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BILDUNG/252: Eine zweite Chance mit dem Betheler Förderangebot "Ausbildung+" (Bethel)


Pressemitteilung der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel - 10.07.2009

Eine zweite Chance mit dem Betheler Förderangebot "Ausbildung+"

Jens Di Chio ist zurück in der "Waagerechten"


Bielefeld-Bethel. Mit angehobener Augenbraue beobachtet Jens Di Chio die Gasblase in der grünen Flüssigkeit, die sich genau zwischen den beiden Markierungen einpendelt. "Passt! Kein Gefälle!", freut sich der 23-Jährige.


Jens Di Chio nimmt die Wasserwaage von der frisch verputzten Mauer, setzt sich erschöpft auf einen Zementsack und betrachtet sein Tagewerk. Er ist zufrieden mit seiner Arbeit - und er ist glücklich, dass er mit dem Betheler Förderangebot "Ausbildung+" seine "letzte Chance" genutzt hat.

Erst vor wenigen Tagen hat Jens Di Chio seine Abschlussprüfung zum Hochbaufachwerker bestanden und dabei recht gut abgeschnitten. Die Berufsausbildung hat er bei "Ausbildung+" gemacht, einem Angebot der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel für Jugendliche und junge Erwachsene mit besonderem Förderbedarf.

Jens Di Chio, der an frühkindlichem Autismus litt, wuchs in schwierigen Familienverhältnissen auf und lebte lange in einer Pflegefamilie. Vor fünf Jahren hatte der gebürtige Lemgoer beim SOS-Berufsausbildungszentrum in Detmold eine Ausbildung als Maurer angefangen. Doch Jens Di Chio geriet auf die schiefe Bahn. "Ich habe während der Ausbildung viel Blödsinn mit meinem Kumpel gemacht. Einbrüche, Sachbeschädigungen, Diebstahl ... Irgendwann landete ich im Knast. Ich saß tief in der Tinte", berichtet er ruhig und aufgeschlossen, während er mit der Maurerkelle Mörtelreste von der Wand kratzt.

Eineinhalb Jahre war Jens Di Chio im Gefängnis. In dieser langen Zeit ist er zu der Einsicht gekommen, dass er sein Leben in Ordnung bringen muss. Eine abgeschlossene Berufsausbildung war für ihn die Voraussetzung dafür. Seit seiner Haftentlassung im Winter 2007 wohnt Jens Di Chio im Betheler Otto-Riethmüller-Haus in Bielefeld, einer sozialpädagogischen Einrichtung für junge Menschen mit persönlichen und sozialen Schwierigkeiten. Im Februar vergangenen Jahres begann er als Quereinsteiger bei "Ausbildung+" in Bielefeld-Eckardtsheim. Seine ersten Lehrjahre in Detmold wurden ihm angerechnet. Die Ausbildung gefällt Jens Di Chio sehr gut. "Ich habe unheimlich viel Unterstützung bekommen und wurde toll begleitet. Das war vermutlich meine letzte Chance", freut er sich.

Seine Ausbilder bescheinigen Jens Di Chio "viel handwerkliches Geschick" und "gute Teamfähigkeit". "Besonders die Praktika in unseren Kooperationsunternehmen sind ihm gut bekommen", sagt Ausbildungsmeister Christoph Steiner. Die Ausbildung ist theoriereduziert. Die Einrichtung legt viel Wert auf praktische Erfahrungen. "Jeder Azubi absolviert verschiedene Praktika außerhalb der Einrichtung, um die Arbeitsrealität kennen zu lernen. Potenziell künftige Arbeitgeber sammeln Erfahrungen mit möglichen neuen Mitarbeitern", erläutert Abteilungsleiter Ulrich Eilinghoff.

In fünf verschiedenen Berufen bildet "Ausbildung+" aus: Bau- und Metallmaler, Hauswirtschaftshelfer, Holzbearbeiter, Metallbearbeiter und Hochbaufachwerker. In der Regel dauert die Ausbildung drei Jahre. "Ausbildung+" kooperiert mit dem Kerschensteiner Berufskolleg, der Berufsschule in Bethel, und mit Betrieben aus der Region.

In jedem Berufsbild werden pro Ausbildungsjahr durchschnittlich vier Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausgebildet - insgesamt also rund 20 Azubis. Die 19 Teilnehmerinnen und Absolventen des letzten Ausbildungsjahrganges wurden jetzt verabschiedet, darunter auch Jens Di Chio.

Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen kommen in der Regel mit einem Sonderschulabschluss zu "Ausbildung+" und haben, wie Jens Di Chio, kaum eine Chance einen Ausbildungsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt zu bekommen. "Wir haben das Ziel, möglichst alle auf den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln", sagt Ulrich Eilinghoff. In der Regel werde dieses Ziel auch erreicht. 2008 wurden weit über 80 Prozent vermittelt.

Auch Jens Di Chio hat bereits einen Arbeitsplatz in Aussicht. In wenigen Wochen soll es losgehen, zunächst für zwei Monate auf Probe. Wenn alles gut läuft, bekommt er einen Halbjahresvertrag. Bis es soweit ist, arbeitet Jens Di Chio in einer tagesstrukturierenden Maßnahme vom Otto-Riethmüller-Haus. Mit dem Haustechnischen Dienst der Einrichtung wird in Bethel ein Altbau für ein neues Jugendhilfe-Angebot umgebaut und renoviert. "Prima, dass ich diese Möglichkeit habe. So roste ich nicht ein", sagt Jens Di Chio mit einem Schmunzeln.


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Quelle:
Pressemitteilung der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel vom 10.07.2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2009