ausschließlich problemorientiert arbeiten, sondern Optimismus, Freude und Hoffnung wecken: "Ein Auge blickt auf die Krankheit, das andere auf die Gesundheit." Dieses "beidäugige Sehen" sei Grundvoraussetzung für das Gelingen einer Therapie. "Für mich als gelernte Pathologin war das zunächst schwierig", räumte Luise Reddemann ein. Die Therapeuten forderte sie auf, die Würde der Patienten zu achten und deren Autonomie zu wahren. Dazu gehöre auch, die persönliche Intimität zu respektieren: "Man muss nicht alles wissen, um hilfreich zu sein." Die Patienten ermunterte sie, zunächst auf sich selbst zu hören und ihre Therapie stets zu hinterfragen.

Sie selbst, so Prof. Dr. Reddemann, blicke heute dankbar auf die Erfahrungen zurück, die sie in ihrer beruflichen Laufbahn machen durfte: "Die Patienten haben einen ungeheuren Reichtum an für mich neuen Dingen mit ins Sprechzimmer gebracht."

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Quelle:
DER RING, April 2013, S. 8
Monatszeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl in Zusammenarbeit mit der
Gesamtmitarbeitervertretung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Mai 2013