Schattenblick →INFOPOOL →PANNWITZBLICK → PRESSE

BERICHT/378: In der Buchhandlung Bethel guten Arbeitsplatz gefunden (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel - Oktober 2013

Tim-Marten Westerwelle meistert sein Leben trotz Narkolepsie
In der Buchhandlung Bethel guten Arbeitsplatz gefunden

Von Petra Wilkening



Ein bequemer Ohrensessel steht in der Nähe seines Bürotisches. Sein Chef hat ihn aus der Brockensammlung Bethel besorgt - wegen der Schlafattacken. Tim-Marten Westerwelle hat Narkolepsie. Gute Tage sind für ihn die, an denen er nur einmal plötzlich in den Schlaf gleitet. Es gibt aber auch die schlechten. Dann schläft er so oft ein, dass er nur eine Stunde am Tag wach ist. In der Buchhandlung Bethel hat er trotz seiner schweren Krankheit einen Arbeitsplatz gefunden.


Geplant war alles ganz anders. Nach dem Fachabitur und einer Ausbildung in der Informationstechnologie wollte Tim-Marten Westerwelle in diesem Bereich auch arbeiten. "Wenn ich wach bin, bin ich so produktiv wie jeder andere. Aber angesichts der Arbeitszeiten im IT-Bereich musste ich mir eingestehen, dass ich das nicht schaffe. Das war schwer. Man steht vor einer Wand und ist erst mal am Boden zerstört", so der 30-Jährige. Es ist ihm aber gelungen, mit dem Rückschlag umzugehen. "Humor zu haben hilft einem dabei, nicht depressiv zu werden!" Manchmal ist es auch der Galgenhumor: "Die Narkolepsie hat ja auch einen Vorteil", spottet der junge Mann. "Wenn ich aufwache, bin ich sofort da!" Der Grund: Menschen mit Narkolepsie hätten keinen Tiefschlaf.

In der Buchhandlung Bethel arbeitet Tim-Marten Westerwelle seit fünf Jahren in der Rechnungsverwaltung und Buchhaltung. Er hat hier einen von insgesamt fünf ausgelagerten Werkstattarbeitsplätzen für behinderte Menschen und ist drei Stunden täglich im Einsatz - wenn ihm die Narkolepsie nicht dazwischenkommt. "Es ist angenehm, hier ohne Druck arbeiten zu können. Dringende Vorgänge übernehmen die Kollegen, wenn Schlafanfälle mich einschränken, und die anderen Dinge erledige ich am nächsten Tag." Die Verwaltungsarbeit sei für ihn zwar nicht "ultraspannend", aber er habe einen guten Arbeitsplatz, wo er jeden Tag gerne hingehe. "Ich trage meinen Teil zum Betrieb bei, und es wird geschätzt, was ich hier tue." Und wenn er dann noch Laptops oder ein PC-Netzwerk einrichten darf, gefällt es ihm besonders.

Die Buchhandlung am Königsweg in Bielefeld-Bethel befindet sich in neuen Räumen in der Hauptverwaltung. Ein auf dem Bürgersteig aufgemalter "roter Teppich" weist den Weg zum provisorischen "Noteingang". Von den neuen Verkaufsräumen aus hat man einen direkten Fensterblick auf die Baustelle an der Hauptverwaltung, die saniert wird. Von dem einstigen Pavillon der Buchhandlung ist nichts mehr zu sehen. Er wurde abgerissen. "Die neuen Ladenräume sind viel offener, und der Abschied vom 70er-Jahre-Schick war auch von Vorteil", freut sich Tim-Marten Westerwelle mit seinem Chef Wolfram Schwarzbich. Die 70er-Jahre hätten zwar gute Musik hervorgebracht, aber keine guten Farben.

Das Einfühlungsvermögen der Mitarbeitenden ist für Tim-Marten Westerwelle das besondere Plus der Buchhandlung Bethel. Für sie sei es kein Problem, wenn jemand komme, der "etwas" für seine 14-jährige Nichte suche und nicht wisse, was sie interessieren könnte. "Die Mitarbeiter haben immer ein offenes Ohr für die Kunden und nehmen sich Zeit für die Beratung."


Eis und Feuer

Tim-Marten Westerwelle ist zwar nicht im Verkauf tätig und hat nicht direkt mit den Büchern zu tun, aber er hat schon immer gerne gelesen. "Vor allem Fantasy und Science Fiction und ab und zu einen netten Krimi." Zurzeit ist es "A dance with dragons", der aktuelle fünfte Band einer Fantasy-Saga, die in Deutschland unter dem Titel "Das Lied von Eis und Feuer" erscheint. Allerdings befürchtet Tim-Marten Westerwelle, dass der Autor wieder nichts auflöst. "Er ist erst 65 und wird sicher weiterschreiben wollen." Auch wenn sich Tim-Marten Westerwelle zurzeit ein wenig "quält" und seinen WG-Mitbewohner beneidet, weil der mit der Lektüre schon durch ist, schätzt er Bücher sehr. "Wenn man gerne liest, kann man mit Wenig viel Spaß haben. Und außerdem wartet ein Buch auf einen. Schläft man ein, kann man anschließend weiterlesen. Das ist bei einem Kinobesuch anders." Englische Bücher liest Tim-Marten Westerwelle möglichst in der Orginalsprache. "Wenn man es kann, sollte man Literatur immer in der Originalversion lesen", empfiehlt er. "Bei den Übersetzungen geht viel an Wortwitz verloren."

Der Buchhandel wird sich in den nächsten Jahren deutlich verändern - davon geht Wolfram Schwarzbich aus. Das E-Book wird dazu ebenso beitragen wie der Direktverkauf durch Autoren über das Internet. Schon jetzt sind die Handelsspannen auch deswegen gering, weil ein Buch, sobald es ein Bestseller ist, an Tankstellen und in Supermärkten verkauft wird. "Dann verteilen sich die Gewinne auf viele", bedauert der Leiter der Betheler Buchhandlung. Was den kleinen Buchläden bleibe, sei das aufwändigere Besorgungsgeschäft, das heißt, den Kunden bei der Recherche zu helfen.


Sortiment angepasst

Die Buchhandlung Bethel hat den Umzug genutzt, um das Sortiment anzupassen. Seit es keine Volltheologie-Studenten in Bethel mehr gibt, ist die Nachfrage nach entsprechenden Fachbüchern gesunken. Der Anteil vorhandener christlicher Literatur wurde darum verringert, ist aber immer noch größer als in anderen Buchläden. Rund ein Fünftel des Umsatzes macht die "Fortsetzungsabteilung" aus: Hier werden Fachzeitschriften und Fachbücher angeboten, zu denen der Kunde auch die Aktualisierungen - die "Fortsetzungen " - abonniert. Ein weiterer großer Bereich sind die "Nichtbuch"-Produkte aus dem christlichen Bereich - Kerzen, Kreuze, Ketten - oder aus dem Kinderbereich, darunter zum Beispiel Artikel rund um "Prinzessin Lillifee" oder solche mit Pferdemotiven. "Diese Abteilung mit den sogenannten Non-books haben wir schon seit Anfang der 1990er-Jahre", so Wolfram Schwarzbich.

In der Buchhandlung gibt es neben den fünf Werkstattarbeitsplätzen für Beschäftigte mit einer Behinderung vier Vollzeitstellen. "Jemand wie ich wäre in einem anderen Land arbeitslos", sagt Tim-Marten Westerwelle, dankbar für die Möglichkeit in Bethel. Er hofft darauf, dass es weiterhin so bleibt. Auch darum appelliert er an die "Bethelaner": "Alles, was ihr an Literatur haben wollt, könnt ihr in unserer Buchhandlung bestellen!"

*

Quelle:
DER RING, Oktober 2013, S. 14-15
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl in Zusammenarbeit mit der
Gesamtmitarbeitervertretung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Redaktion: Quellenhofweg 25, 33617 Bielefeld
Telefon: 0521/144-3512, Fax: 0521/144-2274
E-Mail: presse@bethel.de
Internet: www.bethel.de
 
DER RING erscheint monatlich
Die Zeitschrift kann kostenlos abonniert werden


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Oktober 2013