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BILDUNG/317: Bildungschancen - Zur Situation von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung (Selbsthilfe)


Selbsthilfe - 3/2011

POSITION ZU BILDUNGSCHANCEN

BAG SELBSTHILFE
Zur Situation von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung


Bildung ist die Grundvoraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben für alle Kinder und Jugendliche. Die Chance, auf eignen Füßen zu stehen und gleichberechtigt am schulischen sowie gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können wird aber insbesondere behinderten Kindern erschwert. Denn der Zugang zu inklusiver Bildung ist in Deutschland noch unzureichend gewährleistet, auch wenn die UN-Behindertenrechtskonvention dies längst als vorgeschrieben in ihren Statuten verankert hat. Ein nicht haltbarer Zustand, dessen Veränderung die BAG SELBSTHILFE mit Nachdruck fordert.


Selbstverständlich: Inklusive Bildung

Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE ist es erforderlich, umfassende Maßnahmen zu ergreifen, die das inklusive Lernen in Deutschland eine Selbstverständlichkeit werden lassen. "Kindergärten und -tagesstätten, Schulen, Hochschulen und Einrichtungen der Weiterbildung sollen alle Menschen von Anfang an (...) mit ihren individuellen Bedürfnissen fördern". So definiert es die Bundesregierung in ihren Ausführungen zum Aktionsplan der UN-Behindertenrechtskonvention. Ein Ziel, das derzeit noch unerreicht ist, da selbst die Voraussetzungen dafür, nämlich die Schaffung eines flächendeckenden Angebotes inklusiver Schulen, zwingend erforderlich ist.


Voraussetzungen: Inklusive Schule

Das setzt allerdings zunächst eine klare Definition der inklusiven Schule voraus. Nach Ansicht der BAG SELBSTHILFE kann das nur eine Schule für alle sein - und dies muss sich auf alle Schulformen und Schulstufen beziehen -, die wohnortnah ist, Inklusion als Anspruch und als Qualitätskriterium versteht und die Menschen zur umfassenden Teilhabe an der Gesellschaft befähigt. Dazu ist es notwendig, den Unterricht so zu gestalten, dass alle behinderten und nichtbehinderten Schüler optimal lernen und ihre Potentiale entwickeln können. Zudem müssen Schulverwaltung und -träger alle erforderlichen personellen, sachlichen und organisatorischen Voraussetzungen für den gemeinsamen Unterricht bereitstellen. Das ist im Speziellen die Barrierefreiheit im Hinblick auf bauliche und sachliche Ausstattungen, Lernmaterialien und -medien sowie Kommunikationsformen.


Weiterbildung: Inklusive pädagogische Kompetenz

Um Bildungsangebote je nach Behinderungsart optimal gestalten zu können, ist eine zusätzliche Ausbildung der Lehrkräfte mit sonderpädagogischer Kompetenz unabdingbar. Auch externe Beratungssysteme und -angebote sollten deshalb in der schulischen Arbeit eng eingebunden sein. Zudem sollte eine inklusive Schule offen sein für den "best-practise-Vergleich" mit anderen Schulen, um ihr Konzept der Inklusion stetig weiterzuentwickeln. Das ist gerade im Hinblick auf die Vorbereitung auf den weiteren (beruflichen) Bildungsweg zwingend erforderlich.

Nur die Schülerquote der integrativ/inklusiv Beschulten zu erhöhen, wie es die Bundesregierung als Absicht formuliert, ist nicht ausreichend, genauso wenig wie die Zuständigkeit der Länder ein Argument für ihre Zurückhaltung sein darf, wenn es darum geht, ein inklusives Schulsystem voranzubringen. Denn auch die Länder sind aufgrund des Grundsatzes der Bundestreue verpflichtet, die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik umzusetzen. Notfalls ist die Bundesregierung verpflichtet, dies mit Rechtsmitteln durchzusetzen.


Vernachlässigt: Inklusive Hochschule

Die BAG SELBSTHILFE sieht umgehenden Handlungsbedarf im Bereich der Hochschulbildung für Behinderte, denn bislang existiert weder eine klare Zielformulierung bzgl. inklusiver Hochschulen, noch wurde eine differenzierte Defizitanalyse bzgl. der bestehenden Hochschulen seitens der Bundesregierung vorgelegt. Es muss klar benannt werden, bis wann alle Hochschulen und deren Angebote in Deutschland barrierefrei zu sein haben.

Dazu ist es auch erforderlich, eine flächendeckende Beratungsstruktur hinsichtlich des Themas "Studium und Behinderung" zu schaffen.


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Quelle:
Selbsthilfe 3/2011, S. 26
Zeitschrift der BAG SELBSTHILFE
Herausgeber: Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe
von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung
und ihren Angehörigen e.V.
BAG SELBSTHILFE
Kirchfeldstr. 149, 40215 Düsseldorf
Tel.: 0211/31 00 6-0, Fax: 0211/31 00 6-48
E-Mail: info@bag-selbsthilfe.de
Internet: www.bag-selbsthilfe.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Oktober 2011